"Bei mir ist eine Sicherung durchgebrannt"

SID
Nach der Gelb-Roten-Karte gegen Roberto Hilbert stürmten Fans auf dem Platz
© anadolu

Roberto Hilbert spielt seit Sommer 2010 bei Besiktas in Istanbul und ist für viele Fans der "Alman Panzer" oder einfach nur der "Zug", weil er auf der Außenbahn ständig unterwegs ist. Bei SPOX erzählt der Ex-Stuttgarter in seiner Kolumne von seinen Erlebnissen in der Türkei. Diesmal berichtet Hilbert vom hitzigen Derby gegen Galatasaray, das Besiktas 0:2 verlor. Hilbert wurde erstmals in seiner Karriere vom Platz gestellt.

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Merhaba aus Istanbul,

wir haben ein Derby hinter uns gebracht, dass ich so schnell nicht vergessen werde. Das Ganze stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Am Samstag wurde unser Spiel gegen Galatasaray wegen heftigen Regenfällen, die den Platz unbespielbar machten, abgesagt und auf Montag verlegt. Da hat es zwar nicht mehr geregnet, aber dennoch war es ein denkwürdiger Abend.

Wir haben sehr gut angefangen, dagegen gehalten und gezeigt, dass wir unbedingt gewinnen wollen. Hätten wir unsere sehr guten Chancen in der Anfangsphase genutzt, wäre das Spiel ganz anders gelaufen und wir hätten gewinnen können. Genau in dieser Phase ist das 0:1 gefallen. Im Nachhinein hat man gesehen, dass Felipe Melo beim Tor im Abseits stand, aber ich muss zugeben, dass es für den Schiedsrichter nicht einfach zu sehen und deswegen schwer zu beurteilen war.

Danach wurde es hitziger, auch weil die Fans mitbekommen haben, dass das Tor abseits war. Wir wurden von diesen Emotionen etwas getragen und haben in gewissen Situationen nicht kühlen Kopf bewahrt.

Roberto Hilbert bei Facebook

Für die Schiedsrichter ist es nicht einfach. Sie wissen, um was es geht und wie die Atmosphäre in den Stadien ist. Und das Spiel war von vielen Zweikämpfen, Nickligkeiten und Fouls geprägt. Das macht es auch für den Unparteiischen nicht leichter.

Meine erste Gelbe Karte habe ich nicht so gesehen wie der Schiedsrichter, ich denke, es war keine. Meine zweite Gelbe Karte kurz vor Schluss war aber dann einfach eine große Dummheit von mir. Im Eifer des Gefechts und von den Emotionen getragen ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt. Die Situation an sich war gar nicht so schlimm. Ich habe mich aufgeregt und dem Schiedsrichterassistenten leicht den Ball zugeworfen. Aber die Geste war komplett unnötig und nicht sehr professionell. Ich ärgere mich und werde mich lange noch darüber ärgern, das weiß ich.

Das war die erste Gelb-Rote-Karte meiner Karriere und ich möchte mich deswegen auch entschuldigen. Bei Trainer und Mannschaft - aber auch bei unseren Fans. Ihre Reaktion im Anschluss hat mich übrigens sehr berührt. Noch nie habe ich erlebt, dass ein Spieler nach einem Platzverweis gefeiert wird. Die Fans verabschiedeten mich mit Sprechchören. Ich denke, sie honorieren es, wie viel Herzblut ich für das Trikot investiere. Wie übrigens auch Fabian Ernst, der ebenso minutenlang mit Sprechchören bedacht wurde. Diese Wertschätzung bedeutet uns sehr viel.

Fabian konnte man auch nach dem Spiel nur schwer beruhigen. Er ist einer, der sich immer reinhaut und bis zum Umfallen kämpft. Das gilt natürlich für die ganze Mannschaft. Ich kann keinem einen Vorwurf machen, dass er nicht gekämpft hätte. Fabian sah nach Schlusspfiff noch Gelb, ich wurde vom Platz gestellt. Letztlich tut es uns beiden ein Tag später natürlich leid.

Meine Gelb-Rote-Karte hat die Emotionen im Stadion noch weiter erhitzt. Klar gehören Emotionen dazu, aber in der Schlussphase ist fast schon im Minutentakt ein Anhänger aufs Feld gelaufen und das Ganze ist leider ausgeartet. Das ist ganz sicher der falsche Weg und schadet uns nur, wahrscheinlich gibt es jetzt eine Strafe vom Verband.

Die sportliche Situation in der Playoff-Runde ist durch den Abend auch nicht gerade besser geworden. Wir sind weder an Trabzonspor vorbeigezogen, noch konnten wir den Abstand zu den ersten Plätzen verkürzen. Gegen Trabzonspor kommt jetzt ein wichtiges Spiel, das meine Mitspieler ohne mich hoffentlich erfolgreich gestalten.

Besten Gruß

Euer Roberto

Roberto Hilbert, geboren am 16. Oktober 1984 in Forchheim, spielte acht Mal für die deutsche Nationalmannschaft. Nach seiner erfolgreichen Zeit beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth wechselte Hilbert 2006 zum VfB Stuttgart und wurde in seiner ersten Saison auf Anhieb Stammspieler und deutscher Meister. Seit Beginn der Saison 2010/2011 spielt Hilbert für den türkischen Spitzenklub Besiktas. Weitere Informationen zu Roberto Hilbert gibt es auf seiner Facebook-Seite.