Frage: Herr Ramos, Sie sind aus Andalusien, einer Region, die für Stierkampf bekannt ist. Man sagt über Sie, sie hätten den Mut eines Stierkämpfers. Trifft das zu?
Ramos: Vielleicht wäre das früher ein Beruf, den ich in Erwägung gezogen hätte. Aber Fußball macht mich glücklicher als Stiefkampf. Aber auf eine bestimmte Art und Weise habe ich eine Verbindung zu dieser Welt, denn meine Familie und die Leute aus meinem Dorf waren alle große Stierkampf-Fans. Du wirst damit geboren. Und wenn ich auf dem Feld stehe und alles vergesse, dann habe ich tatsächlich das Gefühl, ich habe die Qualitäten eines Matadors.
Frage: Wenn wir beim Thema Mut sind, lassen Sie uns zurück an die EM 2012 denken. Waren Sie sicher, dass Sie einen Elfmeter schießen würden, trotz dieses inzwischen legendären Fehlschusses gegen Bayern München im Champions-League-Halbfinale nur zwei Monate davor?
Ramos: Ja. Es gibt Spieler, die in bestimmten Momenten totales Vertrauen in sich selbst haben, die in der Form ihres Lebens sind und eine solche Herausforderung annehmen wollen. Ich war in meiner Fußballer-Karriere immer in der Lage, mit solchen Situationen umzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Glück. Trotzdem: Ich habe mich entschieden, den Elfmeter zu schießen und ich würde es tausendmal wieder tun.
Frage: Wie kamen Sie darauf, den Elfmeter im Panenka-Style zu lupfen?
Ramos: Ob Sie es glauben oder nicht: Das habe ich von dem Tag an geplant, an dem ich den Strafstoß gegen Bayern unglücklicherweise verschossen habe. Der Elfmeter war für meine Familie. Ich werde den Schmerz und all das Negative nie vergessen, das auf den verschossenen Strafstoß folgte. Der Elfmeter gegen Portugal war meiner Mutter und meiner Schwester gewidmet, die zwei haben immer am meisten ertragen. Sie verdienen es, dass ich ihnen einen Moment für die Ewigkeit aus meiner Karriere widme. Ich glaube, dieser war der richtige.
Frage: Wer wusste, wie Sie diesen Elfmeter schießen wollten?
Ramos: Jesus Navas, der quasi immer mit mir ein Zimmer teilt und Raul Albiol, dem ich es verraten hatte. Mit Beginn des Elfmeterschießens habe ich Raul von meinem Lupfer erzählt. Die beiden wussten es als einzige. Mit Ausnahme meines Vaters und meines Bruders, die mich sehr gut kennen. Denen hatte ich schon am Tag des Bayern-Spiels verraten, dass ich den nächsten Elfmeter auf diese Art schießen werde.
Frage: Und Ihr Trainer?
Ramos: Ich weiß nicht, ob sich der Coach daran erinnert. Aber wir haben Elfmeter sorgfältig trainiert und ich habe Vicente del Bosque vor dem Portugal-Spiel gesagt: "Trainer, wenn ich einen Elfmeter schieße, soll ich ihn dann lupfen?" Er lachte und meinte, wenn der Moment kommt, würde ich mich ohnehin nicht trauen.
Frage: Wie viel Druck haben Sie bei der Ausführung gespürt?
Ramos: Praktisch gar keinen. Ich habe schon einmal die Erfahrung eines verschossenen Elfmeters gemacht. Mit all den Nachwirkungen, die es im Fußball geben kann. Vor allem, wenn du Sergio Ramos heißt. Aber als ich traf, spürte ich ein Gefühl von großer Zufriedenheit, das die Leute um mich herum glücklich machte. Die, die in schlechten Zeiten für mich da waren. In guten Zeiten halten alle zu dir.
Frage: An diesem Tag haben Sie gegen Rui Patricio getroffen. Analysieren Sie Ihre Gegner, in diesem Fall die Torhüter?
Ramos: Du lernst sie mit der Zeit einzuschätzen. Wie sie reagieren, ob sie warten, ob sie früh losspringen... Bei Rui Patricio wusste ich mehr oder weniger, dass er sich gerne kurz vor dem Schuss für eine Seite entscheidet. Deshalb hätte ich ihn ohnehin gechippt, was auch immer er getan hätte. Im Confederations Cup, als ich gegen Buffon angetreten bin, wusste ich, dass so ein erfahrener Torhüter wie er lange warten würde. Deshalb musste ich es anders machen und bis zu seiner letzten Bewegung warten, bevor ich mich entscheide, wo ich hinschieße. Insofern gefällt es mir, meine Gegner zu analysieren.
Seite 2: Ramos über sein rebellisches Ego und Unstimmigkeiten in der Nationalelf