Wenige Tage vor Heiligabend erschütterte Mino Raiola die besinnliche Zeit bei Juventus. In einem Interview mit der niederländischen Zeitung NRC sprach der umtriebige Berater offen über einen Wechsel seines Klienten Matthijs de Ligt. Der 22-Jährige sei "bereit für den nächsten Schritt", stellte Raiola klar - und sorgte damit für ein kleines Beben.
Denn bis dahin deutete kaum etwas darauf hin, dass de Ligt überhaupt auf den Markt kommen könnte. Erst im Sommer 2019 hatte Juve 85 Millionen Euro Ablöse für den Innenverteidiger an Ajax Amsterdam überwiesen. Schnell avancierte de Ligt zum Stammspieler, auch in dieser Saison ist er nahezu unumstritten. Doch die Tendenz beim Klub insgesamt zeigt in die falsche Richtung.
Besonders in der Vorsaison lief Juventus den eigenen Ansprüchen hinterher. Nach neun Scudetti in Folge retteten sich die Bianconeri so gerade eben noch in die Champions League, das Trainer-Experiment mit Vereinsikone Andrea Pirlo wurde als gescheitert zu den Akten gelegt.
Aber auch unter Rückkehrer Massimiliano Allegri läuft es in dieser Saison nicht rund. In der Liga fehlen bereits zwölf Punkte auf Erzrivale Inter Mailand, in der Champions League bekam der Finalist von 2015 und 2017 bei der 0:4-Klatsche beim FC Chelsea schonungslos die Grenzen aufgezeigt. Dass es Juves einzige Niederlage in der Gruppenphase blieb, Chelsea im Hinspiel geschlagen worden war und am Ende sogar noch der Gruppensieg heraussprang, konnte darüber nicht hinwegtäuschen.
Juventus: De-Ligt-Verkauf brächte benötigtes Geld
Wenn über die Favoriten auf den Champions-League-Titel gesprochen wird, fallen ganz andere Namen. International hat der Klub an Strahlkraft verloren, nicht nur rein durch die Ergebnisse, sondern auch durch den Abgang von Cristiano Ronaldo. Der Kader wirkt bieder, Topstars fehlen und die, die das Zeug dazu haben, können ihr Potenzial derzeit nicht abrufen. Zuletzt fiel auch noch Hoffnungsträger Federico Chiesa verletzt aus, die Siege vor Weihnachten wurden vor allem gegen Teams aus der unteren Tabellenregion erzielt.
Und so überrascht es nicht, dass Raiola seinen Schützling gerne bei einem Klub sähe, der diese Strahlkraft bieten kann. Nach seinem Durchbruch im Team der jungen Wilden von Ajax, das 2019 ganz Europa in Staunen versetzte, waren eigentlich alle Topklubs an de Ligt dran. Den Zuschlag bekam Juve, auch aufgrund der Perspektive. Denn de Ligt sah die große Chance, von den Defensivstars Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci zu lernen und eher früher als später in deren große Fußstapfen zu treten.
Was die Einsatzzeiten betrifft, so ist ihm das gelungen. Und der Klub selbst ist sportlich auch zufrieden und will eigentlich gar nicht verkaufen. Die Großwetterlage im Verein aber könnte einen Transfer im Sommer alternativlos machen. Denn die Corona-Pandemie hat auch bei Juve Spuren hinterlassen. Der Verein braucht Geld, viel Geld.
De Ligt ist mit rund zwölf Millionen Euro Nettogehalt der Topverdiener im aktuellen Kader, ein Verkauf würde die Finanzen erheblich entlasten und gleichzeitig Ressourcen schaffen, um das Team insgesamt umzubauen. Gleichzeitig steht Juve aufgrund der Ermittlungen der italienischen Ermittlungsbehörden wegen möglicherweise dubioser Transfergebaren unter Druck, was ein weiteres Verkaufsargument wäre. Ein Verkauf noch im Winter ist nach Informationen von SPOX und GOAL aber ausgeschlossen.
An Interessenten für de Ligt sollte es grundsätzlich nicht mangeln. Jedoch dürfte die Ausstiegsklausel die meisten Klubs abschrecken. Diese liegt für den Sommer bei 125 Millionen Euro, eine Summe, die in der aktuellen Situation für keinen Klub einfach so zu stemmen wäre.
Für großes Aufsehen sorgte daher ein Bericht der spanischen Zeitung Sport, wonach es einen Passus im Vertrag gebe, nach der die fixe Ablöse für den FC Barcelona bei nur 75 Millionen Euro liegen soll. Diesen Rabatt für die Katalanen habe Raiola bei den Verhandlungen 2019 durchgedrückt.
Nach Informationen von SPOX und GOAL existiert diese Rabatt-Klausel für Barca aber nicht. Allerdings arbeitet Raiola im Hintergrund bereits mit den Barca-Verantwortlichen an einem Transfer. Dies passt zu den jüngsten Aussagen von Barca-Präsident Joan Laporta, der seinen finanziell schwer angeschlagenen Klub bereits wieder auf dem Weg Richtung Gipfel sieht und behauptete, alle Top-Spieler der Welt zögen einen Wechsel zu Barca in Erwägung.
De Ligt: Topklubs aus England dran - und die Bayern?
Laut jüngsten Berichten will Juve seine Forderungen aber ohnehin auf etwa 70 Millionen Euro senken - für alle Klubs. Diese Summe wäre schon eher realisierbar, vor allem auch für Vereine aus England. Der FC Chelsea könnte vor einem großen Umbruch in der Defensive stehen. Die Verträge von Antonio Rüdiger, Andreas Christensen und Cesar Azpilicueta laufen allesamt aus. Der Klub möchte das Trio gerne halten, im schlechtesten Fall sind aber alle drei ab 1. Juli weg. Die Blues wären in diesem Fall ein heißer Kandidat auf eine Verpflichtung de Ligts.
Aber auch Ligakonkurrent Tottenham Hotspur ist laut Medienberichten heiß auf den niederländischen Nationalspieler. Spurs-Sportdirektor Fabio Paratici tütete als Manager besagten Juve-Transfer 2019 noch ein, Antonio Conte durfte sich als Trainer von Inter Mailand selbst des Öfteren ein Bild von de Ligts Fähigkeiten machen.
Und was ist mit dem FC Bayern? Raiola offenbarte jüngst, dass die Münchner 2019 nahe dran waren, de Ligt zu holen. "Wir waren in sehr guten Gesprächen. Schade, dass es am Ende nicht geklappt hat", sagte Raiola zu Sport1. Wagen die Bayern, bei denen Niklas Süles Kontrakt ausläuft, einen weiteren Versuch in diesem Sommer?
Die Auswirkungen der Pandemie haben auch die Handlungsoptionen des deutschen Rekordmeisters stark eingeschränkt. Hohe Ablösesummen und Gehälter sind nicht drin, beides wäre für de Ligt aber fällig. Zwar entstünde bei einem Abschied von Süle eine Vakanz im Kader, dass die Bayern aber binnen weniger Jahre zum dritten Mal nach Lucas Hernandez und Dayot Upamecano eine Ablösesumme jenseits der 40 Millionen Euro in einen Innenverteidiger investieren, ist unwahrscheinlich.