Die Super League, so hatte es sich insbesondere Real-Präsident Florentino Perez ausgemalt, sollte den Fußball revolutionieren. 48 Stunden nach den kollektiven Beitritts-Statements der zwölf Möchtegern-Elitären ist klar: Das Projekt wird als eine der größten Possen in die Annalen des Sports eingehen, der Wunsch nach einem fußballerischen Utopia, in dem der Mammon den Alleinherrscher gibt, ist nur noch Schall und Rauch.
Weil die sogenannten "Big 6", Englands von Großinvestoren gelenkte Spitzenklubs, in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ihren Rückzug erklärt hatten, gab Juventus-Boss und Hauptantreiber Andrea Agnelli wenige Stunden später das Aus bekannt. Atletico, Inter und Milan traten dann ebenfalls aus, was praktisch nur noch eine Randnotiz war.
Dass Agnellis Anführer-Kollege Perez im Anschluss bei Cadena SER wie ein trotziger Kapitän, der nicht wahrhaben möchte, dass sein Luxusdampfer gerade havariert, auftrat, das Konstrukt weiterhin lobte und auf lediglich Stand-by schaltete, fiel dabei nicht sonderlich ins Gewicht. Ohne die Großen aus England keine Super League.
Doch was bewog speziell die Vertreter von der Insel dazu, den Austrittsstein ins Rollen zu bringen? Die Gründe sind mannigfaltig.
1. Fans gehen gegen die Super League auf die Barrikaden
Der Vorwurf, dass das Gros der Großinvestoren längst den Bezug zur Fan-Basis des eigenen Klubs verloren habe, steht bereits seit längerer Zeit im Raum. Dass die betroffenen Personen den möglichen Widerstand der Anhänger gegen die Super League aber ganz offensichtlich derart unterschätzt haben, untermauerte die These eindeutig.
Liverpool-Fans beerdigten ihre große Liebe symbolisch mit Zaunbannern, Chelsea-Anhänger zogen durch die Straßen, skandierten, hielten Plakate hoch, machten deutlich, dass sie die keinerlei Interesse an einer geschlossenen Elite-Liga haben, sondern beispielsweise weiterhin kalte Nächte im regenreichen Stoke-on-Trent erleben möchten.
Der Tenor der Proteste: Wenige Reiche zerstören den Volkssport Nummer eins, handeln vorsätzlich gegen die Interessen der eigentlichen Fans, um andere Teile der Welt zu erschließen und die Geld-Kuh Fußball damit noch weiter melken zu können.
FC Liverpool: Fanproteste gegen höhere Ticketpreise und Kurzarbeit
Dabei hätten gerade die Liverpool-Verantwortlichen ihre Fans besser einschätzen müssen. Schon 2016, als die Fairway Sports Group des US-Amerikaners John W. Henry, die neben dem LFC auch die Boston Red Sox besitzt, höhere Ticketpreise an der Anfield Road aufrufen wollte, regte sich Widerstand in der Szene. 10.000 Fans verließen bei einem Heimspiel gegen Sunderland seinerzeit symbolträchtig das Stadion, schließlich lenkte die Führung ein und versicherte, dass es zwei Jahre lang keine Erhöhung geben würde.
Vor einem Jahr, als die Corona-Pandemie Fahrt aufnahm und etliche Vereine in finanzielle Nöte trieb, schickte der Klub seine Mitarbeiter in Zwangsurlaub und Kurzarbeit, wofür er abermals Kritik erntete. Wenige Tage nach der Ankündigung folgte die Kehrtwende.
Umso erstaunlicher also, dass Klubeigner Henry dem Super-League-Beschluss, der eine solch enorme, beispiellose Tragweite für den Verein bedeutet hätte, zustimmte. Neben all der Proteste, die vor dem Stadion stattfanden, drohte die einflussreiche Fan-Gruppierung "The Spion Kop 1906" damit, alle Banner und Flaggen aus dem Stadion zu entfernen.
"Diese Warnung mag nicht sonderlich spektakulär klingen", sagt Neil Jones, der sich als Liverpool-Korrespondent für Goal tagtäglich mit den Reds auseinandersetzt. Er schiebt nach: "Aber, wenn sich eine große Fangruppe dazu entschließt, Banner und Flaggen zu entfernen, was einem Boykott gleichkommen würde, steht der Verein öffentlich sehr schlecht da. Wenn du The Kop verlierst, verlierst du quasi alles."
Von den Reaktionen augenscheinlich überrascht, gab Henry ein Statement ab, bat in einer Videobotschaft um Entschuldigung. "Es versteht sich von selbst, sollte aber gesagt werden, dass das hervorgebrachte Projekt ohne den Rückhalt der Fans niemals Bestand haben würde. In diesen 48 Stunden habt ihr sehr deutlich gemacht, dass es keinen Bestand hat. Wir haben euch gehört. Ich habe euch gehört", sagte er. Die Presseabteilung des FC Arsenal veröffentlichte noch in der Nacht auf Mittwoch auf diversen Social-Media-Plattformen ebenfalls ein Entschuldigungsschreiben.
Die Fans trugen einen wichtigen, vielleicht sogar den größten Teil zum prompten Einstampfen sämtlicher Super-League-Pläne bei. Sie waren aber nicht die einzigen, die ihrem Unmut Luft machten.
2. Trainer und Spieler lehnen sich gegen Super League auf
Auch damit dürften die Verfechter der Komplett-Kommerzialisierung nicht gerechnet haben: Namhafte Trainer, allen voran ManCity-Coach Pep Guardiola, waren von der angeblichen Fußball-Revolution überhaupt nicht angetan. Auch Jürgen Klopp, der quasi als erster prominenter Übungsleiten Stellung zur Super League beziehen musste, hielt an seiner kritischen Meinung, die er bereits vor zwei Jahren geäußert hatte, fest.
"Sport ist kein Sport, wenn kein Verhältnis zwischen Anstrengung und Belohnung existiert. Es ist kein Sport, wenn der Erfolg schon garantiert ist. Es ist kein Sport wenn es nichts ausmacht ob du verlierst", sagte Guardiola in einer Pressekonferenz und setzte damit ein Zeichen gegen das Vorhaben.
Jürgen Klopp wurde ebenfalls mit der Super League konfrontiert: "Ich habe schon einige Male gesagt, auch 2019 bereits: Nein, ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist", erklärte der ehemalige Dortmunder und stellte klar, dass er nicht in die Pläne der Klubspitze eingeweiht worden war. Dementsprechend appellierte er an die eigenen Fans, nicht ihn oder sein Team für den Schlamassel verantwortlich zu machen.
Führungsspieler kritisieren Super League - mit Erfolg
James Milner, einer der erfahrenen Führungsspieler aus besagtem Team, machte aus seiner Abneigung gegen die Super League in der Folge keinen Hehl: "Ich mag es kein bisschen und hoffe, dass es nicht passiert", erklärte er im Gespräch mit der BBC. "Die Leute sind nicht glücklich damit, das kann ich verstehen. Ich kann nicht viel mehr sagen, weil wir nicht in den Prozess eingebunden sind - nicht die Spieler und ich auch nicht - wir haben davon nichts gewusst."
Milners Mannschafts-Kollege und -Kapitän Jordan Henderson berief übereinstimmenden Medienberichten zufolge sogar eine Krisensitzung mit allen Premier-League-Spielführern ein, die Daily Mail meldete zudem, dass die gesamte Mannschaft von ManUnited auf ein Gespräch mit Boss Ed Woodward gedrängt habe, um ihren Ärger zum Ausdruck zu bringen. Wenige Stunden später gab der Klub bekannt, dass Woodward sein Amt als Red-Devils-Geschäftsführer zum Jahresende niederlegen werde.
Hätten ausschließlich die Fans aufbegehrt, die Trainer und Spieler jedoch verlauten lassen, sich mit der Super League anfreunden zu können, wäre es womöglich nie zu einer Kehrtwende gekommen.