Im Interview mit SPOX und Goal spricht Gündogan über seine fußballerischen Idole, seine eigenen Ambitionen, später Trainer zu werden, in welcher Situation ihn sein Trainer Pep Guardiola besonders beeindruckt hat und über das Leben in England mit der Corona-Mutation.
Herr Gündogan, Sie haben in einem Interview vor einem Jahr nicht ausgeschlossen, eines Tages mal Trainer zu werden. Würde Sie dabei mehr die Rolle des "kadermoderierenden" Cheftrainers reizen oder eher die des weniger im medialen Mittelpunkt stehenden Assistenten des Cheftrainers? Denn der macht sich ja eigentlich noch viel konkretere Gedanken über Taktik, Training und Matchpläne als der Cheftrainer.
Ilkay Gündogan: Ich habe mir vor einiger Zeit ein paar Informationen eingeholt, wie das Prozedere denn abliefe, wenn ich eines Tages einen Trainerschein machen würde. So gesehen ist das schon etwas mehr als nur ein Gedanke. Aber wie ich mich dann ausrichten möchte, so weit sind meine Gedanken nun auch wieder noch nicht. Fakt ist, dass ich mit Pep, Kloppo und Thomas Tuchel in meinen bisherigen Vereinsstationen so ziemlich die besten Trainer im Klubfußball überhaupt hatte. Dabei lernt man sehr viel und überlegt, wie man dieses Wissen nach der Karriere eventuell weitergeben kann.
Wenn man die Trainer der Premier-League-Top-Teams mal ausklammert: Welcher Trainer gefällt Ihnen vom taktischen Ansatz her am besten? Welchen Mannschaften schauen Sie gerne zu?
Gündogan: Wenn Mannschaften von der individuellen Klasse nicht zu den absoluten Spitzenmannschaften gehören, aber trotzdem immer versuchen, aktiv das Spiel zu gestalten und trotz Widerstände ihr Ding einfach durchziehen, dann gefällt mir das auch als neutraler Zuschauer vor dem Fernseher sehr. Eine eigene, taktische Philosophie verfolgen - unabhängig von der Stärke des Gegners. Diese Saison tun sie sich etwas schwer, aber die vergangenen Jahre würde ich hier auf jeden Fall die Wolves hervorheben sowie in der aktuellen Spielzeit Leeds United. Wenn der Gegner immer tief steht, gefällt mir das natürlich nicht. Unsere eigenen Ergebnisse gegen Leeds diese Saison oder auch die Wolves vergangene Saison zeigen aber durchaus, dass man gegen Top-Teams auch mit Offensivfußball erfolgreich sein kann.
In welcher Situation hat Sie Guardiola während Ihrer Zeit bei ManCity taktisch besonders beeindruckt?
Gündogan: Es war sicherlich gleich in unserer ersten Saison. Ich war zwar erst verletzt, bin dann aber zu einem Team gekommen, bei dem man geglaubt hat, es spielt diesen Pep-Fußball schon seit Jahren. Die Schnelligkeit, wie er seinen Fußball taktisch an die Mannschaft vermitteln kann, ist beeindruckend. Das war auch beim FC Bayern damals schon so. Gleichzeitig aber auch diese Saison, dass er bis heute noch in jeder Trainingseinheit so motiviert agiert. Es war ja immer davon die Rede, dass Pep nur ein Trainer für maximal drei Jahre sei - im Moment sehen wir, dass diese Kritiker Unrecht hatten.
Gündogan: Foden? "Guardiola hat sich nicht beeinflussen lassen"
Bei welchem Spieler hat es Sie am meisten beeindruckt, wie Guardiola ihn besser gemacht hat und warum?
Gündogan: Auch für seinen Umgang mit Phil Foden gab es teilweise Kritik aus unterschiedlichen Richtungen. Pep hat seine Qualitäten sehr früh öffentlich betont, aber seine Einsatzzeiten waren noch relativ kurz zu Beginn. Diese Saison sehen wir, dass aber auch dieser Weg genau der richtige war. Pep war jederzeit sehr bemüht um ihn, vor allem im Training. Im Moment spielt Phil eine außerordentlich wichtige Rolle in der Mannschaft. Er war einer unserer besten Spieler gegen Liverpool. Er wird immer besser und besser. Pep hat ihn langsam und behutsam herangeführt und sich nicht von anderen Ansichten beeinflussen lassen. Aktuell sind wir in der Mannschaft alle froh, so ein europäisches Top-Talent in unseren Reihen zu haben.
Mit welchem ehemaligen oder aktiven Spieler hätten Sie gerne zusammengespielt und warum?
Gündogan: Xavi und Iniesta haben mich beim FC Barcelona viele Jahre enorm beeindruckt. Ich habe auch immer versucht, mir möglichst viel von ihnen abzuschauen. Als die beiden ihren Karrierehöhepunkt hatten in einem Dreier-Mittelfeld mit ihnen zusammenzuspielen, war damals schon ein kleiner Traum von mir. Ich kann mich aber auch so nicht beklagen, weil ich auch beim BVB, bei ManCity und dem DFB-Team mit enorm vielen überragenden Fußballern zusammengespielt habe beziehungsweise dies immer noch tue.
Sie gehen seit Ihrer Corona-Erkrankung aktiv mit dem Thema um und fordern die Menschen dazu auf, das Virus ernst zu nehmen. Was ging Ihnen als Erstes durch den Kopf, als die Corona-Mutation in England auftrat? Und wie gehen Sie persönlich mit der Situation um?
Gündogan: Man liest natürlich viel darüber beziehungsweise sieht es in den Nachrichten im TV. Man sollte aber so oder so einfach so vorsichtig wie möglich im Alltag sein. Ich selbst verlasse außer für Training und Spiel kaum noch meine Wohnung. Das war vor der Mutation so und ist auch heute noch so. Mein Mitbewohner geht für uns einkaufen. Ich hole mir unterwegs höchstens einmal einen Cafe to go oder gehe eine Runde spazieren. Geschätzt verbringe ich derzeit aber 90 Prozent meiner Zeit zu Hause.
Sie haben zuletzt viele Charity-Projekte ins Leben gerufen. Wie kommt es, dass Ihnen das Thema so am Herzen liegt? Haben Sie auch in Ihrem privaten Umfeld Menschen mit Existenzängsten?
Gündogan: Ich möchte das eigentlich gar nicht an die große Glocke hängen, weil es für mich eine Selbstverständlichkeit ist. Die Projekte kamen aus den unterschiedlichsten Gründen zustande. Im Ruhrgebiet lebt ein Teil meiner Familie, ich habe dort ein Großteil meines Lebens beziehungsweise meiner Karriere verbracht und bin über diese schöne Zeit extrem dankbar, daher wollte ich in den Krisengebieten etwas zurückgeben. In Nürnberg lief das alles über meinen ehemaligen Gymnasiums-Direktor, den ich gefragt hatte, wo man am besten helfen könne. In Manchester fühle ich mich seit Jahren enorm wohl und kriege täglich mit, wo die Probleme am größten sind. An meinem Geburtstag im Herbst und vor Weihnachten ging die Hilfe vor allem Richtung Behinderten- und Seniorenheime. Dort war ich dann auch persönlich und konnte durch eine Glasscheibe mit ihnen sprechen. Das war sehr emotional.
Gündogan: "Ich befinde mich in einer privilegierten Position"
Sie unterstützen auch Cafés und Restaurants in Manchester. Wie kam das?
Gündogan: Die Gastronomie unterstütze ich nun, weil ich vor Corona dort sehr viel Zeit mit Familie und Freunden verbracht habe und derzeit viele vor der Insolvenz stehen oder traurigerweise bereits insolvent sind. Diese Leute tun mir einfach nur leid, weil sie ohne jegliche Schuld in eine sehr schwierige Lage gebracht wurden. Von daher weiß ich sehr gut, in welcher privilegierten Position ich mich befinde und versuche zu helfen, wo es geht.
Im Sommer soll die EM stattfinden. Die UEFA hat bislang noch nicht entschieden, ob das Turnier wie geplant in mehreren Ländern oder aber nur an einem Standort stattfinden soll. Was wäre Ihr Vorschlag?
Gündogan: Ich möchte nicht zu den Personen gehören, die das in den nächsten Wochen entscheiden müssen. Man wird die Entwicklungen der Zahlen die nächste Zeit noch etwas abwarten müssen, aber Stand heute ist es natürlich sehr schwierig vorstellbar, dass es in so vielen unterschiedlichen Ländern stattfindet. Wenn sich die Gesamtsituation nicht deutlich besseren wird, die Euro aber trotzdem stattfindet, könnte es vielleicht am Ende auf ein vergleichbares Modell wie in der Champions League in Lissabon im Sommer 2020 hinauslaufen. Dort lief das verhältnismäßig reibungslos ab. Klar ist aber, dass eine EM mit viel mehr Mannschaften und Spielen eine deutlich größere Herausforderung sein wird.