Vor dem großen Clasico war Toni Kroos überall. Auf der Webseite von Real Madrid maß sich der zuletzt degradierte Regisseur im Zweikampf mit Marcelo, auf Twitter traf er per Direktabnahme lässig ins Netz. Es war fast, als hätte Trainer Zinedine Zidane persönlich befohlen, die Zweifel an seiner Zuneigung zum Deutschen ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Denn das Letzte, was die Königlichen vor dem Showdown mit ihrem Erzrivalen FC Barcelona am Sonntag brauchen, sind Nebenkriegsschauplätze.
Dabei sorgte Zidane selbst für genau einen solchen, als er Kroos am Mittwoch in der Champions League gegen Manchester City (1:2) 90 Minuten auf der Bank schmoren ließ. Die spanischen Medien kriegten sich gar nicht mehr ein. So kritisierte die Sportzeitung Marca die mangelnde Flexibilität des Franzosen, "was ist los mit Kroos?", fragte AS. Die wenigsten kauften Zidane seine anschließende Rechtfertigung ab, wonach er nichts gegen Kroos habe und die Entscheidung rein technischer Natur gewesen sei.
Mit am deutlichsten formulierte es Ex-Real-Profi Alvaro Benito. "Ich habe Zidanes Erklärung danach gesehen, und das hat mir das Gefühl gegeben, dass irgendetwas nicht stimmt", sagte er bei Cadena Ser. Klar ist, dass Kroos nicht begeistert war und das Estadio Santiago Bernabeu wortlos verließ. Ob er am Sonntag am selben Ort wieder als Bankangestellter Schicht schieben oder auf dem Rasen die Fäden ziehen wird, ist noch nicht abschließend zu beantworten.
Real Madrid in einer Situation wie vor einem Jahr
Im Normalfall kann Zidane gegen Barca auf die Stabilität, die Kroos dem Team gibt, nicht verzichten. Verliert der Weltmeister von 1998 nämlich gegen Madrids Nemesis, ist die Krise real. So schnell geht das dort. 2:2 gegen Celta Vigo, 0:1 bei UD Levante - das sind die jüngsten Liga-Resultate. Gespielt hat Real in beiden Duellen nicht mal schlecht. Das wäre aber egal, wenn die einst Galaktischen am Wochenende zum vierten Mal in Folge sieglos bleiben sollten. Zu Recht schrieb Mundo Deportivo: "Angst vor Barca in Madrid."
Zidane versuchte schon am Abend nach der City-Niederlage, die aufkommenden Anflüge von Panik im Keim zu ersticken. "Wir haben einen schlechten Lauf, aber wir ziehen uns selbst da raus. Sonntag haben wir die Chance dazu." Für den Real-Coach ist es mehr eine Ergebniskrise. Das mag zwar noch stimmen, aber mit der Kroos-Problematik als Zunder kann es ganz schnell gehen mit dem Flächenbrand. Gerade, weil sich der Klub vor fast genau einem Jahr in ähnlicher Lage befand.
Damals warf Barca die Madrilenen innerhalb einer Woche aus dem Pokal und zerstörte im direkten Aufeinandertreffen in der Liga alle Hoffnungen auf die Meisterschaft. Zu allem Überfluss scheiterte Real in der Champions League dann auch noch an Ajax Amsterdam. Nun hat Madrid in der Liga zwei Punkte Rückstand auf Tabellenführer Barcelona. Fünf dürfen es nach Sonntag auf keinen Fall sein. Real-Kapitän Sergio Ramos fasste treffend zusammen: "Es ist kein normales Spiel. Für uns wäre es sehr wichtig, diesen Sieg zu Hause mit unseren Fans zu erringen."