Eine richtig gute Antwort hatte Zinedine Zidane am Montagnachmittag nicht parat, als die anwesenden Journalisten ihn zum Grund seiner Rückkehr befragten. Rund neun Monate zuvor hatte der Franzose seinen Rücktritt bekanntgegeben. Viel früher als Präsident Florentino Perez hatte er begriffen, dass die Mannschaft von Real Madrid einen Tapetenwechsel brauchen würde.
Neun Monate später sind zwei Tapetenwechsel verpufft, echte Änderungen sind nicht eingetreten. Mit der Rückkehr von Zidane, der dabei nur minimale Änderungen in seinem Trainerteam vollzieht, spielen die Königlichen nahezu ein Backup wieder auf. Nur, dass diesem Backup Cristiano Ronaldo fehlt.
Trotzdem soll diese Konstellation nun in den verbleibenden elf Spielen der Saison nicht nur Platz zwei in der Liga sichern, sondern auch den arg in Mitleidenschaft gezogenen Ruf der Königlichen wiederherstellen. Zidane stürzt sich somit mitten hinein in eine Aufgabe, der er eigentlich mit seinem Abschied aus dem Weg gehen wollte.
Zinedine Zidane ließ sich mehr Macht bei Real Madrid zusichern
"Ich kehre jetzt zurück, weil der Präsident mich rief und ich Real Madrid sehr liebe", sagte Zidane. Offen bleibt die Frage, warum Real nach dem Aus in der Champions League offenbar nicht direkt zu einer Einigung mit dem Franzosen fand. Etwas Bedenkzeit, sicherlich, aber derart bedingungslos wie suggeriert ist der Trainer nicht zurückgekehrt.
Vielmehr passen Berichte der AS ins Bild, wonach sich Zidane eine weitaus größere Macht zusichern ließ als noch in seiner letzten Amtszeit. Mitbestimmung bei Transfers steht da an erster Stelle. Ob es am Ende wirklich die drei berichteten Top-Transfers werden, wird sich zeigen müssen. Wohl aber dürfte Perez in sportlichen Entscheidungen jegliche Handhabe abgegeben haben.
Nach Informationen von SPOX und Goal erhält Zizou die volle und alleinige Kontrolle über sämtliche Transfers, die die erste Mannschaft betreffen - Zu- sowie Abgänge. Einen Trainer mit dieser Macht auszustatten, ist im Fußball beispiellos. Dass ihm diese Macht im Sommer nicht eingeräumt wurde, Zidane das Team nicht nach seinem Gusto umgestalten konnte, gilt als Hauptgrund für seinen Abgang nach dem dritten Champions-League-Triumph in Serie. Bei seiner Vorstellung am Montag machte der Weltmeister von 1998 klar: "Diese Mannschaft braucht Veränderungen, um wieder zu gewinnen."
Der Real-Präsident, berüchtigt für seine Einflussnahme und Besuche in der Kabine, soll in der Vergangenheit mehrfach Wünsche von Zidane abgelehnt oder hier und dort seine Meinung zum Thema abgegeben haben. So fand der Verkauf von Gareth Bale ebenso wenig statt wie die vom Trainer angestrebte Verpflichtung von Torhüter Kepa Arrizabalaga.
Jetzt soll Zidane sogar zum Trumpf werden. Ob Perez lieber Neymar oder Kylian Mbappe nehmen würde, wurde er gefragt. "Beide", entgegnete der Präsident scherzhaft: "Er ist Franzose und versteht sich gut mit Mbappe, vielleicht kann er etwas erreichen", so Perez über Zidane.
Real Madrid erhöht Gehalt von Zinedine Zidane
Nicht zuletzt spielt auch das Gehalt eine Rolle bei der Zidane-Rückkehr. Bei seinem Abschied zählte der Ex-Spieler nicht zu den zehn bestbezahlten Trainern der Welt. Real zahlt dem mittlerweile 46-Jährigen nach Informationen von SPOX und Goal jetzt aber eines der höchsten Trainergehälter weltweit - rund zehn Millionen Euro jährlich. Als "bester Trainer der Welt", wie Perez am Montag sagte, war Zidane bei Real lange unterbezahlt.
Wertschätzung und Macht des Franzosen haben sich damit in seiner rund neunmonatigen Abstinenz vergrößert. "Die Dinge werden sich verändern", sagte Zidane. Er gibt mehr denn je die Richtung vor: "Ich bin nicht zufrieden damit, wie die Dinge bisher gelaufen sind. Das gilt auch für die Spieler."
Dass er dabei seine mit drei Titeln in der Champions League beispiellose Legende ein Stück weit aufs Spiel setzt, glaubt Zidane nicht: "Ich denke nicht an das Risiko." Zumal er selbst anmahnte, dass auch damals nicht alles perfekt gewesen sei: "Ich denke an unser schlechtes Abschneiden in Liga und Pokal."
Real Madrid: Kader-Umbruch im Sommer ohne Gareth Bale?
Für die kommenden Wochen wird nur noch die Liga Zidanes Aufgabe sein. Im Hintergrund dürfte er an dem arbeiten, was er eigentlich vermeiden wollte: den Kaderumbruch voran zu bringen. Bale bleibt weiter die dominierende Personalie, kam der Waliser doch schon vor einem Jahr nicht optimal mit dem Trainer aus.
Im Hause James Rodriguez dürften ebenfalls keine Sektkorken geknallt haben. Der Kolumbianer und Zidane galten bislang als wenig kompatibel. Eine Rückkehr nach Madrid dürfte für den Leihspieler des FC Bayern München am Montag unwahrscheinlicher geworden sein.
Auch Sergio Ramos wurde in spanischen Medien zuletzt als möglicher Widersacher einer Zidane-Rückkehr genannt. Der Innenverteidiger interviewte sich am Montag über seine sozialen Kanäle selbst und beantwortete dabei einige Fragen mit gut ausformulierten Floskeln: "Wir haben enormen Respekt für die Position des Trainers und unterstützen ihn immer."
Ob der geschasste Santiago Solari das so bestätigten würde? Ursprünglich mit Vertrag bis 2021 ausgestattet, droht dem bisherigen Cheftrainer nun immerhin nicht die Arbeitslosigkeit. Wie die Marca berichtet, soll Solari zurück in die Jugendarbeit gehen und einen organisatorischen Part hinter den Kulissen übernehmen.