Eine Machtdemonstration von Mino Raiola

Jochen Rabe
16. Juni 201717:52
Gianluigi Donnarumma wird den AC Milan verlassengetty
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Gianluigi Donnarumma hat dem AC Milan am Donnerstag mitgeteilt, dass er seinen 2018 auslaufenden Vertrag nicht verlängern wird. Wollen die Rossoneri an dem Toptalent noch verdienen, müssen sie ihn in dieser Transferperiode verkaufen. Real Madrid? Manchester United? Oder doch Juventus? Die Optionen für den 18-Jährigen sind verlockend. Sein Berater Mino Raiola reibt sich derweil schon die Hände - denn er ist einmal mehr der große Gewinner.

Und plötzlich wird der Stöpsel gezogen. Seit Wochen ist in Mailand eine Aufbruchstimmung entstanden. Eine Euphorie um einen neuen AC Milan, mit einem finanzstarken chinesischen Klubbesitzer, mit neuen Stars, mit neuem Selbstbewusstsein und großen Zielen.

Mit einer Nachricht trifft Geschäftsführer Marco Fassone am Donnerstagnachmittag gegen 17.30 Uhr aber alle Rossoneri ins Herz: "Wir sind niedergeschlagen. Mino Raiola hat mir die Entscheidung von Gianluigi Donnarumma mitgeteilt, seinen Vertrag bei uns nicht zu verlängern." Und als wäre das nicht schon schlimm genug, schiebt er noch einen vernichtenden Nachsatz hinterher, mit leiser, brüchiger Stimme: "Seine Entscheidung ist endgültig."

Es ist ein bitterer Tiefschlag für den Verein und seine ambitionierten Pläne. Denn Milan hatte Großes mit Donnarumma vor: "Die Entscheidung ist bitter für uns. Wir hatten gehofft, dass er eine Säule ist, auf der wir unser Milan aufbauen können. Nun müssen wir die komplette Situation neu bewerten", sagt Fassone in seinem Statement.

Donnarumma galt als kommende Ikone wie Maldini oder Baresi

Donnarumma sollte über Jahre hinaus Leistungsträger, Anführer, Aushängeschild, kurzum das Gesicht einer neuen, erfolgreichen Milan-Generation sein. Schon mit seinen erst 18 Jahren galt er als zukünftige Vereinsikone, auf einer Ebene mit Größen wie Paolo Maldini, Franco Baresi, Alessandro Nesta oder Alessandro Costacurta. Und als Nachfolger von Gianluigi Buffon im Tor der italienischen Nationalmannschaft sowieso.

Entsprechend taten die Rossoneri auch alles, um Donnarumma vom Bleiben zu überzeugen: "Vor zehn Tagen haben wir dem Spieler ein wichtiges Angebot unterbreitet. Er hat unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren seine Entscheidung getroffen und entschieden, das Angebot nicht anzunehmen und seine Beziehung zum AC Milan am 30. Juni 2018 zu beenden", führte Fassone weiter aus.

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Nach Informationen der Gazzetta dello Sport lag besagtes "wichtiges" Angebot bei vier Millionen Euro Jahresgehalt. Für Star-Berater Mino Raiola zu wenig - angeblich hat er dem Verein auf dieses Angebot nicht einmal geantwortet.

Donnarummas Verbleib bis Sommer 2018 ist mehr als fraglich

Dass Donnarumma nun tatsächlich, wie von Fassone mitgeteilt, noch bis Sommer 2018 für die Rossoneri im Tor stehen wird, ist mehr als fraglich.

Wenn der Klub aus dem Abgang des Youngsters noch Profit schlagen möchte, muss er ihn in diesem Sommer verkaufen. Dem Vernehmen nach dürfte ein Verkauf Donnarummas zwischen 60 und 70 Millionen Euro in die Kasse spülen.

Geld, auf das Milan eigentlich nicht verzichten kann, schließlich wäre ein Verbleib bis Vertragsende auch aus emotionalen Gründen riskant. Bei den Milan-Anhängern war Donnarumma unantastbar, schon jetzt auf dem Weg zur Ikone. Bis Donnerstagnachmittag eben. Nach der Entscheidung gegen die Zukunft im Verein dürfte sich dieser Status in Staub aufgelöst haben und ihm stattdessen Hass und Spott entgegen bringen.

Welche Rolle spielt Mino Raiola?

Und so ist ein Wechsel - ja ohnehin der Beweggrund für die Nicht-Verlängerung des Vertrages - bereits im kommenden Sommer beinahe unausweichlich.

Natürlich ist Donnarumma, wenngleich erst 18, alt genug, um selbst eine Entscheidung über seine Zukunft zu treffen. Der Strippenzieher hinter dem bevorstehenden Abgang ist jedoch einmal mehr Raiola, zusammen mit Jorge Mendes der berüchtigste Berater der Fußballwelt.

Der 49-Jährige hat in den letzten Jahren unter anderem Zlatan Ibrahimovic, Henrikh Mkhitaryan, Mario Balotelli und Paul Pogba zu spektakulären Transfers verholfen. Beim Rekord-Wechsel von Pogba zu Manchester United wirtschaftete er laut Football Leaks 49 Millionen Euro in die eigene Tasche.

Shitstorm gegen Raiola in den Social Media

Kein Wunder, dass sich am Donnerstag der Unmut der Fans in den sozialen Medien über Raiola ergoss. Schließlich war der Wechselwunsch nicht unbedingt zu erwarten.

Im vergangenen Jahr hatte Donnarumma auf der US-Reise zu SPOX gesagt: "Ich war schon immer Milan-Fan, es ist der Verein meines Herzens. Deswegen ist es für mich eine große Ehre, als Torhüter für diesen großen Klub zu spielen. Ich will solange hier bleiben, wie ich kann, wenn möglich für immer."

Ähnlich äußerte er sich auch noch Anfang dieser Woche in der GQ : "Jeder weiß, dass ich gerne bei Milan bleiben will. Ich bleibe ruhig. Alle Parteien wissen, was ich möchte."

Dass nur wenige Tage nach diesen Worten die Bekanntgabe über die Nicht-Verlängerung folgte, lässt auf den großen Einfluss Raiolas schließen. Es ist ein Muskelspiel, eine Machtdemonstration von Raiola, den begehrtesten Torhüter auf dem Weltmarkt davon überzeugt zu haben, sich gegen den Status der Milan-Ikone und für die weite Fußballwelt zu entscheiden.

Die logische Folge am Donnerstagabend war, dass die ohnehin seit geraumer Zeit schwelenden Spekulationen über den künftigen Klub Donnarummas eskalierten. Wohin zieht es eines der vielversprechendsten Torwarttalente der Welt?

Die heißesten Spuren führten zuletzt zu Manchester United, Real Madrid und Juventus Turin. Angeblich hat Raiola seinen Klienten dort bereits angeboten.

Was spricht für Manchester United?

Für United sprechen die guten Beziehungen von Raiola zu dem Klub. Innerhalb kürzester Zeit brachte er zuletzt Mkhitaryan, Ibrahimovic und Pogba bei den Red Devils unter, immer geknüpft an eine riesige Provision. Der aktuelle Keeper David De Gea steht schon lange auf dem Wunschzettel von Real Madrid, entsprechend könnte sich bei einem der größten Prestigeklubs der Welt eine Perspektive bieten.

Medien: Real bietet Donnarumma einen Fünfjahresvertrag an.

Finanziell wäre der Schritt auf die Insel sicherlich reizvoll für Donnarumma, mehr als die kolportierten vier Millionen Euro Jahresgehalt in Mailand wären ihm sicher.

Allerdings wäre ein Wechsel aus sportlicher Sicht fragwürdig und würde Wasser auf die Mühlen der Raiola-Kritiker gießen. Schließlich ist United derzeit - analog zu Milan - weit davon entfernt, nationale Spitze zu sein. Zwar gewann die Mourinho-Truppe in der abgelaufenen Saison die Europa League, mit der kontinentalen Spitze hat sie jedoch momentan (noch) nichts zu tun.

Aufbauarbeit über Jahre ist das Stichwort. Eben jene hätte Donnarumma auch in Mailand mitgestalten können, dort sogar als Galionsfigur.

Was spricht für Real Madrid?

Eine zweite Variante wäre der direkte Weg zu Real Madrid. Wenngleich Keylor Navas mit den Königlichen in die Geschichte einging als erster Stammkeeper, der zweimal in Folge die Champions League gewann, hat er nie einen unantastbaren Status erreicht. Die Körpergröße ist ein Problem, zuletzt wurde diese ihm im Königsklassen-Finale gegen Juventus auch zum Verhängnis.

Darüber hinaus hat der costaricanische Nationalkeeper trotz seiner Erfolge und starken Leistungen nicht den Glamour, den Real gerne im Team hätte. Trotz seines jungen Alters wäre eine Verpflichtung von Donnarumma ein Zeichen an die internationale Konkurrenz, zumal eine Ablöse von über 60 Millionen Euro ihm die Rechtfertigung geben würde, in das beinahe pervertierte Wertesystem der Madrilenen zu passen. Teurer ist besser.

Mit Real wäre Gigio beim größten Verein der Welt angekommen. Ob er allerdings in jungem Alter bereits diesem Druck gewachsen ist, ist ebenso fraglich wie die Annahme, ob Real langfristig auf einen italienischen Keeper zwischen den Pfosten setzen wird.

Fernab davon, dass Zinedine Zidane Navas erst kürzlich in der Marca erneut sein Vertrauen aussprach, ließen die Berichte über das Interesse an De Gea nie nach. Dann stünde der spanische Nationaltorhüter im Tor des spanischen Branchenprimus.

Was spricht für Juventus Turin?

Die wohl heikelste Option wäre ein Wechsel zu Juventus Turin. Dort hat Gianluigi Buffon unmissverständlich verkündet, nach der kommenden Saison seine Karriere zu beenden. Donnarumma könnte also entweder ein Jahr von Buffon lernen, ihn peu a peu ablösen und schließlich im Sommer 2018 übernehmen. Alternativ könnte er seinen Vertrag in Mailand auch noch ein Jahr aussitzen, um dann ablösefrei zur Alten Dame zu gehen.

Es wäre eine echte Wachablösung, sowohl im Tor der Squadra Azzurra als auch beim erfolgreichsten Verein Italiens. Gigio würde sprichwörtlich den Staffelstab von Gigi übernehmen und hätte in seinem jungen Alter wohl eine Ewigkeit vor sich, um eine Ära zu prägen. Das Konfliktpotential, innerhalb der Liga zu wechseln, wäre allerdings auch fast unendlich groß.

Für welche Option sich Donnarumma auch entscheidet, beim AC Milan klafft nach der Nachricht vom Weggang des zukünftigen Königs eine tiefe Wunde. Eine Wunde, die die Euphorie erst einmal eindämmt.

Gianluigi Donnarumma im Steckbrief