"Er war nur daran interessiert, mehr Geld zu verdienen und weniger zu spielen": Ein Gewinn des Ballon d'Or vergiftete beim FC Barcelona das Klima

Von Peter McVitie / Patrik Eisenacher
Rivaldo-Barcelona-Frust
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Im Camp Nou war kein Platz für zwei solch große Egos: Louis van Gaal und Rivaldo hatten gemeinsam großen Erfolg, konnten sich aber trotzdem nicht leiden. Am Ende knallte es gehörig.

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Als besonders sturer, exzentrischer und herrischer Typ neigte Trainer Louis van Gaal schon immer dazu, mit einigen seiner Spieler aneinander zu geraten. Nachdem er 1991 seinen ersten Vertrag bei Ajax Amsterdam unterschrieben hatte, ließ der Niederländer die Vereinsführung wissen, dass sie gerade den "besten Trainer der Welt" eingestellt habe - und das, obwohl es sich um seine erste Rolle als Chefcoach handelte.

Zum Glück wurde der gebürtige Amsterdamer seinem eigenen Hype gerecht. Doch nicht jeder erkannte den Charme seiner Arroganz. Spieler wie Clarence Seedorf, Winston Bogarde, Luca Toni, Lucio und Giovanni hatten im Laufe der Jahre allesamt große Probleme mit van Gaal, über die sie sich noch lange nach dem Ende ihrer Zusammenarbeit beschwerten.

Die vielleicht intensivste und längste Fehde von allen war jedoch die zwischen van Gaal und dem Brasilianer Rivaldo beim FC Barcelona. Damals prallten zwei enorm große Egos aufeinander: ein Trainer, der von jedem seiner Schützlinge Opfer für die Mannschaft verlangt und einen Weltklasse-Stürmer, der erwartet, dass die Mannschaft defensiv für ihn mitarbeitet.

Sie sorgten gemeinsam für unvergessliche Momente. Am Ende aber brach alles auseinander.

Rivaldo-Barcelona-Jubel
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Louis van Gaal vs. Rivaldo: Die Vorgeschichte

Van Gaal hatte einst eine mäßige Karriere als Spieler erlebt, aber an der Seitenlinie blühte er sofort auf und führte Ajax zu drei Meistertiteln, zwei Champions-League-Endspiele (von denen er eines gewann), dem UEFA-Cup, dem Super Cup und dem Intertoto Cup - eine beeindruckende Ausbeute für einen jungen Trainer, der mit einer ebenso jungen Mannschaft spielte.

Auf der Suche nach dem nächsten Johan Cruyff war es keine Überraschung, dass Barcelona van Gaal 1997 verpflichtete.

Rivaldo hingegen hatte einen längeren und beschwerlicheren Weg ins Camp Nou. Er wuchs in den Favelas von Recife auf und war ein unterernährtes Kind, dem es gelang, sich dank des Fußballs einen Namen zu machen. Mit 18 Jahren wurde Rivaldo Profi und wechselte oft den Verein, bis er bei Palmeiras zum Star wurde.

Der Brasilianer wechselte im Anschluss nach Europa zu Deportivo La Coruña, wo er mit seiner hervorragenden Torquote sofort das Interesse größerer Mannschaften auf sich zog. Deportivo belegte in seiner ersten Saison einen nicht für möglich gehaltenen dritten Platz in LaLiga. Danach ging auch der Brasilianer im Jahr 1997 nach Barcelona.

Rivaldo-Anzug
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Rivaldos überragender Start beim FC Barcelona

Van Gaal und Rivaldo schlugen bei den Katalanen sofort ein. Der niederländische Trainer setzte den brasilianischen Stürmer in die Startelf, wo er auf dem linken Flügel neben Luis Figo und mit Mittelstürmer Sonny Anderson auflief.

Rivaldo brauchte nur 26 Minuten, um bei seinem LaLiga-Debüt für die Blaugrana gegen Real Sociedad ein Tor zu erzielen, danach ließ er noch eines folgen. In 34 LaLiga-Spielen in seiner ersten Saison kam er auf 19 Treffer, als die Katalanen unter van Gaal auf Anhieb den Titel gewannen.

In der Copa del Rey schoss Rivaldo in sieben Einsätzen sogar acht Treffer und führte Barça damit zum Double.

Für beide war es ein fantastischer Start in Barcelona. Aber die Erwartungen und kulturellen Unterschiede machten es Van Gaal schwer, dem Verein - und Spielern wie Rivaldo - seine eigene Philosophie aufzudrücken. Stress war vorprogrammiert.

Rivaldo-Dribbling
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Rivaldos Ansprüche nach dem Ballon d'Or 1999 sorgen für Chaos

In der Saison 1998/99 war Rivaldo unantastbar. Er war im Schnitt an fast einem Tor pro spiel direkt beteiligt, während Barça in LaLiga große Siege einfuhr. Barcelona gewann die Liga erneut mit einem satten Vorsprung von elf Punkten auf Erzrivale Real Madrid. Rivaldo wurde zum zweiten Mal in Folge Zweiter in der Torschützenliste - nur ein Tor hinter Raúl.

Im Sommer 1999 führte er Brasilien dann auch noch zum Erfolg bei der Copa América. Er erzielte fünf Treffer in ebenso vielen Spielen. Im Finale gegen Uruguay (3:0) schnürte er einen Doppelpack und lieferte noch einen Assist.

Rivaldo gewann danach den Ballon d'Or 1999. Bei der Wahl lag er weit vor den Verfolgern David Beckham und Andriy Shevchenko - und das zu Recht.

Dieser individuelle Erfolg aber markierte auch ein Wendepunkt. Laut van Gaal kam Rivaldo am nächsten Tag zu ihm und erklärte, dass er jetzt das Sagen habe, nicht der Trainer. Van Gaal war empört über die Arroganz seines Schützlings und auch verärgert darüber, dass dieser den Beitrag der Mannschaft zum Ballon-d'Or-Gewinn nicht anerkannte.

"Ich habe Rivaldo immer auf der linken Seite eingesetzt", erklärte van Gaal. "Er hat das sehr gut gemacht. Die Mannschaft hat sich an Rivaldo angepasst. Am Tag, nachdem er den Ballon d'Or gewonnen hatte, kam er zu mir. Er meinte, er müsse mit der Mannschaft sprechen. Ich dachte eigentlich, er wolle sich bei ihr bedanken, aber dem war nicht so. Er sagte: 'Ich spiele nicht mehr auf der linken Seite, ich werde von nun an als Nummer 10 spielen'. Ich sagte ihm, dass er dann nicht mehr in der ersten Mannschaft spielen werde und dass er dank seiner Mannschaftskameraden und weil er auf dem linken Flügel spielte, zum besten Spieler der Welt gewählt worden war. Ich habe ihm gesagt, er solle gehen und sich bei seinen Mitspielern für seine Wahl bedanken."

Aber was konnte van Gaal tun? Er musste den besten Spieler der Welt irgendwo unterbringen. In der Saison 1999/2000 lief eine Menge schief. Barça verlor den Titel in der Liga mit fünf Punkten Rückstand auf Deportivo, scheiterte im Halbfinale der Copa del Rey an Atlético Madrid und musste sich im Halbfinale der Champions League dem FC Valencia geschlagen geben. Nach Ansicht des Trainers war Rivaldo daran schuld.

"Er war wichtig für uns und ich habe ihm nachgegeben", sagte er. "Obwohl ich in den spanischen Medien als arrogant dargestellt werde, höre ich auf andere: die Spieler, die Leute im Verein, den Präsidenten. Aber es war zu spät. Deshalb haben wir auch das Halbfinale gegen Valencia verloren."

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Louis van Gaal kommt wieder zum FC Barcelona zurück - mit Folgen für Rivaldo

Van Gaal wurde für die Misserfolge Barcelonas verantwortlich gemacht und schließlich im Sommer 2000 entlassen. Der heute 72-Jährige übernahm damals direkt das Amt des niederländischen Nationaltrainers.

Rivaldo derweil blieb in Barcelona und schoss unter dem neuen Trainer Lorenzo Serra Ferrer wieder nach Belieben Tore.

Dennoch folgte dann eine schlechte Zeit für alle Beteiligten. Van Gaals Oranje schaffte es nicht, sich für die Weltmeisterschaft 2002 zu qualifizieren. Und der FC Barcelona war unter Serra Ferrer eine Katastrophe, obwohl Rivaldo 36 Tore schoss. In der Liga belegte man nur den vierten Platz, schied in der Champions League aus, verlor dann im Halbfinale des UEFA-Cups gegen den FC Liverpool und schied im Halbfinale der Copa del Rey mit 1:4 gegen Celta Vigo aus.

Auch in der darauffolgenden Saison unter Trainer Charles Rexach lief es nicht viel besser und Barça blieb ohne Titel. Der Einfluss von Rivaldo war stark gesunken. In 33 Partien kam er nur auf 14 Treffer. Patrick Kluivert und Javier Saviola zeigten im Angriff viel bessere Leistungen als der Brasilianer.

Barça entschied sich dann dazu, van Gaal noch eine Chance zu geben. Das erste, was der Niederländer tat, als er 2002 zurückkam? Er schmiss Rivaldo aus dem Kader.

2002 erlebte Rivaldo bei der Weltmeisterschaft seinen Höhepunkt.
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Louis van Gaal vs. Rivaldo: Gegenseitige Beleidigungen

Van Gaal kehrte nach der verpassten WM mit den Niederlanden nicht gerade glücklich zurück. Rivaldo hingegen hatte sich in der Zwischenzeit einen noch größeren Namen gemacht. Er war jetzt Weltmeister, hatte Brasilien 2022 mit fünf Toren in Japan und Südkorea zum Titel geführt.

All das beeindruckte van Gaal jedoch nicht - er forderte den Verein sofort auf, ihn zu verkaufen: "Ich habe keine Bedenken, wenn er zu Real Madrid gehen will", sagte er provokant.

Er erklärte später: "Ihm fehlte es an Engagement für den Verein, er war nur daran interessiert, mehr Geld zu verdienen und weniger zu spielen. Er wurde 1999 zum besten Spieler gewählt, aber seither hat er sich nicht gut benommen und sich nicht so verhalten, wie es sich für einen Fußballer gehört. Er machte sich Illusionen über Barça und beantragte Urlaub, wenn wichtige Champions-League-Spiele anstanden. Dann versteckt er sich zu Hause in Brasilien. Er spielt für Brasilien, so wie wir ihn in Barcelona gebraucht haben, und er hat das auch bei der WM-Endrunde bewiesen, als er sich für Japan zurückhielt. Vor drei Jahren habe ich versucht, ihn zu verkaufen, aber Josep Luis Núñez (Barcelonas damaliger Präsident, d. Red.) hat den Transfer verhindert."

Rivaldos Antwort war kurz und scharf: "Er ist neidisch, dass ich eine Weltmeisterschaft gewonnen habe, für die er sich nicht einmal qualifizieren konnte."

Van Gaal aber saß diesmal am längeren Hebel und Rivaldo wurde nach Italien verkauft. Obwohl er nach seinem Abgang zur AC Mailand die Champions League, den UEFA-Super Cup und die Coppa Italia gewann, war er nach seinem Abgang aus Barcelona ein deutlich schwächerer Spieler. In 40 Spielen gelangen ihm nur acht Tore - fünf davon in der Serie A -, da er das Vertrauen von Trainer Carlo Ancelotti nicht gewinnen konnte und so über weite Strecken nicht zum Einsatz kam. Schon im Dezember 2003 ging er wieder - zurück nach Brasilien.

Auch wenn es unter Ancelotti nicht gut lief, war Rivaldo glücklicher als unter van Gaal. "Ancelotti verfolgt mich nicht wie van Gaal in Barcelona. Er ist anders", sagte er. "Carlo ist ein lustiger Mensch, der mit dir redet, aber er lässt mich nicht spielen. Das ist das Problem und ich kenne den Grund dafür nicht."

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Rivaldo: "Louis van Gaal hat das verdient"

Auch die Entlassung seines ungeliebten Spielers brachte van Gaal in Barcelona aber keinen Erfolg. Obwohl Barça in der Champions League größtenteils beeindruckend war, fiel das Team in der Liga auseinander. In der Mitte der Saison 2002/03 stand Van Gaal unter Druck. Eine 2:4-Heimniederlage gegen den FC Valencia und eine 0:2-Niederlage gegen Celta Vigo waren die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Barcelona fiel tatsächlich in die untere Tabellenhälfte.

Im Februar 2003 entschlossen sich die Katalanen dazu, van Gaal zu entlassen. Rivaldo freute sich sogar darüber. "Ich liebe Barcelona, weil ich dort fünf Jahre lang gespielt habe, und ich bin sehr traurig, wenn ich sehe, dass ein Verein dieses Formats und mit diesen Fans im unteren Teil der Tabelle steht", sagte er. "Aber Van Gaal hat es verdient. Denn im Leben und nicht nur im Fußball muss man immer versuchen, ein guter Mensch zu sein. Man kann nicht lügen und versuchen, anderen Menschen zu schaden."

Der Brasilianer fuhr fort: "Über mich hat er zum Beispiel gesagt, ich sei unprofessionell und würde nicht alles für den Verein geben."

An der damaligen schlechten Tabellenplatzierung seien zudem nicht die Spieler, sondern der niederländische Trainer schuld.

Van Gaal ging im Anschluss zurück in die Niederlande zur AZ Alkmaar und feierte dort einige Erfolge - bevor er mit Bayern München das Double gewann und 2010 das Champions-League-Finale gegen Inter verlor.

Rivaldo kehrte nach Brasilien zurück und ließ seine Karriere in Griechenland ausklingen. 2015 beendete er seine Laufbahn endgültig.