"Löw ist normal geblieben"

Von Interview: Fatih Demireli
Tayfun Korkut arbeitete in Hoffenheim und Stuttgart und wechselte dann zum Verband
© Imago

Tayfun Korkut ist seit Anfang des Jahres Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft. Für den gebürtigen Stuttgarter ist es die nächste Etappe einer jetzt schon ereignisreichen Karriere. Sowohl die Spieler- als auch die Trainerkarriere machte jeweils Halt in Deutschland, Spanien und schließlich Türkei. Im SPOX-Interview spricht Korkut über den neuen Job, Begegnungen mit Ralf Rangnick und seine gute Beziehung mit Joachim Löw und Vicente del Bosque.

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SPOX: Herr Korkut, in einem Interview direkt nach Ihrem Karriereende sagten Sie: "Irgendwann will ich eine tragende Rolle spielen." Jetzt sollen Sie gemeinsam mit Abdullah Avci und Okan Buruk dem türkischen Fußball auf die Beine helfen. Ist das die tragende Rolle, die Sie wollten?

Tayfun Korkut: Wie wichtig man ist, hängt von einem selbst ab. Ich habe mich in den letzten Jahren darauf vorbereitet, in so eine Rolle zu schlüpfen. Ich habe das schon als Spieler so gehandhabt, dass ich vorweg gehe und mein Bestes gebe. So ist es auch als Trainer. Alles, was ich mir angeeignet habe, will ich hier einbringen.

SPOX: Bei Ihrer vorherigen Station waren Sie selbst der Chef. Sie waren U-19-Trainer beim VfB Stuttgart. Auch dies war eine tragende Rolle in einem der besten Nachwuchsabteilungen Deutschlands. Wie kam es zum Wechsel?

Korkut: Ich habe im Dezember einen Anruf bekommen, dass ich die Möglichkeit hätte, als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft zu arbeiten. Wir hatten ein sehr positives Gespräch mit Abdullah Avci. Ich habe mich dafür entschieden, weil das ein wichtiger Schritt ist.

SPOX: Avci hatte Sie ja vorher überhaupt nicht gekannt, oder?

Korkut: Nein. Daher ist es auch eine Anerkennung für mich, dass der Nationaltrainer an seiner Seite jemanden haben will, den er überhaupt nicht kannte. Das zeigt aber auch seine Qualität, dass er genau darauf schaut, wer in sein Team passen und weiterhelfen könnte.

SPOX: Sie waren mit dem VfB zum Zeitpunkt Ihres Wechsels Tabellenführer der U-19-Bundesliga. Von daher war Ihr Wechsel auch etwas überraschend.

Korkut: Ich weiß nicht, ob man einen Trainer immer nur nach dem Tabellenplatz beurteilen kann. Ich war bei einem sehr guten Verein, mit einer sehr guten Mannschaft, mit der wir Herbstmeister geworden sind. Da geht man mit einem weinenden Auge, aber so ist das Trainergeschäft nun mal. Ich muss mich beim VfB bedanken. Ich habe dort gute Eindrücke und neue Erfahrungen gesammelt. Der Verein hat sich mir gegenüber sehr fair verhalten, als die Anfrage vom türkischen Verband kam. Da waren sie sehr offen und haben mir keine Steine in den Weg gelegt. Das zeugt von Klasse.

SPOX: Vicente del Bosque, einer Ihrer Ex-Trainer, hat mal gesagt: "Wenn du ein guter Trainer werden willst, fang' in der Jugend an." War das für Sie ein Fingerzeig?

Korkut: Wenn man ein guter Trainer werden will, muss man nicht unbedingt über die Jugend gehen. Da gibt es viele Beispiele. Aber in der Ausbildung bringt es dich schon weiter, wenn du den "Jugend-Weg" wählst. Ich bin froh, dass ich ihn gegangen bin. Ich hätte mir gut vorstellen können, noch zwei Jahre beim VfB Stuttgart zu arbeiten. Das wäre kein Rückschritt gewesen. Zumal es weiterhilft.

SPOX: Inwiefern?

Korkut: Eine Jugendmannschaft zu trainieren, bereitet dich in vieler Hinsicht auf höhere Aufgaben vor. Ein Beispiel: Es ist enorm wichtig, wie du vor einer Mannschaft stehst. Wenn du Dich in der Jugend darauf vorbereiten kannst ist das mit Sicherheit von Vorteil. Wenn du dann vor Top Spielern stehst und nervös bist, fällt das auf. Je sicherer du wirkst, desto besser ist es. Als Spieler fängt man auch in der Jugend an und entwickelt sich.

SPOX: Wie groß war der Unterschied zwischen Ansprache U 19 beim VfB und Ansprache bei der türkischen Nationalmannschaft?

Korkut: So groß war er gar nicht. Aber du stehst eben sicherer da, wenn du es vorher schon öfters gemacht hast und eine gewisse Erfahrung mitbringst. Oben hast du nicht so viel Zeit, dich zu entwickeln. Wenn ein kleines Rädchen nicht funktioniert, hast du ein Problem.

SPOX: Sie haben in Spanien gespielt und als Jugend-Trainer gearbeitet. Sie haben in Deutschland gespielt und als Jugend-Trainer gearbeitet. Was überwiegt mehr in Ihrem Trainer-Dasein? Der deutsche oder der spanische Tayfun Korkut?

Korkut: Der Spanische, ganz klar. Ich habe im Jugendbereich gearbeitet, aber auch sehr viel hospitiert. Dadurch, dass ich Spieler in Spanien war und Menschen kennenlernen konnte, hatte ich die Möglichkeit, in großen Vereinen, die auch richtig gute Jugendarbeit machen, reinzuschnuppern. Ich war bei Villarreal, ich war bei meinem Ex-Klub Espanyol Barcelona, Valencia und auch beim FC Barcelona. Ich bin ein Jahr lang nur durch die Gegend gereist, um zu hospitieren und zu lernen. Ich hatte das Ziel, etwas Neues zu sehen und Sachen zu festigen, von denen ich ohnehin überzeugt war. Das hat mich angeschoben, wie ein spanischer Trainer zu denken und somit das spielerische Element in den Vordergrund zu stellen.

SPOX: Wie hat sich der "Spanier" Tayfun Korkut im deutschen Fußball eingefunden?

Korkut: Der deutsche Fußball hat sehr viel Positives. Vor allem ist er sehr gut strukturiert und dadurch professionell aufgestellt, was mich weitergebracht hat. Schon in der U 19 und in der U 17 hat man als Trainer schon einen gewissen Druck. Da ist es nicht so, dass man davon ausgehen kann, dass man am Wochenende gewinnt. Die Unterschiede sind nur in Nuancen auszumachen. Somit ist man auch als Trainer sehr gefordet.

SPOX: Sie waren in Deutschland nicht nur in Stuttgart tätig, sondern auch bei 1899 Hoffenheim, wo Sie in die U 17 trainierten. Wie kam es dazu?

Korkut: Ich habe damals in Spanien gelebt und Hoffenheim kam zum Trainingslager. Über Xaver Zembrod, der jetzt in Freiburg arbeitet und damals Jugendtrainer in Hoffenheim war, kam der Kontakt zustande, so dass ich dort hospitieren konnte. Ein paar Wochen später wollte Hoffenheim die spanischen Klubs unter die Lupe nehmen, weil man die Nachwuchsabteilung neu aufbauen wollte. Der Verein wollte neue Wege gehen, wie wir es jetzt in der Türkei vorhaben. Ich habe Hoffenheim geholfen, habe die Verantwortlichen bei der Reise begleitet und wurde schließlich gefragt, ob ich mir es vorstellen könnte, nach Deutschland zu kommen und zu arbeiten. Ich wusste, dass in Hoffenheim sehr viel passiert. Daher war das sehr interessant für mich.

SPOX: Wie war Ihre Verbindung zu Ralf Rangnick? Hat er Sie geprägt?

Korkut: Ich durfte bei ihm in der A-Mannschaft hospitieren. Was ich sehr gut fand, war, dass zu den Trainingslagern im Sommer oder Winter ein, zwei Jugendtrainer mitgenommen wurden und wir hautnah an der Mannschaft waren. Ich hatte sehr, sehr viele gute Trainer. Von jedem nimmt man was mit. So war es auch bei Rangnick.

SPOX: Wer hat Sie am meisten geprägt?

Korkut: Man kann von jedem etwas mitnehmen. Ich hatte Carlos Albert Perreira als Trainer, der als Weltmeister zu Fenerbahce kam. Er hat mich als Spieler sehr gefördert. Vicente del Bosque war in seiner Mannschaftsführung sehr gut. Jogi Löw hatte ein sehr gutes Gefühl für die Gruppe und konnte eine sehr gute Beziehung zu den Spielern aufbauen. Das ist fast genauso wichtig wie fachliche Kenntnisse. Ich war zwar nur sechs Wochen Spieler von Miguel Angel Lotina, der heute bei Villarreal arbeitet aber ich habe sehr viel von seinem taktischen Wissen lernen können.

SPOX: Sie haben einen sehr guten Draht zu Vicente del Bosque. Was sagt er zu Ihrer neuen Etappe?

Korkut: Ja, ich kenne ja nicht nur ihn, sondern sein gesamtes Trainerteam. Sie waren alle schon bei Besiktas. Er hat sich für mich gefreut. Ich habe mich mit ihm ausgetauscht, wie die Verbandsebene in Spanien funktioniert. Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder Kontakt zu ihm, aber auch zu Jogi Löw, der mich beobachtet hat. Ich habe mir auch von ihm Tipps geholt.

SPOX: Es gibt sicher schlechtere Ratgeber als del Bosque und Löw...

Korkut: Oh ja! Ich bin froh, dass ich mit Ihnen nicht nur als Spieler zusammengearbeitet habe, sondern heute immer noch Kontakt halten kann. Ich weiß, dass ich immer auf offene Ohren treffe, wenn ich Fragen habe. Vicente und Jogi sind sich sehr ähnlich, weil sie sehr normal geblieben sind. Sie nehmen sich nicht wichtiger als andere. Das imponiert mir. Du musst als Trainer einen Weg vorgeben, aber die Spieler müssen dich begleiten und mit dir diesen Weg gehen wollen. Um dies zu erreichen ist eine natürlicher und ehrlicher Umgang mit Topspielern sehr wichtig.

SPOX: Sie fangen beim türkischen Verband als Co-Trainer an. Genauso wie damals Jogi Löw, der jetzt Bundestrainer ist. Wollen Sie es ihm nachmachen?

Korkut: Da ich ihn sehr gut kenne, kann ich das sagen: Als Jogi Löw das Angebot angenommen hat, unter Jürgen Klinsmann zu arbeiten, hatte er bei Amtsantrit sicher nicht die Absicht Cheftrainer zu werden. So ist es bei mir auch. Ich sehe das als nächsten Schritt meiner Trainerkarriere. Ich bin ganz gut vorbereitet: Ich habe im Jugendbereich in zwei wichtigen Fußball-Ländern auf höchstem Niveau gearbeitet und habe da meine Erfahrungen gesammelt. Mein nächstes Ziel ist es, in meiner neuen Rolle erfolgreich zu arbeiten und den Trainer zu unterstützen. Ich will mich hier nicht profilieren, sondern helfen die Mannschaft weiterzuentwickeln. Wo das dann endet wird man sehen.

SPOX: Wie sieht die Zukunftsplanung aus?

Korkut: Mein Ziel ist, irgendwann wieder als Cheftrainer in einer Vereinsmannschaft zu sein. Dieser Weg ist aber nicht immer so einfach. Ich habe Vertrag bis zur WM 2014, für die wir uns unbedingt qualifizieren wollen. Manchmal entwickeln sich Sachen schneller als man denkt. Mein Trainerdasein wird nach der Nationalmannschaft nicht zu Ende sein. Ich habe vor sechs Monaten, als ich meinen Fußball-Lehrer in Köln gemacht habe, die Möglichkeit bekommen, zum VfB zu wechseln und hatte dort auch einen längeren Vertrag. Es ist schwierig als Trainer längerfristig zu planen.

SPOX: Die Gegenwart heißt Türkei, mit der es gilt die WM 2014 zu erreichen, aber auch den Umbruch zu starten. Die Türkei hat ein relativ junges Trainerteam, Sie eingeschlossen. Wie groß ist der Reiz, als junge Wilde den türkischen Fußball zu retten?

Korkut: Ich weiß nicht, ob das Prädikat "jung" so wichtig ist. Der Trainer selbst ist gar nicht so jung und hat viele Jahre in der türkischen Liga Erfahrung mit einer kleineren Mannschaft gesammelt. Er hat es vor allem geschafft, kontinuierlich über mehrere Jahre mit einer Mannschaft zu arbeiten, was in der Türkei gar nicht so einfach ist und vor allem hat er Erfolg gehabt. Wir haben als Trainerteam sicher nicht 20 Jahre auf dem Buckel und haben nicht bei den ganz großen Klubs gearbeitet, aber wir sind offen und hungrig. Die Zusammenstellung wird funktionieren.

SPOX: Das erste Spiel ging Ende Februar gegen die Slowakei verloren, was aber fast zu erwarten war, weil die Mannschaft komplett neu zusammengestellt worden war. Die Medien waren dennoch extrem kritisch und fragten: "Wie lange geht das gut?" Die Wucht sind Sie gewohnt, oder?

Korkut: (lacht) Die sind wir alle gewohnt, so dass diese Wucht keine große Überraschung war. Der Cheftrainer hat in der Türkei gearbeitet, Okan Buruk und ich haben viel internationale Erfahrung. Mit dem Medienrummel müssen wir leben. Letztlich ist für uns nur wichtig, dass wir das verfolgen, was wir vorhaben. Und auf diesem Weg ist die Presse nun mal Dein ständiger Begleiter.

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