Es ist längst keine Nachricht mehr wert, wenn Cristiano Ronaldo zu einem Freistoß antritt. Der Portugiese macht dann die Beine unnatürlich breit, zieht sich bei Bedarf die Hose bis unter die Hüfte und posiert wie ein Cowboy.
Es waren dagegen viele Nachrichten wert, als Neymar in den fünf Spielen, die die WM für Brasilien andauerte, ziemlich viel Zeit auf dem Boden verbrachte. Inklusive des Achtelfinals geschlagene 14 Minuten.
Neymars schauspielerische Einlagen spornten offenbar auch andere Kicker an, Kylian Mbappe fabrizierte im Viertelfinale gegen Uruguay eine ähnlich alberne Schwalbe wie der in manchen Medien als "Drama-Queen" verschriene Brasilianer.
Neymars Mätzchen gehören zu den Geschichten dieser WM
Diese Mätzchen, die bei der WM bedauernswerterweise reichlich zu bestaunen waren, gehören damit genauso zur Geschichte dieses Turniers wie beispielsweise das frühe Ausscheiden der beiden Superstars Ronaldo und Lionel Messi.
Neymar jedoch brachte mal wieder den Stein ins Rollen, sich über das Gebaren der meisten Fußballprofis der heutigen Spielergeneration zu echauffieren oder es zumindest mit Blick auf die Vergangenheit zu bedauern. Betrugsversuche und permanentes Lamentieren beim Schiedsrichter sind längst an der Tagesordnung, auch wenn man sich als neutraler Zuschauer nach eindeutigen Superzeitlupen oftmals die Frage stellt, welche Erfolgsaussichten sich ein des Regelverstoßes überführter Spieler verspricht.
Das sind die einen Schlagzeilen dieser Weltmeisterschaft. Es gibt aber natürlich noch jede Menge andere. Wem die großen Überschriften und Huldigungen letztlich zuteil werden, dafür wird man sich noch ein paar wenige Spiele gedulden müssen.
Bester Spieler der WM: Kandidaten für den Goldenen Ball
Spieler | Mannschaft |
Kylian Mbappe | Frankreich |
Harry Kane | England |
Luka Modric | Kroatien |
Eden Hazard | Belgien |
Romelu Lukaku | Belgien |
Antoine Griezmann | Frankreich |
Modric, de Bruyne und Kane grenzen sich vom Rest ab
Es deutet jedoch nicht wenig daraufhin, dass sie einem Spieler des Trios Luka Modric, Kevin de Bruyne oder Harry Kane gehören werden. Die beiden Erstgenannten spielen eine bärenstarke Endrunde und Kane macht eben das, was er nun schon seit Jahren macht: er schießt viele Tore.
Diese drei Herrschaften grenzen sich durch zweierlei Eigenschaften vom Großteil ihrer Berufskollegen ab: Sie gehören einerseits in den elitären Kreis der Weltklasse-Spieler, die beständig starke Leistungen aufs Feld zaubern und nebenbei ihr Team und die einzelnen Mitspieler um sie herum besser machen.
Es sind Spieler, denen man bei fast jedem Ballkontakt die Liebe zum Spiel anmerkt und die auf dem Rasen eine glamourfreie Genialität umschwebt. Sie vereinen Führungsqualitäten mit strategischem Geschick, einer bewundernswerten Ruhe am Ball oder der Gier auf Tore. Nach Speicheltests der Vereinsärzte von Manchester City kam beispielsweise heraus, dass de Bruyne vor Spielbeginn ähnlich entspannt ist wie beim Gassigehen mit seinem Hund.
Modric, de Bruyne und Kane: Keine Tattoos bei den Normalos
Blickt man nun etwas oberflächlicher lediglich auf das Äußere der Drei, unterscheiden sie sich auch hier vom großen Rest. Modric, de Bruyne und Kane sind das, was man heutzutage schon als Normalos bezeichnen muss.
Es ist nämlich eine Nachricht wert, dass alle drei Spieler kein Tattoo tragen. Damit gehören sie in Zeiten wie diesen einer winzigen Minderheit an, die man schon allein aus diesem Grund bewundern könnte. "Mein Vater sagte mir immer, dass ich es bedauern würde, wenn ich älter bin. Ich denke, jeder respektiert meinen Lebenswandel und es ist großartig für mich, deshalb ein Vorbild zu sein", sagte Kane vor Jahren in Bezug auf seine fehlende Körperbemalung. Bei de Bruyne ist es skurrilerweise sein Berater Patrick de Koster, der sich ein Tattoo seines Klienten stechen ließ.
Sie sind auch keine Social-Media-Phänomene, die wahnwitzige Image-Videos und Hochglanz-Urlaubsfotos auf teuren Yachten von sich verbreiten oder mit aufgebrezelten Damen auf vermeintlich bedeutungsschwangeren Bildern posieren, denen nach darübergelegten 38 Filtern das letzte bisschen Lebensrealität entzogen wurde. Zwar sind alle Drei in den sozialen Netzwerken aktiv, Vergleichbares findet sich dort aber allenfalls mit viel Mühe.
Konstanten: De Bruynes Frisur, Kanes Frau
De Bruyne trägt seit eh und je dieselbe unprätentiöse Frisur, Neymars Haarschnitte allein der letzten zwölf Monate sind dagegen kaum mehr zu zählen. Wie bei Kane und Modric sind vom Belgier keine nächtlichen Ausflüge oder andere Rüpeleien bekannt, die ein wochenlanges Medienecho nach sich gezogen hätten. Er ist noch heute sehr beliebt bei seinen Ex-Klubs und denkt man an die rührende Anteilnahme rund um den Tod seines einstigen Mitspielers und Freundes Junior Malanda, könnte man ohne Umschweife den Hut ziehen.
Das lässt sich in Bezug auf seine Effektivität auch über Kane sagen. Bei dieser WM: sechs Schüsse aufs Tor, sechs Tore. Diese Unaufgeregtheit durchzieht nicht nur sein Spiel, sondern auch seinen Charakter. Wer den Engländer nach einer seiner Glanzleistungen mit der Presse sprechen sieht, bekommt einen guten Eindruck seiner inneren Ruhe.
Kane ist dazu mit seiner Jugendliebe verheiratet, steht seit sieben Jahren bei Tottenham Hotspur unter Vertrag und scheint trotz unzähliger Gerüchte nie ernsthaft über einen Wechsel nachgedacht zu haben. Das muss man nicht als Sensation verkaufen, aber es ist auf gewisse Weise andersartig normal.
Modric jetzt erst Ballon d'Or-Kandidat? Unangebracht!
Wie Modric eben, dem seine unbändige Lust auf Fußball aus jeder Pore seines Körpers zu dringen scheint. Beispielgebend sein langer Sprint zur Eckfahne in der Verlängerung gegen Russland. Eine weitere Partie, die er mit seinen Fähigkeiten dominierte (140 Ballaktionen, vier Key Pässe, acht von elf erfolgreiche Dribblings, eine Torvorlage).
Das ist deshalb erstaunlich, weil der Kroate die nächste lange Saison in den Beinen hat. Er spielt ja auch immer bis zum Champions-League-Finale durch, das er in vier der vergangenen fünf Saisons - in denen Modric der unangefochtene Kopf und Stratege im Mittelfeld von Real Madrid war - gewann.
Nimmt man es genau, ist es eigentlich unangebracht, dass Modric erst jetzt während der WM zu den Aspiranten auf den Ballon d'Or gezählt wird. Auch wenn kein anderer Spieler bei diesem Turnier häufiger als er die Man-of-the-Match-Auszeichnung entgegennehmen durfte (3).
Bei Modric gibt es leider einen Haken
Leider gibt es bei ihm einen Haken, der eigentlich gar nicht zu seinem wenig schillernden Auftreten abseits des Platzes passt: Ende 2016 soll aus den Recherchen der Football Leaks hervorgegangen sein, dass er über eine auf seine Frau Vanja angemeldete und nach seinem Sohn Ivano benannte Briefkastenfirma in Luxemburg die Einkünfte für seine Bildrechte an der spanischen Steuer vorbeischleuste. In diesem Jahr soll er beim Korruptionsprozess gegen den kroatischen Funktionär Zdravko Mamic eine Falschaussage getätigt haben.
Das sind unerfreuliche Nachrichten, die andererseits gerade nach Lektüre der Football Leaks niemanden mehr verwundern sollten. Wer weiß, ob in Zukunft nicht auch von krummen Geschäften bei de Bruyne oder Kane berichtet wird. Hoffen wir es nicht.
Bis dahin, und gerade jetzt in den letzten Zügen der WM 2018, sollte man sich daran erfreuen, diesen Spielern in der Blüte ihres fußballerischen Schaffens zusehen zu können. Einfach, normal und genau deshalb anders - Modric, de Bruyne und Kane stehen in diesen Tagen für in der Fußballbranche seltener gewordene Attribute.