Die Höchststrafe gab es kurz nach dem Ende des Deadline Day: Napoli strich seinen Top-Stürmer Victor Osimhen nicht nur aus dem 25-köpfigen Kader für die laufende Serie-A-Saison, sondern nahm dem Torjäger kurzerhand auch noch die Rückennummer weg. Die '9', in welcher der Nigerianer für die Partenopei Tore am Fließband erzielte, prangt nun auf dem Shirt Romelu Lukakus.
Schritte, die vor rund einem Jahr undenkbar erschienen. Zwar knirschte es zwischen Osimhen und seinem Klub immer wieder mal, dass er jedoch zur Persona non grata verkommen würde, das hatte nun wirklich niemand erwartet. Und doch ist dies der Status quo. Mittlerweile ist eine Menge Porzellan zerschlagen und einem der besten Angreifer der Welt drohen Monate auf der Tribüne.
Victor Osimhen: Erst Verlängerung, kurze Zeit später Wechselwunsch
Die schwierige Beziehung zwischen Napoli und Osimhen ging in den vergangenen Wochen so richtig den Bach runter. Das Theater um fragwürdige TikTok-Posts des offiziellen Napoli-Accounts und öffentliche Schuldzuweisungen bei unrund verlaufenden Vertragsverhandlungen schien beendet, als der ehemalige Wolfsburger im Dezember 2023 ein neues, bis 2026 datiertes Arbeitspapier in Neapel unterzeichnete.
Das hinderte ihn aber nicht daran, bereits wenig später öffentlich und intern klarzustellen, dass er im Sommer 2024 wechseln wolle. Er sprach vom "nächsten Schritt" in seiner Karriere, schwärmte öffentlich von der Premier League und kündigte an: "Ich möchte die Saison mit Napoli stark beenden und dann die Entscheidung vollziehen, die ich bereits getroffen habe."
Wort, die bei Napolis Bossen um den mächtigen Klubchef Aurelio De Laurentiis und Sportdirektor Giovanni Manna nicht gut ankamen. Sie gaben sich aber entspannt und verwiesen auf die festgeschriebene Ablösesumme von 130 Millionen Euro.
Lange Zeit tat sich in der vergangenen Transferperiode dann wenig. Immer mal wieder kursierte das Gerücht, PSG sei an Osimhen interessiert und dieser als neue Attraktion für die Offensive nach Kylian Mbappés Abgang vorgesehen. Das Interesse konkretisierte sich aber nicht. Auch andere Türen schlossen sich: Manchester United holte für das Sturmzentrum den ehemaligen Bayern-Angreifer Joshua Zirkzee aus Bologna, während der ebenfalls als interessiert geltende FC Arsenal sich dazu entschied, keine echte Nummer neun zu verpflichten.
Victor Osimhens Wechsel zu Chelsea und Al-Ahli platzen
So blieb Osimhen zunächst nur der FC Chelsea. Das Interesse der Blues waberte seit Monaten, hatte aus Sicht des Spielers aber einen entscheidenden Pferdefuß: Der kaufkräftige Klub aus London spielt nicht in der Champions League und Osimhen wollte unbedingt wieder in die Königsklasse.
Spät in der Transferperiode stieg Al-Ahli in den zähen Wechselpoker ein. Der Klub aus Dschidda, einer von den vier Vereinen der Saudi Pro League, die vom Staatsfonds PIF subventioniert werden, bot zwar 80 Millionen Euro Ablöse und ein sattes Gehalt, aber eben auch eine deutlich schlechtere sportliche Perspektive für einen 25-Jährigen, der sich mit den Besten der Welt messen will.
So entwickelte sich am Deadline Day die Konstellation, dass Osimhen beide Optionen wegbrachen. Chelsea soll verstimmt gewesen sein, dass der nigerianische Nationalspieler von seinen hohen Gehaltsforderungen nicht abrückte. Al-Ahli fuhr derweil zweigleisig und bereitete gleichzeitig die Verpflichtung von Brentfords Ivan Toney vor. Als Napoli dann angeblich nach bereits erzielter Einigung die Ablöseforderung von 80 auf 85 Millionen Euro erhöhte, stiegen die Saudis aus und holten Toney.
Victor Osimhen will nicht mehr für Napoli spielen
Die Schuld an den geplatzten Transfers schoben sich beide Parteien gegenseitig in die Schuhe. Zwischen Osimhens Berater Roberto Calenda und De Laurentiis sowie Manna soll es wütende Telefonate mit Schuldzuweisungen gegeben haben. Schon vor der Streichung aus dem Serie-A-Kader schrieb Transferexperte Fabrizio Romano, das Verhältnis sei "komplett zerstört".
Manna schilderte bei DAZN: "Die Situation ist sehr klar. Victor hat seinen absoluten Wunsch geäußert, nicht bei Napoli zu bleiben oder für Napoli zu spielen. Wir haben versucht, ihn glücklich zu machen. Dann gab es eine Nachfrage und ein Angebot und wir dachten, wir hätten die Verhandlungen abgeschlossen. Aber dann kam es doch nicht dazu."
Osimhen sei darüber so sauer gewesen, dass er bekräftigt habe, nicht mehr im hellblauen Dress auflaufen zu wollen. Wenn man so will, entsprach der Klub also seinem Wunsch.
Victor Osimhen vor Wechsel zu Galatasaray
Überhaupt hatte Napoli bereits seine Hausaufgaben erledigt und Lukaku von Chelsea verpflichtet. Der Belgier war zu gemeinsamen Inter-Zeiten der Lieblingsschüler des neuen Trainers Antonio Conte. Letzterer gab sich in Bezug auf Osimhen knallhart und betonte, eine Rückkehr werde es nicht geben: "Diejenigen, die nicht mehr Teil unseres Projekts sind, bleiben aus dem Projekt heraus. Wir haben unsere Entscheidungen getroffen und arbeiten alle gemeinsam in eine Richtung."
Was bleibt, ist eine Situation, in der es nur Verlierer gibt. Stand jetzt darf Osimhen bis mindestens zum Januar keinen Fußball spielen und Napoli hat einen Spitzenverdiener in seinen Reihen, der nicht auf Torejagd gehen wird. Denkbar wäre noch ein Wechsel in die Türkei, wo die Transferperiode noch bis zum 13. September andauert.
Nun steht Galatasaray kurz vor einer Verpflichtung von Osimhen. Der Angreifer kam bereits in der Nacht auf Dienstag in Istanbul an, um dort die letzten Details zu klären und seinen Medizincheck zu absolvieren.
Der türkische Meister soll den Stürmer bis zum Saisonende ausleihen und dessen Gehalt in der Gegend von zehn Millionen Euro übernehmen.
Osimhens Ruf hat mächtig gelitten. Dass er Napoli mit 26 Saisontoren vor nicht einmal 16 Monaten sensationell zum Scudetto geschossen hatte und Liebling der Tifosi war, wirkt jedenfalls nur noch wie eine Episode, die eine Ewigkeit her ist.
Victor Osimhens Leistungsdaten
Verein | Einsätze | Tore | Assists |
VfL Wolfsburg (2017-18) | 16 | 0 | 0 |
RSC Charleroi (2018-2019) | 36 | 20 | 4 |
OSC Lille (2019-2020) | 38 | 18 | 6 |
SSC Neapel (2020-heute) | 133 | 76 | 18 |