Costa Rica ist bislang die größte Positiv-Überraschung der WM. Nach dem Überraschungscoup gegen Italien und dem vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale brennen die Ticos auf mehr. Trainer Jorge Luis Pinto ist der Konstrukteur des Erfolgs.
Jorge Luis Pinto war eigentlich schon weg, als er auf der Treppenstufe plötzlich kehrt machte und sich noch einmal das Mikrofon schnappte. "Wir sind noch nicht fertig", kündigte der charismatische Trainer Costa Ricas am Ende der Pressekonferenz an, "wir werden noch drei, vier Matches hier haben. Da bin ich mir sicher."
Pinto meint es ernst. Als ob das imponierende 1:0 (1:0) gegen Italien für die Konkurrenz nicht schon Drohung genug gewesen wäre, unterstrich der Kolumbianer die Ambitionen seines Teams ungefragt und in aller Deutlichkeit.
Nach dem besten WM-Start in der Geschichte und dem "historischen" zweiten Achtelfinal-Einzug nach 1990 glauben die mittelamerikanischen Underdogs nicht nur an den Gruppensieg, sondern auch fest an den Einzug ins Viertelfinale.
"Turnier wie ein Traum"
"Das Turnier ist bislang wie ein Traum für uns. Viele haben nicht daran geglaubt, weil wir in der Todesgruppe mit drei Weltmeistern sind. Aber die Toten sind diesmal andere", sagte Torschütze Bryan Ruiz, dessen Kopfball von der Unterkante der Latte ein paar Zentimeter hinter die Linie ins Tor sprang, jubelnd.
Der Angreifer widmete den Sieg und das Weiterkommen "unserem kleinen Land". Im abschließenden Spiel gegen England geht es am Dienstag nur noch um die Frage, ob die Ticos als Gruppensieger oder -zweiter ins Achtelfinale einziehen. In der Runde der letzten 16 warten mit Kolumbien, der Elfenbeinküste, Japan oder Griechenland so oder so machbare Aufgaben.
"Wir müssen jetzt die Ruhe bewahren", mahnte Pinto vor zu viel Euphorie. Denn nicht nur im Stadion herrschte an dem denkwürdigen Tag ausgelassene Partystimmung.
"Die elf Krieger haben das Spiel ihres Lebens gemacht und die Fußballgötter haben sie mit dem Triumph belohnt", schrieb die Zeitung Costa Rica Hoy und Al Dia nannte das Weiterkommen eine "Heldentat".
Taktische Meisterleistung
Mit einer taktischen Meisterleistung von Trainer Pinto war es den Fußball-Nobodys gelungen, nach Uruguay (3:1) auch den viermaligen Weltmeister Italien weitgehend zu dominieren und eigentlich nie zur Entfaltung kommen zu lassen.
Hinten hielt eine Fünferkette den italienischen Angriff um Starstürmer Mario Balotelli vorzüglich in Schach. Vorne sorgten Ruiz und Youngster Joel Campbell mit schnellen Ballstafetten immer wieder für Gefahr.
"Unsere Taktik mit einer stabilen Defensive scheint die Gegner zu überraschen", betonte Pinto sein Erfolgsgeheimnis. Er habe den italienischen Fußball jahrelang beobachtet und sich bei der Azzurri einige Dinge abgeschaut. "Ich habe viele Turniere von ihnen studiert und die Erkenntnisse daraus wenden wir nun an."
Pinto immer dabei
Pinto ist auf der großen Bühne des Fußballs kein gänzlich Unbekannter. Der 61-Jährige arbeitete schon als Nationaltrainer in seiner Heimat Kolumbien und gewann nationale Meisterschaften in vier verschiedenen Ländern (Peru, Costa Rica, Venezuela, Kolumbien).
Er gilt als Bewunderer von José Mourinho und diskutiert auf seiner Internetseite regelmäßig über Spielsysteme und taktische Varianten.
Schon an den letzten fünf WM-Endrunden nahm Pinto teil, allerdings jeweils als Zuschauer. Diesmal ist er mittendrin - und könnte mit seinem Team noch für die ein oder andere Überraschung sorgen.