Lombardo, Leuchtturm und der Matthäus-Fan

Von Daniel Börlein
Die Mannschaft des viermaligen ukrainischen Meisters
© Getty

Die Hamburger-Wochen sind bei Werder Bremen nun endlich vorbei. Doch während man den HSV mittlerweile aus dem Effeff kennt, wartet im UEFA-Cup-Finale mit Schachtjor Donezk (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und Internet TV) ein Gegner, der hierzulande nahezu unbekannt ist.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"In unserer Videositzung haben wir gesehen, dass sie eine sehr offensivstarke Mannschaft sind", sagte Torsten Frings in der Pressekonferenz. Recht viel mehr wollte oder konnte der 32-Jährige allerdings nicht erzählen.

SPOX hat das Team von Trainer Mircea Lucescu mal etwas genauer unter die Lupe genommen und stellt den Vize-Meister der Ukraine vor.

Schachtjor spielt mit zwei klassischen Sechsern, die sich komplett um die defensive Absicherung kümmern. Davor wirbeln eine Dreierkette und ein zentraler Angreifer. Die Offensive ist mit Jadson, Fernandinho, Ilsinho und Stürmer Luiz Adriano komplett in brasilianischer Hand. Dieses Quartett genießt alle Freiheiten, ist von defensiven Aufgaben weitgehend freigestellt.

Über Außen verwundbar

Trotz dieser Ausrichtung steht Schachtjor defensiv relativ gut. In der Liga kassierte man in 28 Partien lediglich 15 Gegentore, im UEFA-Cup waren es in acht Begegnungen nur fünf.

Verwundbar scheinen die Ukrainer, wenn man auf den Außenposition doppelt. Dadurch dass Ilsinho, Jadson und Fernandinho nur selten hinten mit aushelfen, sind Srna (rechts) und Rat (links) meist auf sich alleine gestellt. Im Abwehrzentrum verteidigen mit Tschigrinski und Kucher zwei kantige Typen, die gegen quirlige Dribbler durchaus Probleme haben.

Andrey Pyatow (24): Ein ordentlicher, sicher aber kein überragender Keeper. Langt bei hohen Bällen schon mal daneben und offenbarte zuletzt auch bei Weitschüssen Probleme. Gilt als selbstkritisch ("Ich muss mich steigern."), dennoch aber cool und nervenstark ("Das Leben geht auch nach diesem Spiel weiter.").

Darijo Srna (27): Kroate, Rechtsverteidiger und Kapitän. Mann mit internationaler Klasse, einer der besten Außenverteidiger bei der EM 2008. Wurde auch schon mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Unglaublich clever im Zweikampf. Offensiv mit starken Flanken, Freistößen und weiten Einwürfen.

Dmitri Tschigrinski (22): Kantiger Innenverteidiger. In der Luft kaum zu bezwingen, aber Schwächen in Antritt und Endschnelligkeit. Technische Fähigkeiten eher überschaubar. Nicht besonders elegant. Wirkt in seinem Auftreten auf dem Platz wie Dortmunds Felipe Santana. War mit 19 schon für die Ukraine bei der WM in Deutschland dabei.

Alexander Kucher (26): Erhält in der Innenverteidigung wohl den Vorzug vor Ischenko. Fehlte im Rückspiel gegen Kiew gelbgesperrt. Ganz harter Knochen. Gehört immer mal wieder zum erweiterten Nationalmannschaftskader der Ukraine. Kickte auch schon in Armenien.

Mykola Ischenko (26): Muss wohl für Kucher wieder auf die Bank. Körperlich nicht so stark wie sein Konkurrent und Tschigrinski, aber enorm bissig. Immer nah am Mann und zweikampfstark. War bei seinem früheren Klub, Karpaty Lviv, Kapitän. Nun eher Mitläufer.

Razvan Rat (27): Linksverteidiger und rumänischer Nationalspieler. Kleiner, wuseliger und nickeliger Gegenspieler, der sich in erster Linie um die Defensive kümmert. Im Eins-gegen-Eins nur schwer zu bezwingen. Spaßvogel im Team. Auch bei anderen europäischen Klubs (Celtic, Marseille, Besiktas) begehrt.

Alexej Gai (27): Kämpft mit Lewandowski um einen Platz in der ersten Elf. Spieler für die Doppelsechs, wenngleich kein überragenden Zweikämpfer. Mann mit den tausend Namen. Die Agenturen führen ihn unter Aleksej Gal, das Internetlexikon "Wikipedia" unter Olexiy Haj und die UEFA als Olexiy Gai.

Mariusz Lewandowski (30):Defensiver Mittelfeldmann. Schon seit 2001 bei Schachtjor. Hat die meiste Erfahrung im Kader: War mit Polen bei der WM 2006 und der EM 2008. Stratege und knallharter Zweikämpfer: "Ich spiele nicht unfair, aber Härte ist mein Stil." Ist der "weithin sichtbare Leuchtturm" ("Tagesspiegel") in der Mannschaft.

Igor Duljaj (29): Zentraler Mittelfeldspieler, Typ Abräumer. Für Serbien bei der WM 2006 dabei. Sieht mit Halb-Glatze ein bisschen aus wie der ehemalige italienische Nationalspieler Attilio Lombardo und spielt auch so: Enormes Laufvermögen, geschickt im Zweikampf und hohe Passsicherheit.

Ilsinho (23): Weißer Brasilianer. Schoss den entscheidenden Treffer im Halbfinale gegen Kiew. Exzellentes Dribbling und gutes Auge für den Nebenmann. Sucht im Eins-gegen-Eins meist den direkten Weg zum Tor. Spielt nicht für die Galerie. Holte bei Olympia 2008 an der Seite von Diego Bronze mit Brasilien.

Fernandinho (24): Wechselt sich mit Jadson im Offensivzentrum ab. Unheimlich schnell, mit und ohne Ball. Sucht immer wieder den Abschluss und hat einen ordentlichen Wumms. Mit vier Treffern bester Schachtjor-Torschütze im UEFA-Cup. Lehnte letztes Jahr ein Angebot von Benfica ab. Kommt aus der Heimatstadt von Giovane Elber (Londrina). Vor ihm hat Naldo gehörigen Respekt: "Wenn wir ihm zu viel Raum lassen, haben wir ein großes Problem. Vor ihm müssen wir uns wohl am meisten in Acht nehmen", sagte Bremens Innenverteidiger im SPOX-Interview.

Jadson (25): Der zentrale Mann bei Schachtjor. Die ersten Bälle nach vorne landen meist bei ihm. Versucht immer wieder den tödlichen Pass zu spielen. Selbst auch torgefährlich: Fünf Treffer in der CL-Gruppenphase. Früher Futsal-Spieler in Brasilien. Dementsprechend technisch überragend. Sohn heißt Mateus, angeblich benannt nach Vorbild Lothar Matthäus.

Willian (20): Der jüngste der fünf Brasilianer, dafür aber der teuerste:  Kam 2007 für 14 Millionen Euro von Corinthians Sao Paulo. Galt dort als Mega-Talent und trug die Nummer 10. Extrem wendig und quirlig. Gegen Werder vorerst nur auf der Bank, kommt wohl als Joker.

Luiz Adriano (22): Und noch ein Samba-Kicker. Wirkt im Vergleich zu den anderen Brasilianern etwas hölzern und technisch nicht so beschlagen. Gibt in der Spitze den Stoßstürmer und Wandspieler. Lebt viel von seiner Kraft und Dynamik. Wollte im Januar wegen Heimweh zurück nach Brasilien flüchten.

Alexander Gladkiy (21): Der Backup für Luiz Adriano. Junger ukrainischer Stürmer mit guten Ansätzen und Zug zum Tor, aber mit Problemen bei der Ballbehandlung auf höchstem Tempo. Besonderes Erlebnis: Traf beim 3:2-Erfolg Anfang Dezember in der Champions League im Camp Nou zweimal.

Mircea Lucescu (63): Kam 2004 nach Donezk und beerbte Bernd Schuster. Trainierte vorher unter anderem schon Galatasaray, Besiktas und Inter Mailand. Holte insgesamt bereits elf Brasilianer nach Donezk. Gilt als strenger Typ. Ist aber ein alter, gewiefter Hase.

Alle Daten zu Schatjor Donezk