Kommentierende Analyse zum DFB-Team: Warum Flicks Vertrauen in Werner und Sane nachvollziehbar ist

dfb
© getty

Mit dem 5:2 gegen Italien hat die deutsche Nationalmannschaft einen symbolisch wichtigen Sieg eingefahren. Zwei Aspekte dürften Trainer Hansi Flick dabei besonders gefreut haben. Zwei Sorgenkindern rechtfertigten das aus unterschiedlichen Gründen in sie gesteckte Vertrauen zumindest teilweise. Eine kommentierende Analyse.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Es war nur ein Spiel in der erst kürzlich erfundenen Nations League, aber an diesem warmen Dienstagabend in Mönchengladbach wurde trotzdem Fußball-Geschichte geschrieben: Erstmals in ihrer von Titeln gespickten Historie besiegte die deutsche Nationalmannschaft Angstgegner Italien in einem Pflichtspiel nach regulärer Spielzeit.

Nein, sie besiegte Italien nicht nur. Sie zerlegte Italien: 5:2, wobei es zwischenzeitlich 5:0 gestanden hatte. Entsprechend feierten die deutschen Fans ihre Mannschaft, zu der sie spätestens seit der Weltmeisterschaft 2018 eine komplizierte Beziehung führen. Erst hallte "Oh, wie ist das schön" durch den Borussia-Park, dann schwappten Laola-Wellen über die Ränge.

Tatsächlich gab diese Galavorstellung aber genauso wenig oder viel Grund für überschwängliche Jubelstürme, wie die drei 1:1-Remis zuvor in Italien, gegen England und in Ungarn Grund für übertriebene Sorgen. Davor war nicht alles schlecht, jetzt ist nicht alles gut - das betonten in ihren Analysen auch Trainer Hansi Flick und Routinier Thomas Müller.

Unabhängig von den Ergebnissen verfügt Deutschland über eine der besten Mannschaften der Welt und hat selbstverständlich Chancen auf den WM-Titel. Höher eingestufte Länder hatten in dieser Länderspielphase nach einer kräftezehrenden Saison übrigens deutlich größere Probleme: England beispielsweise verlor zuhause mit 0:4 gegen Ungarn und befindet sich genau wie das ebenfalls noch sieglose Frankreich auf dem letzten Tabellenplatz seiner Gruppe.

DFB: Dieser Dreier kam gerade noch rechtzeitig

Deutschland ist unter dem seit einem Jahr amtierenden Flick dagegen weiter ungeschlagen. Nach Siegen gegen schwächere Gegner und den zurückliegenden Remis gelang nun der erste Sieg gegen eine große Fußball-Nation. Vernachlässigt werden darf dabei aber nicht, dass der amtierende Europameister Italien mit einer reichlich unprominenten Auswahl angetreten war. Und auch nicht, dass die DFB-Elf zum fünften Mal in Folge nicht zu Null spielte.

Dennoch maß Flick dem Sieg zurecht eine große symbolische Bedeutung bei: "Wir haben diesen Sieg gebraucht. Siege sorgen für Selbstvertrauen und für Selbstverständnis." Tatsächlich kam der befreiende Dreier gerade noch rechtzeitig, die Stimmung um die Nationalmannschaft drohte schließlich zu kippen. Mit einem fünften sieglosen Spiel in Folge vor der Pause bis zu den nächsten Nations-League-Spielen Ende September wäre die durch Joachim Löws Abschied aufgekommene Euphorie dahin gewesen.

DFB: Zwei Aspekte dürften Flick besonders gefreut haben

Besonders gefreut haben dürften Flick abgesehen vom Ergebnis zwei Aspekte. Dass seine Mannschaft mutiger als zuletzt auftrat und ihr gewohntes deutliches Ballbesitzplus diesmal auch in reichlich Torgefahr und letztlich fünf Treffer ummünzte. Und, dass sich ein WM-taugliches Gerüst herauskristallisierte. "Gerade die Achse hat funktioniert", lobte Flick.

Keeper Manuel Neuer zeigte Weltklasse-Paraden, die Innenverteidiger Niklas Süle und Antonio Rüdiger harmonierten über weite Strecken gut, Joshua Kimmich und Ilkay Gündogan bildeten ein kombinationsstarkes Zentrum, Thomas Müller gab den Dreh- und Angelpunkt des Offensivspiels.

Zu den Besten zählten gegen Italien aber einmal mehr die beiden wohl größten Gewinner dieser Länderspielphase. Linksverteidiger David Raum, der Kimmichs 1:0 und Müllers 3:0 einleitete. Sowie Rechtsaußen Jonas Hofmann, der den von Gündogan verwandelten Elfmeter zum 2:0 herausholte. Etwas abgefallen ist in der Startelf nur Rechtsverteidiger Lukas Klostermann, der sich mit Thilo Kehrer und Benjamin Henrichs um einen Startplatz bei der Weltmeisterschaft duellieren wird.

Mit dem 5:2 gegen Italien hat die deutsche Nationalmannschaft einen symbolisch wichtigen Sieg eingefahren.
© imago images
Mit dem 5:2 gegen Italien hat die deutsche Nationalmannschaft einen symbolisch wichtigen Sieg eingefahren.

Warum Flicks Vertrauen in Werner und Sane nachvollziehbar ist

Die meisten Blicke waren gegen Italien aber auf die beiden Sorgenkinder gerichtet: Linksaußen Leroy Sane und Stürmer Timo Werner. Nach enttäuschenden Auftritten standen sie zuletzt massiv in der Kritik. Statt draufzuhauen, streichelte sie Flick aber verbal und sprach ihnen mit Startelfplätzen gegen Italien demonstrativ das Vertrauen aus.

Sane und Werner zeigten zwar keine Gala-Vorstellungen, dafür aber gute Körpersprache und Engagement. Beide kamen in etliche vielversprechende Situationen, abgesehen von Werners Blitz-Doppelpack in der zweiten Halbzeit haperte es bei den letzten Pässen und Abschlüssen aber noch gewaltig.

Dass Flick sowohl Werner als auch Sane unbeirrt vertraut, hat nachvollziehbare Gründe, die bei beiden unterschiedlich gelagert sind. Werner ist neben falschen Neunern wie Kai Havertz und Jungspunden wie Karim Adeyemi der einzige etablierte Mittelstürmer. In Hinblick auf eine gewisse taktische Variablität ist ein solcher für ein erfolgreiches Turnier eigentlich unerlässlich. Verständlich, dass Flick diese Option nicht aufgibt.

Während das Vertrauen in Werner in erster Linie auf Alternativlosigkeit zurückzuführen ist, geht es bei Sane eher um sein potenzielles Talent. Abgesehen vielleicht von Jamal Musiala verfügt wohl kein deutscher Fußballer über solch eine individuelle Klasse im Dribbling, solch eine Kreativität wie er. In Bestform - von der er weiterhin weit entfernt ist - kann Sane mit Einzelaktionen enge Spiele entscheiden. Solche Spieler braucht es, wenn es mannschaftlich nicht so gut läuft wie gegen Italien, sondern eher wie bei den zurückliegenden Remis.

Nations League: Die Gruppe A3 im Überblick

PlatzMannschaftSpieleDifferenzPunkte
1Ungarn447
2Deutschland436
3Italien4-25
4England3-52
Artikel und Videos zum Thema