SPOX: Herr Ismael, nach Ihrem Karriereende als Spieler im September 2009 deutete gar nicht so viel darauf hin, dass Sie einmal als Trainer an der Seitenlinie stehen. Parallel zu Ihrer Zeit als Profi bei Hannover 96 studierten Sie zunächst BWL mit Schwerpunkt International Management, im November 2009 wurden Sie dann Assistent von Sportdirektor Jörg Schmadtke. Wurde der Wunsch, den Rasen wieder zu riechen, zu groß?
Valerien Ismael: Ich hatte im Anschluss an meine Karriere keine wirkliche Pause, um alles zu reflektieren. Das wäre wichtig gewesen, um erst einmal Abstand zu gewinnen. Ich habe mit Management begonnen, da das aufgrund des Studiums nahe lag. Ich konnte in diesen 18 Monaten auch sehr viel lernen. Ich merkte aber, dass mir etwas fehlt. Daher begann ich, die Trainerlizenzen zu machen und bekam das Gefühl, dass dies der für mich natürliche Weg ist.
SPOX: Wieso haben Sie sich eine Pause nicht einfach genommen?
Ismael: Das hat sich so ergeben. Ich wollte auch gleich weitermachen, da mir aufgrund meiner Knieverletzung ja auch schon eine längere Auszeit aufgezwungen wurde. 96 bot mir dann die Möglichkeit an, als Trainer einzusteigen.
SPOX: Das war 2011, Sie haben dort die zweite Mannschaft übernommen. Danach waren Sie ein Jahr Coach der Wolfsburger U23, in der letzten Spielzeit dann beim 1. FC Nürnberg und sind jetzt seit Saisonbeginn wieder zurück beim VfL. Heißt: Nie mehr Management?
Ismael: Da kann ich nur mit dem Klassiker antworten: im Fußball sollte man nie etwas ausschließen. (lacht) Momentan sehe ich mich als Trainer. Ich bin aber froh, die Management-Ausbildung in der Hinterhand zu haben. Ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber ich möchte mich auch nicht grundsätzlich festlegen.
SPOX: Zwischen Ihrem Ende in Nürnberg und der Rückkehr nach Wolfsburg lagen etwas mehr als sechs Monate. Wie haben Sie diese Zeit verbracht?
Ismael: Meine Frau war schwanger, so dass ich fast die gesamte Schwangerschaft zu Hause bei ihr verbringen und sie unterstützen konnte. Unsere Tochter ist im Juni geboren, ich war auch bei der Geburt dabei und hatte keinerlei Stress. Es war mir sehr wichtig, in dieser Zeit regelmäßig zu Hause sein zu können. Das Aus in Nürnberg war also perfekt, wenn man nur den privaten Zeitpunkt betrachtet. (lacht) Diese schnelle Ablenkung hat mir unheimlich viel geholfen.
SPOX: Gab es in dieser Zeit Angebote, um wieder einzusteigen?
Ismael: Ja, ich hatte zwei konkrete Anfragen aus dem Ausland. Es war mir aber klar, dass ich mich zum damaligen Zeitpunkt für die Familie entscheiden würde.
SPOX: Ab wann stand fest, dass Sie Wolfsburgs zweite Mannschaft wieder übernehmen würden?
Ismael: Das kam relativ spät zustande. Mir war nach vier, fünf Monaten Pause klar, dass ich im Sommer wieder anfangen möchte. Ich war froh, als die Anfrage aus Wolfsburg kam, denn so konnte ich mit meiner Familie in Niedersachsen wohnen bleiben.
SPOX: Wie reflektieren Sie nun im Nachhinein Ihre erste Station als Profitrainer beim 1. FC Nürnberg, wo Sie nach fünf Monaten Amtszeit entlassen wurden?
Ismael: Ich bin froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und sie war für mich auch notwendig. Bevor ich hundertprozentig kapieren konnte, wie dieser Verein tickt und wie schnelllebig der moderne Fußball sein kann, war es leider schon zu spät. Ich habe in kurzer Zeit sehr viel erlebt, daraus aber auch einiges lernen können. Das wird mir für meine weitere Karriere auf jeden Fall helfen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Ich glaube, es gehört zum Job eines Trainers, dass es nicht immer und überall so laufen kann, wie man es sich vorgestellt hat.
SPOX: Was haben Sie konkret gelernt?
Ismael: Mir war natürlich auch aus der Zeit als Spieler bewusst, wie schnell sich in diesem Geschäft alles drehen und was alles auf einen einprasseln kann. Ich war nicht blauäugig oder hatte eine Idealvorstellung im Kopf, nach der es nun bitteschön abzulaufen hat. Mir war womöglich nicht ganz bewusst, welch große Rolle die Kombination aus sportlichen Ergebnissen und politischen Machtspielen einnimmt. Es ist nicht so, dass das Sportliche immer das Wichtigste ist.
SPOX: Die Zeit in Nürnberg war sehr aufreibend für Sie. Haben Sie Erleichterung verspürt, als es vorbei war?
Ismael: Nein. Ich bin ehrgeizig und war als Spieler erfolgsverwöhnt, ich sehe das daher als persönliche Niederlage an. Ich habe mir danach die Zeit genommen und hinterfragt, was falsch gelaufen ist und wo ich vielleicht auch nicht richtig hingeschaut oder aufgepasst habe. Man muss im Vorfeld wissen, wo mögliche Stolpersteine liegen. In Nürnberg hat es leider nicht gepasst. Jetzt geht es mit dieser Erfahrung im Rucksack aber weiter. So ist das Leben.