FC Crotone
Die Symptome sind immer andere, die Patienten wollen sich ja nicht verdächtig machen. Mal klagen sie über Herzrasen, mal über Schwindelanfälle oder auch akute Halsschmerzen. So geht das in Crotone jedes zweite Wochenende, erzählt man sich zumindest. Entscheidend sind sie ja auch nicht, die Symptome, entscheidend ist die Konsequenz. Und die lautet: Krankenhausaufenthalt.
Jedes zweite Wochenende ist das örtliche Krankenhaus wohl der beliebteste Aufenthaltsort in Crotone. Das Ospedale San Giovanni di Dio ragt nämlich direkt neben dem Stadio Ezio Scida empor. Die Sicht in die marode Spielstätte des FC Crotone ist angeblich von nirgendwo besser als von den Fenstern des Krankenhauses. Dass die Fans die Spiele ihrer Mannschaft dann auch noch umsonst verfolgen können, macht den Spitalaufenthalt noch verlockender. Für viele schlicht auch erst möglich.
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Crotone zählt zu den ärmsten Städten Italiens. Ganz im Südosten des Landes, in Kalabrien gelegen, plagt die 60.000-Einwohner-Stadt nicht nur eine hohe Arbeitslosigkeit, sondern auch die Macht der Mafia. Und die reicht irgendwie auch bis zum FC Crotone. Klubpräsident Raffaele Vrenna ist nicht nur steinreich, er ist auch der Enkel eines berüchtigten Clan-Gründers. Mafiöse Verbindungen sind trotz aller Dementis omnipräsent. Ab dieser Saison auch in der Serie A.
Wundersamer Aufstieg
Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist jedenfalls ähnlich wundersam wie es die Krankheits-Symptome der Bürger sind. Nach einem Konkurs wurde der FC Crotone 1993 neugegründet; in den Niederungen des kalabrischen Amateur-Fußballs stieg er wieder ins Ligensystem ein - und kämpfte sich innerhalb von sieben Spielzeiten bis in die Serie B empor. Vergangene Saison glückte dann der erstmalige Aufstieg in die Eliteklasse. Bereits drei Spieltage vor Saisonende durfte gefeiert werden.
Die starken Leistungen weckten aber Begehrlichkeit. Und zwar im komplett entgegengesetzten Winkel Italiens, im Nordwesten. Das kroatische Erfolgsduo der vergangenen Saison, Trainer Ivan Juric und Top-Torjäger Ante Budimir, verließ den Verein nach dem Aufstieg in Richtung Genua. Exakt zehn Jahre nachdem Juric als Spieler vom FC Crotone zum FC Genua gewechselt war, schlug er 2016 auch als Trainer diesen Weg ein. Davide Nicola, zuletzt Trainer in Bari, übernahm den freigewordenen Posten in Crotone.
Top-Torjäger Ante Budimir ging den selben Weg wie sein Trainer, ihn zog es aber zum Lokalrivalen Sampdoria. Einst bei St. Pauli nicht glücklich, schoss Budimir Crotone in der vergangenen Saison mit 16 Treffern zum Aufstieg. Ersetzen soll ihn nun Simmy. Fast eine Million zahlte Crotone für den nigerianischen Hünen von fast zwei Metern. Seine Bewerbungsunterlagen? 20 Treffer für den portugiesischen Zweitligisten Gil Vicente FC.
Bald im Amphitheater
Ähnlich teuer wie Simmy war Leonardo Capezzi, ein verheißungsvolles Mittelfeld-Talent. Gemeinsam mit seinem U21-Nationalteamkollegen Nicolo Fazzi wechselte Capezzi vom AC Florenz gen Süden. Dort trifft das Duo auch auf Aleksandar Tonev, einen weiteren Neuzugang mit Länderspiel-Erfahrung. Der 26-Jährige absolvierte gar schon 22 Spiele für die bulgarische Nationalmannschaft; einst wollte ihn Thomas Eichin zu Werder Bremen lotsen.
Es ist weitestgehend ein Team der Namenlosen, das den Klassenerhalt schaffen und das lokale Krankenhaus füllen soll. Ab 2019 wird damit aber Schluss sein. Präsident Vrenna hat wohl genug vom Eintritts-Gemogel. Er will ein neues Stadion bauen - und zwar in Form eines griechischen Amphitheaters, womit an die hellenischen Ursprünge der Stadt Crotone erinnert werden soll. Gewöhnliche Spielstätten? Nicht in Crotone.