Frage: Als Sie anfingen, in der Jugendauswahl des FC Barcelona zu spielen, hat sich das wie der Anfang einer langen Reise angefühlt?
Gerard Pique: Es war ein erhabener Moment und das, wovon meine Freunde und ich immer geträumt haben. Weniger wegen der Zukunftsaussichten, sondern weil wir das Spiel liebten und unbedingt das Barca-Trikot tragen wollten. Ich erinnere mich noch genau an den Moment als ich erfahren habe, dass ich ausgesucht wurde. Nur 200 von 1000 Jungs pro Jahr werden ausgewählt und ich war aufgeregt, stolz und befreit. Die Tatsache, dass sich der Club für mich entschied und Hoffnungen in meine Fähigkeiten setzte, hat mich wirklich selbstbewusst gemacht.
Frage: Wie hat es sich angefühlt, in La Masia ausgebildet zu werden?
Pique: Du merkst sofort, dass Du Teil von etwas Besonderem bist und die Leistungsfortschritte sind ziemlich offensichtlich - jeder wird besser und alles ist fokussierter. Die Philosophie von La Masia geht weit über Fußball hinaus. Fußball ist natürlich sehr, sehr wichtig, aber Du erhältst auch von früher Kindheit an wichtige Lektionen in Sachen Leben. Du lernst, dass Hingabe, Engagement und Leidenschaft für alle Bereiche des Lebens wichtig sind und dass es am Ende eben keine Abkürzungen gibt.
Frage: In welchem Stadium Ihrer Karriere haben Sie angefangen, sich bestimmte Ziele zu setzen?
Pique: Erstmal war ich einfach nur glücklich, Teil von Barca zu sein und habe die neuen Herausforderungen angenommen. Nach ungefähr einem Jahr in La Masia habe ich mein Herz daran gehängt, eines Tages für die A-Auswahl im Camp Nou spielen zu können. Ein Teil in dir weiß, dass das vielleicht niemals passieren wird, aber ich habe mich so darin verbissen, dieses Ziel zu erreichen, dass ich mir Zweifel irgendwann nicht mehr erlauben konnte - das Einzige was ich für meine Zukunft tun konnte, war jeden Tag so hart zu trainieren wie nur möglich.
Frage: Warum haben Sie sich dann entschieden, Ihren ersten Vertrag als Profi bei Manchester United zu unterschreiben und nicht beim FCB?
Pique: Die Plätze bei Barca waren hart umkämpft und damals, mit 17 Jahren, habe ich erkannt, dass es an der Zeit war, mehr wie ein Profifußballer zu denken. Für Barca zu spielen, blieb mein erklärtes Ziel, aber für den Moment wollte ich vor allem auf hohem Niveau regelmäßig Fußball spielen. United hat mir genau das ermöglicht. Als Manchester United, eines der erfolgreichsten Teams der Welt, auf mich zukam, konnte ich einfach nicht nein sagen. Mir ist es natürlich schwer gefallen, Barca und alles, was ich bis dato kannte, zurück zu lassen, aber irgendwann wird dir klar, dass du deine Ziele anpassen und dich selbst fragen musst, was wirklich wichtig ist.
Frage: Zu einem anderen Club, in ein anderes Land mit einer fremden Kultur zu ziehen, war für Sie als so jungen Mann doch sicher schwierig. Wie haben Sie das erste Jahr gemeistert?
Pique: Am ersten Trainingstag war ich sehr nervös. Ich hatte das Gefühl, mich komplett neu beweisen zu müssen, nur diesmal an einem Ort, an dem mir Sprache, Kultur und Umgebung vollkommen fremd waren. Allmählich habe ich die englische Lebensart verstanden und schätzen gelernt, von den subtilen Feinheiten des Humors, bis hin zu Musik, Landschaft und Architektur. Das Wetter allerdings ist etwas, woran ich mich nie gewöhnen konnte... und das Essen vielleicht. In dieser Zeit habe ich großartige Freundschaften geschlossen und weiter an meiner Karriere gearbeitet. Aber vor allem hat mich der Schritt zu Manchester United reifer gemacht. Ich hatte das große Privileg, von Sir Alex Fergusson, einem der besten Trainer betreut zu werden und an der Seite einiger Weltklasse-Spieler spielen zu dürfen: Ronaldo, Scholes, Van Nilsterooy, Giggs, Rio Ferdinand, Vidic... um nur einige zu nennen. Die Erfahrungen und das Miteinander mit den britischen Spielern haben mir die Entschlossenheit zum Sieg, den Kampfgeist, beigebracht. Das trage ich bis heute in mir.
Frage: Sie haben Ihre Wurzeln in Barcelona, war es trotzdem schwer, einen Teil der Spieler in Manchester zurück zu lassen, als Sie wieder zu Barca gegangen sind?
Pique: Es hat sich, ehrlich gesagt, ziemlich seltsam angefühlt - ich habe angefangen, mich in Manchester zu Hause zu fühlen und plötzlich kam die Chance, nach Barcelona zurück zu kehren. So sehr ich den Club und meine Teamkameraden geliebt habe, ich konnte diese Möglichkeit, meinem Traum ein Stück näher zu kommen, nicht ausschlagen. Ich hatte meine Hoffnungen für Barca zu spielen auf Eis gelegt, weil ich mich auf meine Karriere bei United konzentrieren musste. Plötzlich die Chance zu bekommen, im Club meiner Kindheit zu spielen, war unglaublich. Es hat mich für all die schweren Entscheidungen und die harte Arbeit entschädigt
Frage: Was ist die wichtigste Erkenntnis Ihrer Karriere?
Pique: Die Zeit als ich Barcelona verlassen habe, um bei Manchester United zu spielen, hat mir eine große Lektion über den Wert des eigenen Selbstvertrauens erteilt. Ich war immer selbstbewusst, aber damals hab ich verstanden, dass es mehr braucht, um erfolgreich zu sein. Du musst hart und mit vollem Einsatz für deine Ziele kämpfen und darauf vorbereitet sein, schwierige Entscheidungen fällen zu müssen und mit Rückschlägen umzugehen. Als Barca-Spieler habe ich gelernt, mich auf kleine Details zu konzentrieren. Du beobachtest, um jeden Tag besser zu werden - das macht dich zum Gewinner. Wir haben gelernt, den Wert von Teamgeist zu schätzen. Ich bin sehr glücklich, nun mit vielen Menschen zu spielen mit denen ich aufgewachsen bin - Erfolg bedeutet so viel mehr, wenn er von einer Gruppe erreicht wurde, die wirklich zusammen steht. Wir haben gelernt, dass beim Antritt einer Reise endlose Möglichkeiten vor Dir liegen und einige sind jenseits von allem was Du Dir in Deinen wildesten Träumen ausmalen konntest.
Frage: Seit Ihrer Rückkehr nach Spanien haben Sie jede mögliche sportliche Herausforderung mit Barca und der spanischen Nationalelf gemeistert, vom spanischen Pokal bis hin zum WM-Titel. Wie motivieren Sie sich weiter?
Pique: Erfolg macht süchtig und wenn du einmal eine Trophäe in den Händen gehalten hast, planst du sofort deine nächsten Schritte. Ich glaube, das betrifft jeden, egal ob du Profifußballer bist oder ein Kind, das gerade sein erstes Rennen in der Schule gewonnen hat. Als Gruppe können wir uns nicht erlauben, selbstgefällig zu werden und uns wurde beigebracht, nach Perfektion zu streben. Und wir repräsentieren unsere Fans, für die wir alles geben müssen. Irgendwann kommt der Tag, an dem ich aufhören werde Fußball zu spielen und dann werden neue Herausforderungen auf mich warten. Wenn es soweit ist, will ich sagen können, dass ich alles erreicht habe, was ich konnte.
Gerard Pique im Steckbrief