Darren Ferguson: Ganz anders als Big Daddy

SID
Darren Ferguson spielte 27 Mal unter Vater Alex in der Premier League für Manchester United
© Getty

In seiner aktuellen Kolumne für SPOX befasst sich Raphael Honigstein mit dem Sohn des großen Sir Alex: Darren Ferguson. Der kleine Fergie versucht mit Macht, mit eigenem Stil aus dem Schatten seines berühmten Daddys zu treten und nimmt als Trainer von Peterborough United Kurs Richtung Premier League. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war nicht immer das beste.

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Am 20. Januar 2007 ging ein englischer Zeitungstraum in Erfüllung. Die Kollegen durften "Posh will Ferguson", "Fergie kommt mit Posh zusammen" und ähnlich zweideutige Schlagzeilen fabrizieren, ohne eine Klage von Victoria Beckham oder Sir Alex befürchten zu müssen.

Der Viertligist Peterborough United (Spitzname: The Posh, die Vornehmen) hatte an jenem Tag nämlich Darren Ferguson, den Sohn des Manchester-United-Bosses, als Spieler-Trainer verpflichtet.

Wer will, konnte das als späten Seitenhieb auf Mrs. Beckham verstehen: Das mit Sir Alex nicht gerade freundschaftlich verbundene Ex-Spice-Girl hatte sich 2002 ja tatsächlich erdreistet, gegen Peterboroughs Registrierung von Posh als Warenzeichen zu klagen, obwohl der Klub im Osten Englands schon seit den Zwanziger Jahren als Posh bekannt war.

Pat Tirrel, der Spieler-Trainer des Vorgängervereins Fletton United, hatte damals öffentlich nach "posh players for a posh club" gesucht. Victoria, das überraschte niemanden auf der Insel,  scheiterte mit dem größenwahnsinnigen Unterfangen.

Aufstieg im zweiten Jahr

Natürlich ging es den United-Verantwortlichen aber in erster Linie um sportliche Dinge. Peterborough brauchte nach sieben Niederlagen in Folge einen neuen Trainer: Darren Ferguson, damals 34, wollte sich nach acht Jahren und 310 Profi-Spielen für Wrexham beruflich verändern.

"Er machte einen hervorragenden Eindruck in den Verhandlungen", sagte Peterborough-Präsident Darragh MacAnthony. "Er war der mit Abstand enthusiastischste Kandidat; seine Ideen und Visionen deckten sich genau mit unseren. Sir Alex hatte mit der Sache überhaupt nichts zu tun."

Ferguson jr. schloss seine erste Saison auf der Bank auf dem zehnten Tabellenplatz ab. Nach ein paar gelungenen Transfers machte er United im folgenden Jahr zum Spitzenteam: der Klub stieg als Zweiter direkt in die dritte Liga auf.

Dank den Investitionen von MacAnthony, einem Immobilienmagnat und Fergusons charismatischer Amtsführung wiederholten die Vornehmen das Kunststück: 2008/09 stieg man wiederum als Tabellenzweiter automatisch in die Coca-Cola-Championship auf.

Angebote aus der Premier League

"Unser Trainer geht in die unteren Ligen und Amateurligen und kauft dort die besten Spieler in den jeweiligen Positionen", beschreibt MacAnthony das Erfolgsrezept. "Wir bestehen darauf, dass sie nicht mehr als 20 Kilometer entfernt wohnen und führen sie zusammen in einem jungen Alter an die erste Mannschaft heran, so dass sie zusammen den Durchbruch schaffen. Unser Durchschnittsalter ist 22."

Ferguson, der wie früher sein Vater morgens oft der Erste in der Geschäftsstelle ist und fast jeden Abend obskure Begegnungen verfolgt, bekam lukrative Angebote von den Queens Park Rangers, Reading und West Brom. Doch der 37-Jährige unterschrieb im Sommer einen neuen Vierjahresvetrag.

MacAnthony überzeugte ihn, dass er seine ehrgeizigen Ziele auch an der London Road erreichen kann: "Darren verdient es, einen Top 12-Premier-League-Verein zu trainieren. Hoffentlich werden wir das sein. Wenn wir im Januar unter den ersten zehn sind, können wir den Aufstieg schaffen. Zum dritten Mal hintereinander - das gab es noch nie."

Verurteilung wegen Körperverletzung

Im Moment sieht es allerdings nicht unbedingt danach aus. Peterborough liegt nach 14 Spielen auf dem 21. Tabellenplatz, die Umstellung auf das höhere Niveau macht dem jungen Team Mühe. "In dieser Liga wird einem nichts verziehen", sagte Ferguson nach dem 3:0-Sieg gegen Scunthorpe am vergangenen Wochenende, der United aus den Abstiegsrängen hievte. "Wenn wir am oberen Limit spielen, können wir eine gute Saison erleben. Wenn nicht, wird es ganz schwer."

Zum ersten Mal in seiner jungen Trainerkarriere muss Ferguson nun eine Krisensituation bestehen. Schafft er das, würde er als der derzeit beste englische Nachwuchs-Trainer bestätigt. Nicht einmal eine Verurteilung wegen Körperverletzung - Ferguson griff im Oktober 2007 seine damalige Frau an und musste 1.500 Pfund Strafe zahlen - konnte seinen kometenhaften Aufstieg stoppen.

Experten sagen dem "kleinen Fergie" eine glorreiche Zukunft voraus, auch weil er bisher ganz ohne die Hilfe vom Papa auskam. "Er ruft nicht ständig bei Sir Alex an, um sich beraten zu lassen, und er leiht auch keine Manchester-United-Spieler aus", sagt MacAnthony. "Ich weiß, dass er gute Beziehung zu seinem Vater hat, aber er will sein eigenes Ding machen und ich respektiere das."

"Der Boss hat seine eigenen Ideen, er will seine Fußball-Philosophie duchziehen", bekräftigt Stümer Craig Mackail-Smith, 25, der vor kurzem noch in einem Baumarkt Gartenhäuschen verkaufte. "Er ist sehr professionell und total auf Peterborough fokussiert. Wenn Manchester United verliert, merkt man ihm nichts an."

Schwieriges Verhältnis zum Vater

Darren Ferguson kann dabei aufbrausend wie sein Vater sein. Im vergangenen Jahr wurde er gegen Leicester City wegen Meckerns auf die Tribüne verwiesen; es ärgerte ihn damals, dass die Sprache sofort auf die chronischen Wutausbrüche von Sir Alex kam. "Es geht nicht um mich oder um meinen Nachnamen, ich will nicht in den Schlagzeilen sein", sagte er nach dem 2:0-Sieg, "das Hauptaugenmerk sollte heute auf der fantastischen Leistung meiner Spieler liegen."

Er selbst hatte es als Profi schwer - gerade weil sein Vater Alex hieß. Darren war 15, als Fergie das Angebot von Manchester United annahm und nach England zog. Der Jugendtrainer des Klubs entschied sich, dem Teenager einen Ausbildungsvetrag zu geben. "Mein Vater und ich wussten sofort, dass es Probleme geben würde, falls ich in die erste Mannschaft kommen würde", erinnert er sich: "Und so kam es dann auch."

Die Mitspieler verhielten sich kollegial, als Darren mit 18 in den A-Kader kam; Ferguson sr. aber wollte sich nicht den Vorwurf der Vetternwirtschaft gefallen lassen und behandelte seinen Sohn deswegen besonders streng. "Wenn er mich draußen ließ, machte er oft Witze in der Kabine, 'seine Mutter wird mich umbringen' oder so", sagt Darren. "Ich fand das nicht lustig, aber das war eben seine Art, mit der unangenehmen Situation umzugehen."

1992/93 bestritt der Mittelfeldspieler die ersten 15 Saisonspiele - das reichte für eine Meisterschaftsmedaille - kam danach aber kaum noch zum Zug. "Es kamen Leute wie Eric Cantona, Roy Keane, das Team wurde einfach zu gut für mich. Mir war klar, dass ich gehen musste. Ich hatte auch überhaupt kein persönliches Verhältnis zu meinem Vater mehr."

Darren: Sir Alex' Erfolge unerreicht

Über Wolverhampton und Sparta Rotterdam führte der Weg nach Wrexham, die er 2003 zum Aufstieg führte. Als Spieler hatte er sein Level eindeutig gefunden. Und als Trainer? "Ich will so schnell wie möglich ganz nach oben", sagt er selbstbewusst.

Die unausweichlichen Vergleiche mit seinem Vater nimmt er dafür in Kauf: "Er hat mir gesagt, dass ich mit den Spielern immer ehrlich sein soll, auch wenn ich Entscheidungen gegen sie treffe. Ansonsten hole ich mir aber keine Ratschläge von ihm. Man sollte da nicht zuviel hinein interpretieren."

Bereits als er seinen Trainerschein machte, wurde ihm klar, dass Sir Alex in der Zukunft in jedem Interview ein Thema sein würde.

"Kein Problem für mich", sagt er heute. "Er ist so erfolgreich, dass es im Grunde unmöglich ist, ihn mit anderen Trainern zu vergleichen, geschweige denn mit mir. Er ist mein Vater, ich bin stolz auf ihn und niemand wird auch nur annähernd das erreichen können, was ihm gelungen ist. Aber ich sehe das so: Wenn du als Trainer genügend Spiele gewinnst, kommst du klar. Wenn nicht, wirst du gefeuert. Ganz egal, wer du bist."

Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungiert Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 35-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.