"Traurig, wütend, nachdenklich"

SID
Andreas Beck wechselte 2015 aus Hoffenheim nach Istanbul
© getty

Andreas Beck spielt in seiner zweiten Saison bei Besiktas. In seiner SPOX-Kolumne schreibt er über ein "ungewöhnliches" Weihnachten, zieht Bilanz aus seinem Jahr in Istanbul und betont dabei, dass er sich trotz aller Umstände wohlfühlt.

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Liebe Freunde,

es gibt ja verschiedene Arten, Heiligabend zu feiern. Zu Hause, bei Familienmitgliedern, bei Freunden, in der Kirche oder irgendwo im Urlaub unter Palmen. Ich habe mir in diesem Jahr einen etwas ungewöhnlichen, aber auch sehr schönen Ort "ausgesucht": unsere Vodafone-Arena. Wir haben um 19 Uhr Ortszeit ein Ligaspiel gegen Gaziantepspor.

Wie gesagt: Nicht gerade das klassische Weihnachtsfest, aber auch kein Problem für mich. Ich bin Gast in diesem Land und passe mich dementsprechend an, das ist ja selbstverständlich. Außerdem haben wir auch im vergangenen Jahr schon rund um Weihnachten gespielt. Und bei den Engländern hat das ebenfalls Tradition.

Andreas Beck bei Facebook

Ich werde die Feierlichkeiten aber natürlich nachholen. Wir haben am 27. Dezember noch ein Pokalspiel und danach ein paar Tage frei. Da werde ich dann zusammen mit meiner Frau und Tochter nach Deutschland fliegen und eine schöne Zeit mit unseren Familien verbringen. Darauf freue ich mich sehr. Ich werde ein bisschen Kraft tanken für die zweite Hälfte der Saison, in der wir noch einiges vorhaben.

Wohlfühlen in Istanbul

Mit der bisherigen Bilanz können wir ganz zufrieden sein, zumal wir einen kleinen Umbruch im Team hatten. In Mario Gomez und Jose Sosa haben wir unseren besten Torschützen und den besten Vorlagengeber verloren. Trotzdem haben wir sowohl in der Liga als auch in der Champions League nur eine einzige Partie verloren.

Die in der Königsklasse hat dann aber leider auch gleich zum Ausscheiden geführt. Das war extrem bitter und hat geschmerzt. Aber die Europa League ist für uns mehr als nur ein Trostpflaster. Wir werden jetzt alles dafür geben, um dort eine gute Figur abzugeben.

Auch für mich persönlich war 2016 ein aufregendes Jahr. Ich bin gleich in meiner ersten Saison bei Besiktas als Stammspieler Meister geworden. Ein unvergessliches Erlebnis. Was da in unserem Stadion und in der Stadt los war - das war einfach der Wahnsinn. Dazu stand ich in der Champions League in allen sechs Spielen in der Startformation. Kurzum: Ich fühle mich rundum wohl hier. Aber nicht nur sportlich, sondern auch privat.

"Traurig, wütend, nachdenklich"

Gebt es zu: Der eine oder andere von euch hat jetzt kurz gestockt und sich gefragt: Wie? Der Andi Beck fühlt sich in Istanbul wohl? Hat der nicht bekommen, was dort in den vergangenen Monaten passiert ist?

Hat er sehr wohl, ich laufe nicht mit Scheuklappen durch die Gegend und verfolge die Entwicklung sehr aufmerksam. Der letzte Anschlag in Istanbul hat sich ja auch nach einem unserer Heimspiele ereignet, eine Bombe ging direkt neben dem Stadion hoch.

An einer Stelle, an der ich eine halbe Stunde zuvor noch entlanggefahren bin. Da ist man natürlich geschockt, wenn man diese schrecklichen Bilder und das unvorstellbare Leid der Opfer und ihrer Angehörigen sieht. Das macht traurig. Wütend. Nachdenklich.

Solidarität ist wichtig

Aber ich finde es wichtig, gerade in solchen Momenten, auch Solidarität mit den Menschen hier zu zeigen. Die uns in dieser wunderschönen Stadt so unglaublich herzlich aufgenommen haben. Und die sich ihren Mut und ihre Lebensfreude auch in so schwierigen Situationen nicht nehmen lassen. Das finde ich beeindruckend. Und ich versuche, von ihnen zu lernen.

Ich wünsche euch allen von ganzem Herzen ein gesundes und glückliches Weihnachtsfest sowie einen guten Start ins neue Jahr.

Euer Andi Beck

Andreas Beck im Steckbrief

Andreas Beck, geboren am 13. März 1987 in Kemerowo (Russland), durchlief sämtliche Junioren-Nationalmannschaften des DFB und spielte ab 2009 neun Mal für die Nationalmannschaft. Beck spielte über 200 Mal in der Bundesliga und wurde 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister. Ein großer Erfolg war auch die Europameisterschaft 2009 mit der U21-Nationalmannschaft. Nach über zehn Jahren in der Bundesliga wechselte Beck zu Beginn der Saison zu Besiktas in die Türkei.

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