Patrick Hasenhüttl im Interview: "Für mich ist Türkgücü kein türkischer Klub"

Nino Duit
05. September 201911:41
In der Saison 2015/16 arbeitete Patrick Hasenhüttl und sein Vater Ralph für den FC Ingolstadt.imago images
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Nach dem Durchmarsch von der Sechstklassigkeit in die Regionalliga Bayern hat der hochambitionierte Klub Türkgücü München 22 neue Spieler geholt - unter anderem den 22-jährigen Stürmer Patrick Hasenhüttl, Sohn des erfolgreichen Trainers Ralph. SPOX und Goal trafen ihn am Trainingsgelände von Türkgücü zum Interview.

Hasenhüttl berichtet von seinem neuen Klub, den er nicht für "türkisch" hält, und Tipps des Vereinspräsidenten Hasan Kivran. Er lässt seine Zeit beim FC Ingolstadt II revue passieren und erzählt außerdem von seinem berühmten Vater: von einem Besuch am Kölner Rathausbalkon im Jahr 2000 und von packenden Tennismatches in diesem Sommer.

Herr Hasenhüttl, Sie spielen seit dieser Saison beim Regionalligaaufsteiger Türkgücü München. Seit wann ist Ihnen der Verein ein Begriff?

Patrick Hasenhüttl: Seit vergangenem Sommer. Damals ist der Klub gerade in die fünftklassige Bayernliga aufgestiegen und hat zahlreiche Regionalligaspieler verpflichtet, mit denen dann der direkte Durchmarsch gelang.

Auflaufen dürfen diese Spieler für Türkgücü in der Regionalliga aber nicht. Nach dem Aufstieg wurde bis auf vier Spieler der komplette Kader ausgetauscht.

Hasenhüttl: Das ist natürlich hart, aber so ist das Geschäft. Ich kann verstehen, dass die verbliebenen Aufstiegshelden ein bisschen traurig sind, dass ihre ehemaligen Mitspieler nicht mehr da sind. Umso überraschender war es für mich, wie positiv sie uns Neuzugänge aufgenommen haben.

Nicht zuletzt wegen der Transferoffensive polarisiert Ihr Verein enorm. Erachten Sie das als störend?

Hasenhüttl: Ganz im Gegenteil! Ich finde polarisierende Vereine viel spannender. Wenn ein Verein polarisiert, wird er mehr beachtet. Und das heißt automatisch auch, dass gute Leistungen schneller wahrgenommen werden.

Vereinspräsident Hasan Kivran nannte die 2. Bundesliga als Fernziel. Was wurde intern kommuniziert?

Hasenhüttl: Natürlich wollen wir gleich ganz vorne mitspielen. Bei meinen Vertragsverhandlungen hieß es aber nicht, dass wir in zwei Jahren in der 2. Bundesliga spielen müssen oder in fünf Jahren in der Champions League. So weit kann man nicht vorausschauen, egal wie viel Geld man investiert und wie viele neue Spieler man holt.

Hier geht es zum Hintergrundbericht über Türkgücü München

Präsident Hasan Kivran ist seit 1. Januar 2016 Präsident von Türkgücü.SV Türkgücü-Ataspor

Haben Sie Präsident Hasan Kivran schon persönlich kennengelernt?

Hasenhüttl: Ich hatte in der Vorbereitung einige Gespräche mit ihm, in denen er mir sogar Tipps gegeben hat. Herr Kivran hat Ahnung von Fußball, mischt sich im Alltag aber nicht ein, was sehr angenehm ist. Sein Bruder Kenan ist näher dran an der Mannschaft. Er ist eigentlich immer am Vereinsgelände und kümmert sich um alle organisatorischen Dinge.

Welchen Eindruck haben Sie von der Infrastruktur?

Hasenhüttl: Aktuell nutzen wir die Sportanlage beim Ostpark und müssen die Plätze und Kabinen mit mehreren Amateur- und Hobbymannschaften teilen. Das ist nicht optimal. Soll es wirklich so hoch hinaufgehen wie geplant, muss da in den nächsten Jahren noch viel entstehen. Wie ich gehört habe, ist aber auch schon einiges in Planung.

Türkgücü wurde einst von türkischen Einwanderern gegründet und hat einen türkischen Namen. Wie "türkisch" ist der Klub?

Hasenhüttl: Wir haben sechs Spieler mit türkischen Wurzeln in der Mannschaft, aber das war bei meinen bisherigen Vereinen nicht anders. Für mich ist Türkgücü kein türkischer, sondern ein ganz normaler Klub wie jeder andere auch.

Türkgücü hat kein eigenes Stadion und trägt die Heimspiele auf der Anlage des Regionalligarivalen SV Heimstetten aus. Wie ist die Stimmung?

Hasenhüttl: Im Schnitt kommen etwa 700 Leute und sorgen regelmäßig für eine sehr gute Atmosphäre, es gibt sogar einen Trommler. Ab der Rückrunde werden wir unsere Heimspiele nicht mehr in Heimstetten, sondern im Grünwalder Stadion austragen. Dann werden sicher noch mehr Fans kommen. Für mich ist das alles neu, bei der zweiten Mannschaft von Ingolstadt kam niemand zu unseren Spielen. Es ist schon geil, wenn einem Fans zujubeln und man nach dem Spiel mit ihnen abklatschen kann.

Seit dieser Saison spielt Patrick Hasenhüttl für Türkgücü München.imago images

Sie haben drei Jahre lang für Ingolstadts zweite Mannschaft gespielt. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Hasenhüttl: Das erste Jahr im Herrenbereich ist immer schwierig, da wollte ich mich nur akklimatisieren. Im zweiten Jahr lief es super. Ich habe 13 Tore geschossen und auch ein paar Vorlagen gegeben. Dann wollte ich den Sprung zu den Profis schaffen, das hat leider nicht geklappt. Im Nachhinein betrachtet war es auch fast unmöglich, weil Ingolstadt einen utopisch großen Kader hatte. Da gab es für Eigengewächse keine echte Chance. Anschließend ist ein Wechsel zu einem Drittligisten aus verschiedenen Gründen leider nicht zustande gekommen. In der vergangenen Saison hat mich dann das Pech verfolgt. Ich hatte eine Blinddarmoperation, brach mir einen Zeh und hatte einen Kapselriss. Danach war für mich klar, dass ich eine neue Herausforderung suchen muss.

Als Sie 2015 von der Akademie des VfB Stuttgart zur Ingolstädter U19 wechselten, war Ihr Vater Ralph Trainer der Profimannschaft. Wie war das für Sie?

Hasenhüttl: Im Laufe der Saison hat er mich ein paar Mal mit den Profis trainieren lassen. Ich bin mir sicher, dass er das aus rein sportlichen Gründen gemacht hat, aber ich hatte trotzdem ein komisches Gefühl. Wenn der Sohn des Trainers in der Mannschaft spielt, tut das dem Teamgefüge einfach nicht gut. Es ist normal, dass diese Beziehung in der Kabine Thema ist und bei allem ganz genau hingeschaut wird. Ich will nicht nochmal unter meinem Vater spielen.

Als Ihr Vater seine aktive Karriere beendet hat, waren Sie sieben Jahre alt. Können Sie sich noch daran erinnern, ihn spielen gesehen zu haben?

Hasenhüttl: Obwohl ich damals erst drei war, habe ich noch Erinnerungen an die Aufstiegsfeier mit dem 1. FC Köln im Jahr 2000. Ich weiß noch, wie ich damals mit ihm auf dem Rathausbalkon stand. Es gibt auch ein paar Zeitungsartikel mit Fotos, auf denen ich zu sehen bin. Die habe ich alle zuhause. Außerdem kann ich mich noch an Spiele von ihm bei seiner letzten Station, der zweiten Mannschaft des FC Bayern, erinnern.

Sie sind in Belgien, wo Ihr Vater bei KV Mechelen spielte, geboren, in München aufgewachsen, haben aber die österreichische Staatsbürgerschaft, obwohl Sie dort nie gelebt haben. Welcher Nation fühlen Sie sich angehörig?

Hasenhüttl: Generell fühle ich mich als Münchner - aber gleichzeitig mehr österreichisch als deutsch. Ich habe auch für Österreichs U-Nationalteams gespielt, wurde aber seit der U19 leider nicht mehr berufen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, auch mal in Österreich zu leben und zu spielen. Die Liga wird immer attraktiver.

Ihr Vater ist als Spieler viel herumgekommen, arbeitete als Trainer aber stets nahe Münchens, in Unterhaching, Aalen und Ingolstadt. Hat er bei seiner Vereinswahl zunächst auf das Familienglück geschaut?

Hasenhüttl: Wenn ein Angebot des FC Barcelona gekommen wäre, hätte er es wohl nicht abgelehnt. Aber ich glaube schon, dass er alles daran gesetzt hat, die Familie nicht aus ihrem gewohnten Umfeld zu reißen.

Seit vergangenen Winter trainiert er den FC Southampton.

Hasenhüttl: Unser Lebensmittelpunkt ist immer noch München. Meine Mutter und mein Bruder leben teils hier und teils in England. Wenn sie weg sind, habe ich das Haus in Unterhaching für mich allein. (lacht) Ich war meinen Vater leider erst einmal in England besuchen, in der vergangenen Saison am Boxing Day. Das habe ich dieses Jahr wieder vor.

Wie präsent ist der Job Ihres Vaters im Familienalltag?

Hasenhüttl: Niederlagen nehmen ihn schon sehr mit, da ist er komplett niedergeschlagen. Viel präsenter als sein Job ist aber seine generelle Sportbegeisterung. Abgesehen vom Fußball spielt er super Golf, Tischtennis, Tennis, kann Surfen und Skifahren. Er ist eigentlich in allem gut. Für mich war es super, dass er mich in jungen Jahren so viele Sportarten gelehrt hat.

In der Saison 2015/16 arbeitete Patrick Hasenhüttl und sein Vater Ralph für den FC Ingolstadt.imago images

Haben Sie neben dem Fußball noch eine andere Sportart betrieben?

Hasenhüttl: Als Teenager habe ich beim DJK Fasangarten zwei Jahre lang im Verein Tennis gespielt. Da war auch mein Vater aktiv. Mir hat das einen riesigen Spaß gemacht, ich habe sogar an Turnieren teilgenommen. Irgendwann war es mit dem Fußball aber leider nicht mehr vereinbar.

Spielen Sie immer noch Tennis?

Hasenhüttl: Ich gehe mit meinem Vater oft Tennis spielen, da gibt es immer packende Matches. Leider habe ich erst einmal gegen ihn gewonnen, in diesem Sommer, aber ich setze jetzt einfach auf den Faktor Zeit. In den vergangenen Monaten habe ich schon gemerkt, dass seine Fitness nachlässt. Hoffentlich wird er mit dem Alter immer schlechter. Dann brauche ich mein Niveau nur zu halten und werde ihn öfter besiegen.

Gibt es beim Tennis Aspekte, die Ihnen als Fußballer helfen?

Hasenhüttl: Tennis ist mental sehr anspruchsvoll, weil es mehr akute Drucksituationen gibt. Man muss sich und seine Emotionen viel besser im Griff haben als beim Fußball.

Verfolgen Sie auch das Tennis-Profigeschehen?

Hasenhüttl: Ich bin ein riesiger Dominic-Thiem-Fan und schau mir fast jedes Spiel von ihm an. Wenn er erst um 23 Uhr spielt, muss ich eben ein bisschen länger wach bleiben. Seine Auftritte kann ich mir einfach nicht entgehen lassen.

Haben Sie Thiem schon persönlich getroffen?

Hasenhüttl: Mein Vater ist recht gut mit ihm befreundet. Ich habe ihn leider noch nie getroffen, will ihn aber unbedingt live spielen sehen. Es ist mein Traum, bei Thiems erstem Grand-Slam-Triumph im Stadion dabei zu sein.

Neben Ihrer Tätigkeit als Fußballprofi studieren Sie an der Fachhochschule für angewandtes Management in Ismaning Sportmanagement. Wie kamen Sie darauf?

Hasenhüttl: Nachdem ich mein Abitur geschafft habe, wollte ich auch etwas daraus machen. Irgendwann hat mir mein damaliger Ingolstadt-Kollege Stefan Lex diese Hochschule empfohlen und ich fand das sofort interessant. Man kann fast alles online machen und muss nur etwa zehn Mal pro Semester persönlich erscheinen. Also ist es super mit meinem Dasein als Fußballer vereinbar. Aktuell bin ich im fünften Semester, nächstes Jahr mache ich meinen Bachelor. Lieber lerne ich jeden Tag ein bisschen, als fünf Stunden lang Fortnite zu zocken.

Die bisherigen Karrierestationen von Patrick Hasenhüttl

ZeitraumVerein
bis 2013SpVgg Unterhaching (Jugend)
2013 bis 2015VfB Stuttgart (Jugend)
2015 bis 2016FC Ingolstadt (Jugend)
2016 bis 2019FC Ingolstadt II
seit 2019Türkgücü München