In so manchen spanischen Fußballforen wird schon munter darauf gewettet, dass Kevin-Prince Boateng in einem Rollkragenpullover zu seiner Präsentation im altehrwürdigen Camp Nou erscheint. Schließlich ziert unter anderem eine Krone den volltätowierten Hals des neuen Barca-Spielers. Eine Krone, die nicht nur wie ein Teil des Wappens von Real Madrid aussieht, sondern diesen auch bewusst darstellen soll.
"Als Kind habe ich immer Real Madrid im Fernsehen geschaut. Es war mein Kindheitstraum, eines Tages für Real zu spielen. Dort waren Stars wie Figo, Ronaldo oder Zidane, die ich bewundert habe. Mit 19, 20 Jahren habe ich mir dann gedacht: Madrid nennt man doch 'die Königlichen'. Dazu passt auch ein wenig mein zweiter Vorname. Somit habe ich mir in Anlehnung an beides dieses Tattoo stechen lassen", sagte Boateng vor fünf Jahren in einem Interview mit der Sport Bild.
Boateng in fünf Jahren vom Schalke-Flop zum Messi-Partner
Zum damaligen Zeitpunkt hätte er sich wohl kaum gedacht, in seiner Karriere noch einmal ein Angebot eines anderen großen Klubs zu erhalten. Schon gar nicht von einem Klub wie Barca. Im Fußball geschieht aber eben manchmal Unglaubliches. Und so wird Boateng, 2014 noch zu schlecht und zu aufbrausend für den FC Schalke 04 und die Bundesliga, 2019 laut eigener Aussage Teamkollege von Lionel Messi und Marc-Andre ter Stegen beim Regenten der spanischen Liga.
"Ich bin traurig, Sassuolo zu verlassen, aber ich habe eine großartige Chance und möchte mich nur auf Barcelona konzentrieren", bestätigte Boateng selbst am Montagabend bei Sky Sport Italia.
Unglaublich, ja. Aber nicht unsinnig. Für Boateng, der im Herbst seiner Karriere noch den einen oder anderen bedeutenden Titel in seine kunterbunte Vita eintragen dürfte, ohnehin nicht. Aber auch nicht für Barca.
Boateng kommt gewiss nicht als Stammspieler nach Katalonien. Er schließt aber die Lücke auf einer Position, die Barca-Trainer Ernesto Valverde seit Monaten Sorgen bereitet. Nach den Abgängen von Paco Alcacer (Borussia Dortmund) und Munir El-Haddadi (FC Sevilla) war Luis Suarez zuletzt der einzige nominelle Neuner im Kader. Suarez zählt immer noch zu den besten seines Fachs, mit seinen mittlerweile 31 Jahren kann der "Pistolero" aus Uruguay jedoch nicht mehr in voller Pracht auf drei Hochzeiten tanzen.
Barcas mühsame Stürmersuche führt nach Italien
Vor diesem Hintergrund suchte Valverde zuletzt intensiv nach einem Backup. Junge, verheißungsvolle Kicker wie Maxi Gomez (22/Celta Vigo), Timo Werner (22/RB Leipzig) und Luka Jovic (21/Eintracht Frankfurt) wurden Anfang des Jahres verstärkt in den katalanischen Medien gehandelt. Allerdings zeichnete sich schnell ab, wie schwierig es werden würde, einen Spieler dieses Formats in der Halbzeit der Saison zu bekommen.
Barca stieg deshalb in den Poker um den beim FC Chelsea aussortierten Alvaro Morata (26) ein, zog gegen Atletico Madrid jedoch den Kürzeren. Also richtete sich der Fokus mehr und mehr auf einen Spieler der älteren Riege. Cristhian Stuani (32/FC Girona), Fernando Llorente (33/Tottenham Hotspur) und sogar Klaas-Jan Huntelaar (35/Ajax Amsterdam) galten als Kandidaten. Die Wahl fiel am Ende auf den Ex-Bundesliga-Profi Boateng. Keinen reinen Neuner. Einen Allrounder, der zur Not auch als Sechser spielen kann. Boatengs Vielseitigkeit, gepaart mit seiner Erfahrung, überzeugte Valverde. "Barca hat seinen neuen Larsson", schrieb die vereinsnahe Zeitung Mundo Deportivo am Montag.
"La Masia" leidet unter Barca-Coach Valverde
Henrik Larsson (47), in einer Welt ohne Zlatan Ibrahimovic die schwedische Fußballlegende schlechthin, war einst im Alter von 33 Jahren zu Barca gewechselt und hatte dem Klub mit zwei Torvorlagen gegen den FC Arsenal im Champions-League-Finale 2006 zu einem historischen Triumph verholfen. Ähnliches erhofft man sich nun auch von Boateng. Dass er zur Stelle ist, wenn er gebraucht wird.
In Barcelona scheinen sie davon überzeugt zu sein. Und wohl ebenso ein Stück weit verzweifelt ob der Möglichkeiten, die ihre einst so renommierte Jugendakademie "La Masia" mittlerweile hergibt. Der nicht unumstrittene Valverde schafft es jedenfalls kaum, Spieler aus der Reserve bei den Profis zu integrieren. Nicht grundlos kam mit Jeison Murillo vor kurzem ein externer Innenverteidiger vom FC Sevilla, um die Ausfälle von Samuel Umtiti und Thomas Vermaelen aufzufangen. Und nicht grundlos ergatterten sich die Blaugrana im Rahmen des halbjährigen Leihgeschäfts mit Boatengs Klub Sassuolo eine Kaufoption, die bei acht Millionen Euro liegt.
Ein Angebot, das Boateng nicht ablehnen kann
Der Deutsch-Ghanaer genießt einen sehr guten Ruf in Spanien. In der Saison 2016/17 verhalf er UD Las Palmas mit zehn Treffern zum Klassenerhalt, glänzte ebenso neben dem Platz mit Leaderqualitäten und legte in der wohltuenden Sonne Gran Canarias endgültig sein jahrelanges Image als "Bad Boy" ab. Daraufhin wechselte er nach Frankfurt, wo er nicht zuletzt wegen des DFB-Pokalsiegs in Rekordzeit Ikonenstatus erlangte.
Umso überraschender kam sein Wechsel im Sommer zu Sassulo, einem Klub aus dem unteren Mittelfeld der Serie A. Er verlasse die Eintracht in erster Linie aus privaten Gründen, erklärte Boateng, er wolle lieber zwei Autostunden anstatt eine Flugstunde an seiner in Mailand lebenden Familie sein.
Dieses Argument spielte scheinbar keine allzu große Rolle mehr in seinen Gedanken, als ihn Barca aus heiterem Himmel kontaktierte. Er erhielt ein Angebot, das er allein aus Liebe zum Fußball nicht ablehnen konnte. Auch wenn eine königliche Krone seinen volltätowierten Hals ziert.
Wobei von der großen Zuneigung gegenüber Real ohnehin nicht mehr viel zu spüren ist. Denn nicht umsonst hofft Boateng nun, "im nächsten Clasico in Bernabeu treffen zu können".
Kevin-Prince Boatengs Karrierestationen als Fußball-Profi
Jahr | Verein |
2005 - 2007 | Hertha BSC |
2007 - 2009 | Tottenham Hotspur |
2009 | Borussia Dortmund |
2009 - 2010 | FC Portsmouth |
2010 - 2013 | AC Milan |
2013 - 2015 | FC Schalke 04 |
2016 | AC Milan |
2016 - 2017 | UD Las Palmas |
2017 - 2018 | Eintracht Frankfurt |
2018 - 2019 | US Sassuolo |
seit 2019 | FC Barcelona |