"Hau mal den Rummenigge um"

Von Interview: Jochen Tittmar
Marco Rummenigge muss im Alter von nur 22 Jahren seine Fußballerkarriere beenden
© Imago

Mit nur 22 Jahren muss Marco Rummenigge, der Sohn von Ex-Dortmunder Michael und Neffe von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz, seine Fußballerkarriere an den Nagel hängen. Sein Knie ist zu beschädigt. Dabei war er als Jugendlicher auf einem richtig guten Weg. Im Interview spricht Rummenigge über Vor- und Nachteile seines berühmten Nachnamens, seine Zeit beim BVB und die Verletzungsseuche.

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SPOX: Herr Rummenigge, welchen Vorteil hat es, einen berühmten Nachnamen zu tragen?

Marco Rummenigge: Das muss man aus zwei Blickwinkeln betrachten: Auf der einen Seite öffnet sich natürlich die eine oder andere Tür mehr. Auf der anderen Seite musste ich ja selbst spielen, da hilft mir kein berühmter Vater und Onkel. Für mich war der Nachname nie ein Problem, auch wenn ich natürlich oft damit konfrontiert wurde. Ich habe mich immer untergeordnet und nie etwas gefordert, nur weil ich Rummenigge heiße. Ich wollte immer, dass man den Marco beurteilt und nicht den Michael oder Karl-Heinz.

SPOX: Wie oft sehen Sie denn Ihren Onkel?

Rummenigge: Wenn der BVB in München oder die Bayern in Dortmund spielen, gibt es immer ein großes Familientreffen. Auch bei Familienfeiern sieht man sich. Wir haben ein recht gutes Verhältnis.

SPOX: Welche Erfahrungen haben Sie im sportlichen Wettstreit mit Ihrem Nachnamen gemacht, gerade, was Neid oder Missgunst angeht?

Rummenigge: Im Jugendbereich gab es das häufiger. Da wurden Gegenspieler auf mich abgestellt und es gab Rufe von draußen. 'Hau mal den Rummenigge um' und solche Dinge. Das war ganz normal für mich. Es hätte sich für mich eher unnormal angefühlt, wenn es anders gewesen wäre. Ich heiße halt nun einmal so, damit kann man sich schon arrangieren (lacht).

SPOX: Wie hat sich diesbezüglich Ihre Sichtweise in den vergangenen Jahren verändert? Als Kind sieht man das ja sicherlich anders als als Erwachsener.

Rummenigge: Natürlich war man stolz, dass man so heißt. Aber ich kann ja auch nichts dafür, ich wurde in diese Familie hineingeboren. Mit der Zeit habe ich dann ganz normal den Antrieb entwickelt, mich selbst zu verwirklichen und nach meinen eigenen Leistungen beurteilt zu werden.

SPOX: Haben Sie auch einmal den Gedanken gehabt, etwas anderes zu machen, um den Vergleichen aus dem Weg zu gehen?

Rummenigge: Eigentlich nie. Ich habe Fußball gespielt, weil es mir Spaß gemacht hat. Das wäre auch so gewesen, wenn ich Müller, Maier oder Schmidt heißen würde. Bei uns zuhause war und ist Fußball das große Thema. Da das zudem die Sportart Nummer eins in Deutschland ist, landet man als kleiner Knirps recht schnell bei diesem Sport (lacht). Ich wurde nie zum Fußball gedrängt. Dass es für mich dann bergauf ging, lag weniger an meinem Vater als am Ehrgeiz, den man als junger Kerl eben entwickelt.

SPOX: Ihr Ehrgeiz brachte Sie in den bezahlten Fußball. Nun haben Sie nach mehreren Knieoperationen einen Antrag auf Sportinvalidität gestellt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Rummenigge: Im Oktober 2009 hatte ich meine bereits vierte Knieoperation. Ich habe versucht, erneut eine Reha zu machen, musste aber feststellen, dass es nicht richtig vorwärts ging. Es wurde eher schlimmer. Das Knie wurde immer wieder dick.

SPOX: Wieso konnte man Ihnen keine Hoffnung mehr machen, Ihre Karriere fortzusetzen?

Rummenigge: Das Knie war durch diese ganzen Schäden einfach komplett instabil. Da ist beim derzeitigen medizinischen Stand einfach nichts zu machen. Vier Operationen in gut drei Jahren waren zu viel.

SPOX: Wie lange hat es letztlich gedauert, bis Sie diese finale Entscheidung getroffen haben?

Rummenigge: Das stand seit Jahresbeginn fest. Um die Weihnachtszeit herum habe ich noch überlegt, welche weiteren medizinischen Alternativen es noch für mich gibt. Ich habe es mit einer Spritzenkur versucht, aber das Knie hält den Belastungen des Hochleistungssports einfach nicht mehr Stand.

SPOX: Den Kreuzbandriss, von dem Sie sprachen, zogen Sie sich mit 17 zu. Zudem verletzten Sie sich an der Schulter und fielen eineinhalb Jahre aus. Wie schwer war es für Sie, diese Schicksalsschläge psychisch zu verarbeiten?

Rummenigge: Damals wusste ich noch gar nicht, was das für mich bedeutet. Das war die erste richtige Verletzung, die ich je hatte. Und das ausgerechnet in der Entwicklungsphase. Ich stand zu der Zeit vor dem Sprung zu den Profis beim BVB. Da kam alles zusammen.

SPOX: Wie oft haben Sie dieser verpassten Chance bei den Profis hinterher getrauert?

Rummenigge: Ich habe mich anfangs natürlich maßlos geärgert. Ich hatte bereits zwei, drei Einheiten mit den Profis absolviert. Der Chance trauert man schon hinterher, vor allem wenn man sieht, dass ehemalige Mannschaftskameraden mittlerweile in der Bundesliga spielen.

SPOX: Wie eng war damals der Kontakt für Sie als Jugendspieler zu den Verantwortlichen der Profis?

Rummenigge: 2006 wurde das neue Trainingsgelände gebaut. Da hatte man dann direkten Kontakt zu den Profis, auch weil man parallel zu ihnen trainiert hat. Zudem wurden Fördertrainingseinheiten eingeführt, bei denen man einmal pro Woche mit den Profis trainieren durfte. Das war für uns Jugendliche eine richtig gute Maßnahme.

SPOX: Sie haben seit der C-Jugend beim BVB gespielt und sind dann zu Waldhof Mannheim gewechselt. Wieso haben Sie den Verein überhaupt verlassen?

Rummenigge: Ich habe neben der A-Jugend auch schon in der zweiten Mannschaft gespielt. Im ersten Jahr lief es dort sehr gut für mich, im zweiten habe ich nicht mehr regelmäßig gespielt. Grundsätzlich ist es so, dass ich ja in Dortmund aufgewachsen bin und einfach Lust hatte, ein neues Umfeld kennen zu lernen und bei einer ersten Mannschaft zu spielen. Ich wollte mich verändern, etwas Neues kennen lernen und nicht immer wohlbehütet zuhause sein.

SPOX: Woher kam diese Lust nach Veränderung?

Rummenigge: Ich wollte einfach selbständiger werden und auch einmal in einer anderen Stadt leben. Mir wurde früher viel abgenommen. Ich hatte schon immer vor, frühzeitig von zuhause auszuziehen. Zudem lief mein Vertrag aus. Letztlich war das für mich die richtige Entscheidung.

SPOX: Bevor Sie nach Mannheim gewechselt sind, haben Sie ein Probetraining bei Eintracht Frankfurt absolviert. Wieso wurde das nichts?

Rummenigge: Das Angebot der Eintracht sah so aus, dass ich in regelmäßigen Abständen bei den Profis hätte mittrainieren können und bei den Amateuren gespielt hätte. Die Frankfurter Amateure spielten damals aber noch eine Liga unter den Dortmundern. Dazu kommt das Risiko, dass ein Profi zu den Amateuren abgestellt wird und dann für dich spielt, obwohl deine Leistungen zuvor gestimmt haben. Das hat mir nicht geschmeckt.

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SPOX: Das war in Mannheim anders.

Rummenigge: Genau. Dort kam für mich ja nur das Seniorenteam in Frage. Dort gab es auch eine andere Altersstruktur. Genau so hatte ich mir das vorgestellt. Bis eben die Verletzungen wieder zugeschlagen haben.

SPOX: Jetzt, wo das Karriereende feststeht: Wie geht es für Sie weiter?

Rummenigge: Ich habe 2007 mein Abitur gemacht. Das war mir sehr wichtig, neben dem Fußball noch eine Ausbildung zu absolvieren. So wurde ich auch erzogen. Man weiß ja nie, was passiert, gerade nach meinem Kreuzbandriss im selben Jahr. Nach dem Abitur habe ich in Iserlohn ein Studium im Bereich Sporteventmanagement begonnen. Das habe ich in Mannheim als Fernstudium fortgesetzt. Mittlerweile bin ich wieder in Dortmund und werde Mitte nächsten Jahres den Bachelor in BWL in der Tasche haben.

SPOX: Haben Sie Angst vor der Zukunft?

Rummenigge: Nein. Das war vielleicht in der Rehazeit so, weil ich nicht wusste, wie und ob es weiter geht. Jetzt habe ich wieder neue Ziele. Ich möchte anschließend den Master machen und später bei einer Sportagentur oder generell im operativen Management arbeiten.

SPOX: Ich wünsche Ihnen dabei viel Glück. Eine letzte Frage habe ich aber noch: Sind Sie eigentlich Bayern- oder Dortmund-Fan?

Rummenigge: Ich bin Dortmund-Fan, auch wenn ich etwas zwiegespalten bin und auch mal mit den Bayern mitfiebere. Aber Dortmund war mein Verein, daran hängt mein Herz.

Marco Rummenigge im Steckbrief

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