Sir Jim Ratcliffe und Ineos statt Katar: Manchester Uniteds Verkaufsprozess war eine Farce - doch jetzt gibt es Grund zur Hoffnung

Von Richard Martin und Patrik Eisenacher
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Viele Fans hätten sich gewünscht, dass der Engländer Sir Jim Ratcliffe die Mehrheit des Vereins kauft. Doch sein Engagement ist dennoch der erste Schritt zur Besserung.

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Als die Fans von Manchester United in der Nähe des Old Trafford ein Feuerwerk zündeten, um zu feiern, dass die Glazer-Familie den Klub zum Verkauf anbietet, hatten sie wahrscheinlich nicht die langwierige und undurchsichtige Prozedur vor Augen, die in den nächsten elf Monaten folgte.

Dieser Prozess nähert sich nun seinem Ende. Sir Jim Ratcliffes Ineos-Gruppe steht laut übereinstimmender Medienberichte davor, einen 25-prozentigen Anteil für umgerechnet 1,6 Milliarden Euro zu erwerben. Denn der Scheich Jassim Bin Hamad Al Thani aus Katar hat sein Angebot am Wochenende zurückgezogen.

Doch auf den ersten Blick ist das Ergebnis alles andere als zufriedenstellend. Die Glazers haben nach wie vor die Kontrolle über den Klub. Sie werden künftig wohl noch mehr Geld mit dem auszuschlachtenden United-Schwein verdienen, dass sie vor 18 Jahren kauften. Für 900 Millionen Euro sicherten sie sich den Verein damals, nun erhalten sie fast das Doppelte für gerade einmal 25 Prozent. Auf 6,4 Milliarden schätzen sie also den Wert des Vereins. Manchester United ist im Vergleich zum Jahr 2005 also das Siebenfache wert. Doch das Kuriose ist: Es ist nicht gesichert, dass die Familie je wieder groß in den Verein investieren wird.

Nach fast einem Jahr der Proteste und mehr oder weniger zuverlässiger Updates werden die viel gescholtenen Glazers immer noch Eigentümer des Vereins sein. Und United wird weiterhin hoch verschuldet bleiben. Die Proteste werden also wohl anhalten.

Doch dass sich Ineos um die sportlichen Belange kümmern wird, gibt Anlass zu Optimismus. Ein Jahrzehnt nach dem Rücktritt von Trainer-Legende Sir Alex Ferguson, mit dem auch der Erfolg ging.

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Manchester Uniteds Verkauf: Von Beginn an undurchsichtig

Die überwiegende Reaktion der Fans auf die Nachrichten vom Wochenende war Verwirrung. Der ehemalige United-Kapitän Gary Neville, der in den letzten Jahren ein lautstarker Kritiker der Glazer-Eigentümerschaft war, erklärte: Die Minderheitsbeteiligung werfe "mehr Fragen als Antworten" auf. Dann stellte Neville auf X stellte selbst 16 Fragen dazu, wie sich die Beteiligung von INEOS auf den Verein auswirken würde.

Der Verkaufs-Prozess war von Anfang an undurchsichtig. Und so ist es wohl keine Überraschung, dass dieser Vorgang nun ein unschönes Ende gefunden hat. Viele Fans warteten verzweifelt auf einen, wie Neville es nannte, "vollständigen Ausstieg der Glazer-Familie". Sie waren mehrheitlich dafür, dass der katarische Scheich Jassim den gesamten Verein aufkauft.

Der Ausgangspunkt befindet sich im November 2022, als Manchester United öffentlich verkündete: "Der Vorstand wird alle strategischen Alternativen in Betracht ziehen, einschließlich neuer Investitionen in den Verein, eines Verkaufs oder anderer Transaktionen, an denen das Unternehmen beteiligt ist", hieß es in der Erklärung, die den Vorbehalt enthielt: "Es kann nicht garantiert werden, dass die derzeitige Prüfung zu einer Transaktion führt, an der das Unternehmen beteiligt ist." Klartext: Man wollte den Verein verkaufen und das auch durch die Blume mitteilen - aber nicht zu offensichtlich, damit der Wert nicht sinkt.

Bis zur Nachricht vom Samstag, dass Scheich Jassim sich aus dem Verhandlungsprozess zurückziehen würde, hatte man das Gefühl, dass es sich um eine nicht enden wollende Saga handelt. Quellen, die dem katarischen Milliardär nahe stehen, hatten im August mitgeteilt, dass sie vom Klub keine Antwort auf das Angebot erhalten hätten. Sie sagten, sie würden befürchten, dass die Glazers den Klub überhaupt nicht verkaufen wollten. Als darüber berichtet wurde, sank der Aktienkurs des Vereins auf ein Allzeit-Tief.

Da United zu diesem Thema schwieg und weder INEOS noch Scheich Jassim sich aufgrund einer Vertraulichkeitsvereinbarung zu ihren Plänen äußerten, konnten sich die Fans nur auf Gerüchte ohne Quellenangabe verlassen. Ob in den Artikeln stand, dass Katar oder der Engländer in der Pole-Position lagen, hing oft nur davon ab, wie nah sie der jeweiligen Partei persönlich standen.

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Weitere Proteste werden folgen

In der Zwischenzeit hat die wachsende Ungewissheit weder der Mannschaft noch dem Image des Vereins gutgetan. United hielt sich in der Folge nicht an den mit Torhüter David de Gea mündlich vereinbarten neuen Vertrag und vermasselte im Fall von Mason Greenwood einen guten Umgang.

Bei jedem Heimspiel im Old Trafford protestierten die Fans gegen irgendetwas. Und schon Ende September hatte das Team drei Heimniederlagen kassierte - mehr, als in der gesamten Vorsaison 2022/23.

Sollte Ineos vom Vorstand als Minderheitsinvestor bestätigt werden, besteht die Gefahr, dass die Unzufriedenheit überschwappt. Die "1958 Group", welche die meisten Proteste im letzten Jahr organisiert hatte, forderte einen vollständigen Verkauf. Die Behörden befürchten nun, dass sie vor dem nächsten Heimspiel gegen Kopenhagen eine Demonstration veranstalten werden. Die Polizei wird ihre Präsenz für das Spiel erhöhen.

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Scheich Jassim: Der mysteriöse Bieter aus Katar

Scheich Jassim war die einzige Hoffnung auf einen vollständigen Verkauf. Seine Nine Two Foundation gab das einzige entsprechende Angebot ab. Und das Angebot des katarischen Bankiers klang zumindest für die Fans äußerst attraktiv - denn er versprach, die Schulden des Vereins zu tilgen und 1,6 Milliarden Euro in die Infrastruktur des Klubs zu investieren. Wäre sein Angebot erfolgreich gewesen, wären die verhassten Glazers, die ein Jahrzehnt des Niedergangs geleitet hatten, endlich weg gewesen. Über den Sohn des ehemaligen Premierministers des Golfstaates Katar war so gut wie nichts bekannt. Und er tat nichts, um das zu ändern.

Es war nur ein einziges Bild von ihm im Umlauf. Nicht einmal ein langer investigativer Artikel vom englischsprachigen Online-Medium The Athletic konnte ihn oder seinen Charakter näher beleuchten. In katarischen Geschäftskreisen hieß es, er sei ein Unbekannter.

Und als United die Nine Two Foundation ins Old Trafford einlud, um sich mit Direktoren zu treffen und ihr Angebot zu besprechen, war Scheich Jassim nicht anwesend. Wie konnte jemand, der im Zentrum eines Angebots für den größten Klub der Welt steht, ein so wichtiges Treffen versäumen?

Seine schattenhafte Präsenz stand in völligem Gegensatz zu jener Ratcliffes, der vor dem Old Trafford für Fotos posierte und Trainer Erik ten Hag die Hand schüttelte.

Der merkwürdige Auftritt des Scheichs hingegen trug dazu bei, dass jeder dachte: Dieses Angebot stammt schlicht und einfach vom Staat Katar - und PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi ist an den Verhandlungen beteiligt.

In der Premier League wächst derweil die Feindseligkeit gegenüber verstaatlichen Vereinen. Nachdem Abu Dhabi in Manchester City investiert hat und Saudi-Arabien Eigentümer von Newcastle United ist. Auch die britische Regierung soll diese Fällen nun argwöhnisch betrachten.

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Jim Ratcliffe: Ein waschechter Fan von Manchester United

Ratcliffes aktive Rolle beim Ineos-Angebot hat ihm geholfen, die Glazers für sich zu gewinnen. Er und seine Partner flogen in die USA, um die Familie zu treffen - lange bevor die strategische Überprüfung angekündigt wurde. Sie erklärten, die Amerikaner seien "charmant" und "sehr nett, trotz der Presse, die sie bekommen".

Seine Persönlichkeit und sein Geschäftssinn, die ihn zu einem der reichsten Männer Großbritanniens gemacht haben, führten dazu, dass er Scheich Jassim ausmanövrierte - für seinen eher kleinen Anteil muss er aber trotzdem ordentlich blechen.

Viele Fans, die Ratcliffe anfangs wegen seines lebenslangen Engagements für United und für seine Wurzeln in Manchester sehr schätzten, haben sich allerdings inzwischen gegen ihn gewandt und ihn als Verräter bezeichnet. Denn auf Wunsch der Glazers ist sein Anteil durchaus gering.

Dennoch sollte sein Engagement begrüßt werden. Ratcliffe ist ein echter United-Fan, der sogar 1999 beim legendären Champions-League-Finale gegen den FC Bayern München (2:1) im Camp Nou dabei war. "Das ist meine außergewöhnlichste Fußballerinnerung. Vor diesen drei verrückten Minuten hätten wir niemals gewinnen dürfen. Drei Minuten, die man nie im Leben vergisst", erinnert er sich an den dramatischen Sieg gegen den deutschen Rekordmeister. Obwohl Scheich Jassim seine Nine Two Foundation nach der "Class of 92"-Generation Uniteds benannt hat, konnte er keine Geschichten aus seiner Zeit als Anhänger der Mannschaft erzählen.

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Manchester United: Jim Racliffe kennt sich im Profisport aus

Aber noch wichtiger ist das Fachwissen von Ratcliffe und INEOS, die seit Jahren im Spitzensport tätig sind. INEOS ist beispielsweise in der Formel 1 am Rennstall Mercedes beteiligt und besitzt eines der größten Teams im Radsport (nach ihnen benannt) sowie den französischen Verein OGC Nizza und den Schweizer Super-League-Klub FC Lausanne-Sport.

Nach einigen mittelmäßigen Jahren hat Nizza zuletzt einen starken Start in die Ligue-1-Saison hingelegt und liegt auf dem zweiten Tabellenplatz - vor PSG, das man sogar im Prinzenpark mit 3:2 besiegte.

Der sportliche Leiter Sir David Brailsford, der die Dominanz des Teams Sky im Radsport zwischen 2010 und 2019 mitverantwortete, wird nun voraussichtlich zu United wechseln. INEOS kann auch auf die Expertise von Sport-CEO Jean-Claude Blanc zurückgreifen, dem ehemaligen Geschäftsführer von Juventus Turin und Paris Saint-Germain.

Das wäre eine starke Verbesserung gegenüber der aktuellen Führungsspitze von United. Geschäftsführer Richard Arnold ist erst seit 2022 im Amt, nachdem er als kaufmännischer Direktor eingestiegen war. Sportdirektor John Murtough wurde derweil nach seiner Tätigkeit als Fußballadministrator in diese Position befördert.

Zu Murtoughs Neuverpflichtungen gehörte auch Jadon Sancho, der nach einem Zerwürfnis mit ten Hag aus dem Kader der ersten Mannschaft verbannt wurde. Auch Torhüter André Onana war wohl nicht gerade ein kluger Kauf.

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Jim Ratcliffe: Hohe Anforderungen und Verantwortungsbewusstsein

Von Ratcliffe wird erwartet, dass er eine große Rolle in der Führung Uniteds spielt. Er hat den Ruf, rücksichtslos zu sein. Das beweist zum Beispiel seine vernichtende Kritik an United in einem Interview mit dem US-amerikanischen Magazin Times im Jahr 2019: "Ineos will niemals dumme Investitionen tätigen. Als Unternehmen stecken sie (ManUnited) in einer ziemlich großen Klemme. Sie haben eine schlechte Trainer-Wahl getroffen (Ex-Profi Ole Gunnar Solskjaer), haben nicht gut eingekauft. Sie haben dumm investiert, was man an Spielern wie Fred sieht (kam für 59 Millionen Euro). United hat seit dem Weggang von Ferguson sehr viel Geld ausgegeben und war, gelinde gesagt, schlecht. Schockierend schlecht, um ehrlich zu sein."

Der Engländer fuhr fort: "Wir haben hier eine andere Herangehensweise, wir wollen einigermaßen intelligent sein. Wir versuchen, mehr an der Basis zu arbeiten und junge Talente ausfindig zu machen. Einige Vereine scheinen dazu in der Lage zu sein, wie Southampton und Lille. United hat es wirklich schlecht gemacht. Sie haben den Faden verloren."

Ratcliffe sollte auch für die dringend benötigte Rechenschaftspflicht sorgen. Die Glazers haben sich seit Jahren nicht mehr im Old Trafford blicken lassen. Nur Avram Glazer wurde in letzter Zeit bei Spielen gesichtet, so beim FA-Cup-Finale der Männer und Frauen in der vergangenen Saison und beim Carabao-Cup-Triumph über Newcastle der Männer.

Die US-Amerikaner hassen Publicity und hatten so gut wie keinen Kontakt zu den Fans. Der britische Milliardär hingegen freut sich über Aufmerksamkeit und ist bekannt dafür, sich mit den Nizza-Fans zu unterhalten. Das ist zwar nicht immer eine gute Sache (Mike Ashley kaufte bekanntlich Bier für die Newcastle-Fans, als er den Klub kaufte, und wurde dann zum Stadtfeind Nummer eins in Tyneside), aber es wird eine willkommene Abwechslung zur distanzierten Herangehensweise der Glazers sein.

Er wird darauf bedacht sein, die Fans zu beeindrucken. Es gibt bereits Andeutungen, dass er die Kapazität des Old Trafford auf 90.000 Plätze erweitern möchte.

Die Minderheitsbeteiligung Ratcliffes ist vielleicht nicht exakt das, was sich die Fans vor fast einem Jahr gewünscht haben - aber es ist ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer eventuellen Besserung bei Manchester United.