Es war ein Wink des Schicksals. Oder ein Wink Gottes. Vor fünfeinhalb Jahren wechselte Mohamed Aboutrika zum ägyptischen Vorzeigeklub Al-Ahly und sollte sich eine Rückennummer aussuchen.
"Mir wurde die 21 und die 22 angeboten. Bevor ich mich aber entschieden habe, bin ich nach Mekka gepilgert", erinnert sich der 30-Jährige. "Als ich auf dem Wanderweg zwischen dem As-Safa- und dem Al-Marwah-Berg das Tor 22 erblickte, durch das auch Prophet Mohammed geschritten war, traf ich die Entscheidung."
Seit jenem einschneidenden Augenblick trägt Aboutrika bei Al-Ahly und in der ägyptischen Nationalmannschaft die 22, seitdem wurde Aboutrika zum Superstar und die Nummer zum Symbol des arabischen und afrikanischen Fußballs.
"BBC": Besser als Adebayor, Drogba und Eto'o
"Aboutrika kommt eine herausragende Stellung zu. Er ist für die meisten arabischen Jugendlichen ein großes Idol", erzählt Rainer Zobel, der bei drei ägyptischen Klubs und unter anderem auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Iran als Trainer tätig war.
In Europa mag der Name Aboutrika nur wenigen ein Begriff sein, doch in der arabischen Welt, selbst in Afrika, gibt es kaum einen Fußballer, der erfolgreicher ist und derart viele Fans hat wie der Spielmacher.
Mit Ägypten wurde er zweimal in Folge Afrikameister, mit Al-Ahly in drei der letzten vier Jahre afrikanischer Champions-League-Sieger. Aboutrika selbst bekam von der "BBC" die Auszeichnung zum besten afrikanischen Spieler 2008 - erst auf den weiteren Plätzen folgten Emmanuel Adebayor (Arsenal), Didier Drogba (Chelsea) und Samuel Eto'o (FC Barcelona).
Die Internationale Föderation für Fußballgeschichte und -statistik kürte ihn im zweiten Jahr in Folge zum beliebtesten aktiven Fußballer der Welt.
Magier, Zidane, Auftragskiller
Aboutrika verfügt über etliche Spitznamen. "Der Magier" etwa, oder "Der König der Pharaonen". Am weitesten verbreitet ist jedoch "Der ägyptische Zindedine Zidane", weil Aboutrika technisch beschlagen ist und über die seltene Gabe verfügt, in den entscheidenden Momenten zu treffen.
2008 erzielte er im Afrika-Cup-Finale das entscheidende Tor, 2006 verwandelte er den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen. Bei der Klub-WM 2006, die Al-Ahly als Dritter abschloss, wurde er als Torschützenkönig ausgezeichnet. Daher auch ein weiterer Alias: "Der lächelnde Auftragskiller" - wegen seines breiten Lächelns beim Torjubel und seiner Kaltschnäuzigkeit.
Genialer Vorbereiter gegen Brasilien
Beim unglücklichen 3:4 zum Confederations-Cup-Auftakt gegen Brasilien brillierte er mit zwei Torvorlagen.
"Aboutrika ist unglaublich torgefährlich, verfügt über eine überragende Technik, schießt fantastische Freistöße und kann in der Offensive jede Position bekleiden. Zudem ist er lauffreudig und verhältnismäßig zweikampfstark. Er versteht Fußball in der reinsten Form. Er hat keine Schwächen", sagt Zobel, der vom Spielstil her Aboutrika eher mit Mehmet Scholl als mit Zidane vergleicht, "da er beim Dribbling weniger Tricks zeigt und den direkten Weg zum Tor bevorzugt."
Aboutrika wechselt wohl nie nach Europa
Es mag verwundern, dass ein derart begabter Fußballer noch immer nicht den Weg in eine der europäischen Topligen fand.
Angebote aus Europa gibt es offenbar zuhauf, unter anderem war Wolfsburg vor drei Jahren an einer Verpflichtung interessiert - dennoch wird Aboutrika wohl nie in die westliche Welt wechseln.
Einerseits, weil die eingegangenen Offerten "nicht ehrbar genug waren", wie Aboutrika sagt. Andererseits, weil er selbst kein Verlangen verspürt, sein Umfeld zu verlassen. Aboutrika ist tief religiös und lebt strikt nach dem Islam.
"Daher hätte er große Probleme damit, sich bei einem europäischen Klub einzufügen. Wenn zum Beispiel nach einem Spiel die Mannschaft zum Essen geht und am Tisch eine Frau sitzt, die vielleicht Alkohol trinkt oder sich zu Wort meldet, würde jemand wie Aboutrika wohl sofort die Runde verlassen", sagt Zobel. "Es gibt viele Kleinigkeiten, auf die man achten muss, wenn ein streng gläubiger Muslim nach Europa kommt."
Skandal um T-Shirt-Aktion
Aboutrika hat Prinzipien. Religiöse wie politische. Für ein Politikum sorgte er beim Afrika-Cup 2008, als er nach einem Tor das Trikot hochriss, um das darunter angezogene T-Shirt mit der Aufschrift "Solidarität mit Gaza" zu zeigen. Vom afrikanischen Verband wurde er für diese Aktion verwarnt.
"Es war meine Pflicht, mein Gefühl auszudrücken. Ein Gefühl, das jeder Araber kennt. Ich wollte der palästinensischen Bevölkerung meine Unterstützung ausdrücken", sagt Aboutrika, dessen Bedeutung seitdem weit über den Fußball hinausgeht.
Mittlerweile ist Aboutrika eine Ikone für eine gesamte Generation. Ein Fußballer, der den Verlockungen aus Europa widersteht und für die muslimische Jugend als sportliches wie moralisches Vorbild dient.
Im Gaza-Streifen tragen viele Kinder keine Trikots von Ronaldo, Messi oder Beckham. Sondern eines mit der Rückennummer 22.
Mohamed Aboutrika im Steckbrief