Bei Papiss Demba Cisse haben die meisten Fans wohl sofort das gleiche Bild vor Augen. Einwurf für Newcastle von der linken Seite, der Ball prallt von Shola Ameobis Brust ab und landet knapp zwei Meter vom linken Sechzehnereck entfernt.
Cisse fasst sich ein Herz, nimmt den springenden Ball mit dem rechten Außenrist direkt und versenkt ihn mit unfassbarer Flugkurve im langen Eck. Ein Moment für die Premier-League-Geschichte, da änderte auch ein sich vergeblich streckender Chelsea-Torhüter Petr Cech nichts dran.
"Ich konnte natürlich nicht ahnen, dass der Ball so fliegen würde", erinnert sich der mittlerweile 34-Jährige bei The Athletic an sein Traumtor aus dem Jahr 2012 zurück. "Du hoffst es natürlich, aber so ein Tor gelingt dir einmal in deiner Karriere. Das war lächerlich, wirklich nur Instinkt."
Bundesligafans war Cisse natürlich schon vor diesem Gemälde von einem Treffer ein Begriff, empfahl sich der Stürmer einst beim SC Freiburg für höhere Aufgaben. Eine Zeit, an die der Senegalese gerne zurückdenkt.
"Das Team hat dort für mich gearbeitet. Der Trainer sagte zu mir: 'Papiss, du bist ein Killer. Wir kreieren Chancen, du musst sie nur verwerten.' Also habe ich die Mentalität entwickelt, immer dort zu sein, wo es gefährlich werden könnte", so Cisse, der damals unter Marcus Sorg, heutiger Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft, aufblühte.
Newcastle überweist zwölf Millionen Euro für Papiss Demba Cisse an Freiburg
37 Tore in 65 Bundesligaspielen veranlassten Newcastle United im Januar 2012 dazu, zwölf Millionen Euro für seine Dienste auf den Tisch zu legen. Bei den Magpies netzte er zu Beginn hervorragend, weshalb er schnell zum Publikumsliebling mutierte. "Ich kam in bester Verfassung an, ich genoss den Fußball einfach und spielte im besten Team meiner Karriere", blickt er heute auf diese Zeit zurück.
Es lief so gut, dass Newcastle mit Spielern wie Demba Ba, Hatem Ben Arfa oder Jonas Gutierrez sogar nur knapp eine Teilnahme an der Champions League verpasste. Folglich ging man in der darauffolgenden Saison in der Europa League an den Start, wo Cisse und Co. gar bis ins Viertelfinale vorrückten. In der Liga lief es hingegen weniger gut, beendete man die Saison nämlich nur knapp über dem berüchtigten Strich.
Es folgten zwei weitere Jahre Mittelmaß, ehe im Sommer 2016 der Abstieg in Liga zwei den Klub schockierte. Für Cisse war es Zeit zu gehen, nachdem er nach grandiosem Start im Laufe der Jahre auch das ein oder andere Mal negativ aufgefallen war. Ende 2014 wurde er für einen Ellbogenschlag gegen Evertons Seamus Coleman für drei Spiele gesperrt, wenige Monate später war er nach einer Spuckattacke gegen Jonny Evans von Manchester United gleich sieben Spiele raus.
"Ehrlicherweise wäre ich gerne geblieben und hätte dem Klub geholfen, wieder aufzusteigen, aber ich hatte nur noch ein Jahr Vertrag und das Angebot aus China war gut für den Klub", sagt er über seinen Abschied im Juli 2016. "Als der Verein das Angebot annahm, hatte ich das Gefühl, dass es Zeit ist, zu gehen. Aber Newcastle wird immer in meinem Herzen bleiben."
Er ging zu Shandong Luneng Taishan in Chinas erste Liga und es folgte eine persönlich harte Zeit.
"China ist eine andere Welt. Ich war nur dort wegen Fußball, hatte mein Apartment am Trainingsgelände", führt er aus. "Überall, wo ich sonst gelebt habe, habe ich eigentlich versucht, die Kultur, die Religion und die Mentalität kennenzulernen, aber Jinan war so groß, so gewaltig."
Papiss Cisse über Tod von Kumpel Cheick Tiote: "Wollte nur alleine sein"
Knapp ein halbes Jahr später wechselte mit Cheick Tiote ein ehemaliger Newcastle-Mitspieler, der ihm einst bei seinem Wechsel nach England in der Anfangszeit eine große Hilfe war, ebenfalls nach China. Tiote habe sich damals um ihn gekümmert "wie um einen Bruder", schwärmt Cisse noch sieben Jahre später über die Anfänge ihrer Freundschaft.
Umso härter traf es ihn, als Tiote kurze Zeit später völlig unerwartet nach einem Zusammenbruch im Training an den Folgen eines Herzinfarkts starb. Eine Woche nach dem letzten Treffen der beiden Kumpels.
"Wir lachten und alberten herum. Ich hatte ihm gesagt, dass ich während der Länderspielpause in der kommenden Woche wieder kommen werde, um Zeit mit ihm zu verbringen", erinnert sich Cisse an seinen Ausflug in die knapp 400 Kilometer entfernte Hauptstadt Peking. "Wir sind als Freunde auseinandergegangen. Ich saß in einem Taxi, als ich von seinem Tod erfahren habe, schlug mit voller Wucht in den Sitz. Ich wollte in diesem Moment einfach nur alleine sein."
Papiss Cisse erlebt bei Alanyaspor nächste Tragödie
Cisse spielte nach diesem Schicksalsschlag noch eine weitere Saison in China, ehe es im Alter von 33 Jahren noch einmal einen Tapetenwechsel gab. Alanyaspor holte den Angreifer in die Süper Lig, wo er in seiner ersten Spielzeit in 26 Spielen 16-mal einnetzte und somit drittbester Torschütze im Wettbewerb war.
Doch seine guten Leistungen in seinem ersten Jahr an der Türkischen Riviera wurden von der nächsten Tragödie überschattet. Ende April traten Cisse und sechs weitere Spieler von Alanyaspor die Heimreise nach einem Auswärtsspiel bei Kayserispor in einem privat organisierten Van an, als die beiden Fahrer einschliefen und die Kontrolle über den Wagen verloren. Mitspieler Josef Sural überlebte den Unfall nicht, Cisse und die anderen Mitfahrer erlitten leichte Verletzungen. Die Fußballwelt stand erneut unter Schock.
Alanyaspor grüßt in der Türkei von der Tabellenspitze
Alanyaspor beendete die Saison schließlich auf dem neunten Platz, gewann keines der verbleibenden vier Saisonspiele. Umso überraschender ist es, dass man in der laufenden Saison nach sieben Spieltagen von der Tabellenspitze grüßt. Mittendrin: Toptorjäger Cisse, der bereits sechsmal erfolgreich war und damit aktuell Zweiter in der Torschützenliste ist.
Cisse, der in seiner langen Karriere noch nie den Gewinn eines Titels feiern durfte, erlebt derzeit seinen zweiten, wenn nicht sogar dritten Frühling. "In meiner Heimat bin ich nicht lange zur Schule gegangen, aber die vielen Reisen und Abenteuer haben meiner Bildung geholfen", blickt er auf seinen Weg über Frankreich, Deutschland, England, China und nun eben die Türkei zurück.
Vielleicht gelingt es ihm ja, im Herbst seiner Karriere doch noch eine Trophäe einzusammeln. Auch wenn das einer großen Überraschung gleichkäme, Alanyaspor wäre das nach den tragischen Ereignissen zu gönnen - und dem sympathisch auftretendem "Killer" aus Freiburg sowieso.
Papiss Demba Cisse im Steckbrief
Geburtstag | 3. Juni 1985 |
Geburtsort | Dakar, Senegal |
Position | Sturm |
Starker Fuß | Rechts |
Profivereine | AS Douanes Dakar, FC Metz, AS Cherbourg (Leihe), LB Chateauroux (Leihe), SC Freiburg, Newcastle United, Shandong Luneng Taishan, Alanyaspor |