"Das Triple blendete viele Mitglieder"

Ben Barthmann
30. Juli 201511:44
Weiter im Amt: Präsident Bartomeu erhielt 54 Prozent der Stimmen aller Barca-Mitgliedergetty
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Josep Maria Bartomeu bleibt Präsident des FC Barcelona. Denis Gloger Sanchez stand auf Seiten von Herausforderer Agusti Benedito und spricht nach verlorenen Wahlen mit SPOX über die unsichere Zukunft Barcas, wacklige Finanzen und La Masia.

SPOX: Herr Gloger Sanchez, Sie waren Teil des Wahlteams von Agusti Benedito, der Josep Maria Bartomeu um die Präsidentschaft des FC Barcelona herausforderte. Wie ist die Stimmung nach der doch recht deutlich verlorenen Wahl?

Denis Gloger Sanchez: Das Team ist natürlich enttäuscht. Benedito hat sich, seit er bei den Wahlen 2010 verloren hat, auf diese Chance vorbereitet. Er hat über 50.000 Kilometer in Katalonien zurückgelegt, um sich die Meinungen der Mitglieder einzuholen und diese dann in sein Programm eingearbeitet. Wir haben es allerdings nicht geschafft, in diese Phalanx der großen Zwei aus Bartomeu und Laporta vorzustoßen und uns als dritte Alternative außerhalb ihrer Streitereien zu positionieren. Die Enttäuschung ist dementsprechend groß, wir hatten viel vor.

SPOX: Für jemanden, der sich das schwer vorstellen kann: Wie läuft so eine Kampagne eigentlich ab? Wie vergehen die letzten Tage und Stunden?

Sanchez: Das Ganze läuft wie in einem Film. Man ist auf Hochspannung. Man wartet auf die neuesten Umfrageergebnisse, Artikel oder Kommentare über die Kandidaten. Man versucht das richtige Tempo mitzuhalten, seine Asse im richtigen Moment auszuspielen. In den letzten Tagen dreht sich in Barcelona alles um die Präsidentschaftswahl und die aberwitzigsten Gerüchte werden gestreut. Am letzten Tag dann laufen die Telefone heiß. In unserem Fall vor allem, weil das Team um Laporta eine Koalition mit uns eingehen wollte. Das ging bis spät in die Nacht. Aber Benedito war bis zum letzten Moment von einem eigenen Triumph überzeugt.

Kommentar zur Bartomeu-Wahl: Ein Klub schlimmer als jeder andere

SPOX: Gleich ganz frei heraus: Wieso hat Bartomeu gewonnen? Er hatte immerhin 54 Prozent der Stimmen auf seiner Seite, dabei war die Kritik doch eigentlich heftig...

Sanchez: Es gibt dafür zwei fundamentale Gründe. Zum einen hat natürlich der sportliche Erfolg Bartomeu enorm geholfen. Triple-Sieger und vorne das Tridente mit Lionel Messi, Neymar und Luis Suarez. Davon lassen sich viele Mitglieder blenden bzw. sehen ihr prioritäres Ziel - den sportlichen Erfolg - erreicht. Zum anderen besteht die Mitgliederschaft von Barca aus vielen älteren Mitgliedern, die grundsätzlich Kontinuität wählen. Die Kritik an Bartomeu kam aus den restlichen 46 Prozent. Barca ist in seiner Anhängerschaft im Moment leider ein zweigeteilter Verein.

SPOX: Harter Vorwurf vieler Bartomeu-Gegner war, dass er die Medien auf seiner Seite habe. In Deutschland ein schwer vorstellbares Szenario - wie viel ist da dran?

Sanchez: Damit sprechen Sie eigentlich den dritten Grund für den deutlichen Wahlsieg Bartomeus an. In Barcelona gibt es zwei große Sportzeitungen, die täglich erscheinen. Die SPORT (Grupo Zeta) und die MundoDeportivo (Grupo Godo). Es ist ein offenes Geheimnis, dass vor allem die Grupo Godo äußerst wohlwollend über die aktuelle Führung von Barça berichtet und über beste Verknüpfungen verfügt. Allerdings schien auch die SPORT etwas tendenziös über die Wahl zu berichten. Wie Sie sagen, in Deutschland ein schwer vorstellbares Szenario.

SPOX: Großer Trumpf in der Wahlkampagne des neuen Barca-Präsidenten waren die Abschlusszahlen, die er kurz vor den entscheidenden Tagen veröffentlichte. Also Finanzexperte in Beneditos Team - wie steht es denn wirtschaftlich um den Klub?

Sanchez: Ende Mai hat einer der größeren Sponsoren, Telefonica, 40 Mio. Euro auf das Konto des FC Barcelona überwiesen. Dieser Betrag, eine Vorauszahlung für die kommenden drei Jahre, zeigt, wie es in diesem Jahr um die Finanzen bei Barca steht. Durch den Triple-Gewinn hat Barca nicht nur einen Einnahmenrekord von 608 Mio. Euro diese Saison erreicht, sondern musste auch die Rekordprämie von 89,1 Mio. Euro an seine Spieler bezahlen. Dies hat zu einer Verringerung der Schuldentilgung geführt und den Gewinn von 41 Mio. Euro 2013/14 auf 15 Mio. Euro 2014/15 reduziert - damit der geringste Gewinn des Mandats von Rosell/Bartomeu.

SPOX: Aber doch immer noch ein Gewinn.

Sanchez: Die Nettoschulden sind um 14 Prozent auf 328 Mio. Euro gestiegen. Hinzu kommt, dass der Anteil der Gehälter über 70 Prozent der Gesamtausgaben des Vereins ausmachen - die FIFA empfiehlt etwa 60 Prozent - und die Tatsache, dass ein großer Teil der Einnahmen durch außerordentliche Erträge wie Prämienzahlungen der Sponsoren für die gewonnenen Titel oder Spielerverkäufe generiert wurden. Insgesamt kann Bartomeu aber auf einen Gesamtgewinn in seiner Amtszeit von 128 Mio. Euro und eine Reduzierung der Verbindlichkeiten um fast 100 Mio. blicken.

SPOX: Bartomeu warf Gegenkandidat Laporta vor, den Verein in seiner Amtszeit beinahe in den Ruin getrieben zu haben. Macht er das so viel besser?

Sanchez: Laporta hatte 2010 den Klub mit einem Gewinn von rund 11 Mio. Euro verlassen. Als dann Rosell an die Macht kam, wurde von Deloitte eine neue Bilanz-Prüfung vorgenommen, die einen Verlust von gut 80 Mio. Euro aufwies. Daraufhin wurde die Führungsetage um Laporta von der siegreichen Kandidatur 2010 um Roselll wegen Unregelmäßigkeiten auf eine Zahlung von 46,7 Mio. Euro verklagt. Diese Klage wurde allerdings im Oktober 2014, nach fast vier Jahren, abgelehnt.

SPOX: Das heißt aber doch, dass Bartomeu und Rosell zuvor viel Gutes in finanziellen Sachen getan haben.

Sanchez: Was den aktuellen Schuldenstand betrifft, steht Barca besser da als vor fünf Jahren. Diese Tendenz wurde leider im letzten Jahr nicht eingehalten und der Klub hat erstmals seit 2010 seinen Schuldenstand erhöht. Insgesamt sind die Schulden aber deutlich reduziert worden.

SPOX: Wie viel trägt eigentlich Qatar Airways dazu bei? Ihr Team präsentierte mit Flight Without Wings einen Trikotsponsor, der deutlich mehr Geld hätte fließen lassen.

Sanchez: Qatar Airways hat bisher über vier Jahre 32 Mio. Euro pro Jahr bezahlt und wird ab der kommenden Saison ca. 60 Mio. Euro pro Jahr bezahlen. Flight Without Wings war nur einer von vier Sponsoren, von denen wir eine verbindliche Zusage hatten und die das Angebot von Qatar Airways überboten. Wohlgemerkt haben wir die Vereinbarungen als Kandidat eingeholt, d.h. unsere Verhandlungsmacht war deutlich schwächer als die des Präsidenten. Alternativen für Qatar gibt es also zahlreiche.

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SPOX: Dann stellt sich doch die Frage: Warum eigentlich unbedingt Katar? Woher kommen diese Beziehungen, die andere Vereine nur in bedeutend kleinerem Maße betreiben?

Sanchez: Dies ist eine schwer zu beantwortende Frage. Verschiedene Mitglieder der Führungsetage um Rosell und jetzt Bartomeu scheinen Geschäfte bzw. Geschäftsinteressen in Katar zu haben. Ich möchte mich aber an den Spekulationen nicht beteiligen.

SPOX: Korruption? In Deutschland steckt vor allem der Neymar-Transfer im Kopf vieler Fußballfans.

Sanchez: Beim Neymar-Transfer sind sicher einige Dinge falsch gemacht worden. Zum Teil wurden Beträge in Spanien als Ablösesumme, in Brasilien als Gehalt deklariert. Dies hat natürlich mit der unterschiedlichen Steuerbelastung von Gehalts- bzw. Ablösesummen zu tun. Von Korruption würde ich allerdings nicht sprechen. Mir scheint auch das geforderte Strafmaß von zwei bzw. sieben Jahren Haft für Bartomeu und Rosell zu hoch.

SPOX: Die Transfersperre - vielleicht sollten wir sie eher Registrierungsverbot nennen - hat Kratzer am Image hinterlassen. Irgendwie übersteht Barcelona diese Phase aber sehr gut, oder?

Sanchez: Das ganze Thema mit der Masia und der damit zusammenhängenden FIFA-Transfersperre ist etwas unglücklich verlaufen. Ohne bewerten zu wollen, ob die Regelung, Spieler nur bis zu einer gewissen räumlichen Distanz zum verpflichtenden Verein wechseln zu lassen, sinnvoll ist, hätte man sicher eine elegante Lösung mit der FIFA finden können. Barca wurde früh genug von der FIFA gewarnt, dass eine Ermittlung eröffnet wurde. Bartomeu ging in diesem Zusammenhang auf volle Konfrontation und hat dies mit der Sperre bezahlt. Allerdings muss man hervorheben, dass konsequenterweise auch viele andere Top-Klubs betraft werden müssen, deren Abwerbungspraktiken sich nicht von den Barca-Praktiken unterscheiden. Dass zufälligerweise der Vater des gewünschten Spielers eine Arbeitsstelle in der fraglichen Stadt bekommt, wird von der FIFA wohl ebenso wenig toleriert werden.

SPOX: Alle Gegenkandidaten versprachen, mehr aus der Jugend herauszuholen. Wie wäre das umgesetzt worden?

Sanchez: Ein Teil meiner Arbeit für Benedito bestand im aktuellen Modell in der Jugendarbeit. Strukturell hat Barca einige wichtige Veränderungen vorgenommen. Die Entlohnung der Jugendtrainer beispielsweise. Diese orientiert sich jetzt in großen Teilen am sportlichen Erfolg.

SPOX: Das klingt nicht sehr nach durchdachter Förderung, wie es doch eigentlich in La Masia sein sollte.

Sanchez: Ja. Das hat zur Folge, dass körperlich weiter entwickelte Spieler gegenüber den technisch starken Spielern bevorzugt werden, weil die Physis im Jugendbereich schnell Spiele entscheidet. Sind diese Spieler dann oben angekommen, spielen körperliche Vorteile nur noch eine untergeordnete Rolle und die Technik ist entscheidend. Viele technisch starke Spieler sind da aber schon auf der Strecke geblieben.

SPOX: Lassen Sie uns nicht zu weit von den Wahlen abdriften. Pogba haben wir noch gar nicht angesprochen. Der junge Franzose wurde zum Spielball im Wahlkampf, ist das Thema nun plötzlich vom Tisch?

Sanchez: Pogba ist ganz klar vom Tisch. Barça hat mit Arda Turan einen sehr guten Spieler für das Mittelfeld verpflichtet und wird diese Saison keine weiteren Spieler verpflichten.

SPOX: Jetzt erst so richtig konkret wird das Projekt Espai Barca. Eine grundlegende Renovierung sowie ein teurer Ausbau der ganzen Struktur rund um das Camp Nou herum. Benedito bezeichnete das Projekt als "gefährlich" - übernimmt sich Barca mit den 600 Millionen Euro vielleicht?

Sanchez: Das Projekt hypothekiert auf jeden Fall die Zukunft von Barca. 600 Mio. Euro sind das geplante Budget, aber bei allen Stadionneubauten bzw. Renovierungen habe sich die Budgets am Ende um mindestens 30 Prozent erhöht. Das wären in diesem Fall also mindestens 780 Mio. Euro. Ich halte diese Summe für jeden Verein der Welt gefährlich.

SPOX: Eine Renovierung hat kaum jemand in Frage gestellt, doch wieso soll so viel Geld investiert werden?

Sanchez: Letztes Jahr wurde unter den Mitgliedern ein Referendum abgehalten, bei dem zwei Optionen zur Wahl standen. Stadionrenovierung ja oder nein. Mit über 70 Prozent stimmten die Mitglieder für eine Renovierung. Was allerdings fehlte, waren verschiedene Optionen der Renovierung. Es wurde lediglich die 600 Mio. Euro Variante vorgestellt. Warum das so ist? Da müssten Sie Bartomeu fragen.

SPOX: Nach dieser Entwicklung in den letzten Jahren und nun der Wiederwahl - ist das Klubmotto auch nur noch Marketingstrategie? Der Kommerz ist im Fußball schon lange angekommen, ganz klar, aber Barcelona stand doch auch immer für ein bisschen Restromantik.

Sanchez: Vielleicht bleibt ein bisschen Restromantik, aber ich fürchte, dass das Klubmotto im heutigen Geschäft nur noch Marketingstrategie sein kann. Nach dem Mega-Deal der englischen Premier League und der kommenden zentralen Fernsehvermarktung in Spanien, kann man leider auf keine Einnahmequelle mehr verzichten.

SPOX: Was kann man nun in den nächsten Jahren erwarten, wie wird sich der FC Barcelona entwickeln?

Sanchez: Bei allen Fußballvereinen hängt der beste Business Plan oder die durchdachteste Strategie davon ab, ob Titel gewonnen werden oder nicht. Hält der sportliche Erfolg an, können die angesprochenen Unruheherde verdeckt werden und die Opposition wird sich ruhig verhalten. Ansonsten schließe ich Neuwahlen in zwei, drei Jahren nicht aus. Das Umfeld von Barca ist sehr unruhig und jedes Mitglied kann theoretisch zum Präsidenten gewählt werden. Vielleicht, und damit relativiere ich meine Aussage zum Klub-Motto, macht uns das dann doch zu Mes que un Club.

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Der FC Barcelona im Steckbrief