Schiffs-Container spielen eine wichtige Rolle bei der Weltmeisterschaft in Katar. Einerseits sind sie die architektonische Grundlage einer Austragungsstätte, dem nach Katars nationaler Telefonvorwahl benannten Stadion 974. Andererseits dienen sie abertausenden Fans als Schlafplatz.
In Ermangelung an ausreichend Hotelbetten wurden im Vorfeld des Turniers mehrere riesige Fan-Lager errichtet. Hauptsächlich bestehend aus Containern, wahlweise aber auch aus Zelten oder Wohnwägen. Auf der Website der offiziellen WM-"Accomodation Agency" sind insgesamt neun solcher Siedlungen gelistet, verstreut in und um Doha. Es gibt welche am Meer, beim Flughafen, in der Wüste oder neben Stadien.
Das sogenannte "Fan Village Rawdat Al Jahhaniya" liegt ganz im Westen Dohas fußläufig zum Ahmad-bin-Ali-Stadion. Daneben steht noch ein Einkaufszentrum, dahinter beginnt die Wüste. Mit rund 1000 Containern für je zwei Personen ist es eines der kleineren Lager, andere umfassen sogar sechsmal so viele Metallboxen.
"Restlos ausgebucht", heißt es beim Ortsbesuch von SPOX und GOAL während des dritten Gruppenspieltags an der Rezeption. Der Preis pro Nacht liegt bei umgerechnet rund 190 Euro. Auf der Website ist die Anlage mit drei von fünf Sternen bewertet. Jeder Container verfügt wahlweise über zwei Einzelbetten oder ein Doppelbett, ein Nachtkästchen, einen kleinen Tisch, einen Kühlschrank sowie ein Badezimmer samt Dusche und Toilette.
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WM 2022: Beschwerden über die Container-Lager
"Die Preise sind sehr hoch, die Qualität ist aber nicht gut", klagt ein taiwanesischer Fan, er wohnt hier schon seit einigen Tagen mit einem Freund. Bei der WM in Russland vor vier Jahren war er auch dabei, dort sei alles besser gewesen. "Wenn ich dusche, ist der Boden sofort mit Wasser überflutet. Und das Schloss ist kaputt. Ich kann den Container nicht absperren."
In diversen Rezensionen wird darüber hinaus über "Betten hart wie Felsen" oder "Klimaanlagen laut wie startende Kampfjets" gemeckert. Ein Gast aus England sieht das alles etwas entspannter: Beim Checkout berichtet er zwar ebenfalls von Überschwemmungs-Problemen, trotzdem habe er seine Zeit im Container-Lager generell genossen.
Alternativen sind im chronisch ausgebuchten Katar ohnehin schwer zu finden. In Frage kämen vielleicht noch vor Doha geankerte Kreuzfahrtschiffe - oder Nachbarländer. Viele Fans ohne Übernachtungsmöglichkeit vor Ort pendeln lediglich für die Spiele ihrer Mannschaften aus umliegenden Nationen wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain oder dem Oman nach Katar. Dieser Weg ist aber mit Risiken verbunden: Wegen Problemen mit der 24-Stunden-Einreisegenehmigung mussten beispielsweise etliche deutsche Fans Tickets verfallen lassen.
Die Wahrheit hinter dem sogenannten Fitnesscenter
Zurück ins "Fan Village Rawdat Al Jahhaniya": Hunderte Container sind hier in parallelen Reihen angeordnet, jede mit eigener Farbe und Kürzel. C3 ist türkis, C4 gelb. Auf manchen Containern sind auch Fahnen der Teilnehmerländer aufgedruckt und die tollen Worte, die an allen offiziellen WM-Orten in Katar zu sehen sind: "Win", "Welcome", "Play" und so weiter. Zwischen umherwandelnden Fans schieben Angestellte Einkaufswägen mit Handtüchern und Bettwäsche durch die Gassen. "Housekeeping" ist zweimal pro Woche inklusive, heißt es auf der Website.
Geworben wird dort auch mit einem "Fitnesscenter", wobei es sich dabei tatsächlich um zwei Tischtennisplatten ohne Netz und rund 25 simple Gerätschaften handelt. Statt für Muskeln sorgen sie bei den Fans eher für Belustigung. "Wo wir herkommen, steht sowas im Park herum", sagt der Taiwanese und lacht: "Das ist kein Fitnesscenter." Trainieren habe er übrigens noch niemanden gesehen. Kein Wunder, glühen die Gerätschaften doch unüberdacht in der prallen Wüstensonne vor sich hin.
Neben dem sogenannten Fitnesscenter befinden sich ein Starbucks-Van und ein riesiges Zelt mit dem Titel "Dining Hall", hier werden Burger, Pizza & Co. angeboten. In den Preis inbegriffen ist die Verpflegung - abgesehen von zwei Wasserflaschen pro Tag - aber nicht. Kein Problem: Auf der Anlage wurde ein ATM aufgestellt.
Nach der WM sollen die Container verschenkt werden
Die allerwichtigste Ausstattung des Container-Lagers ist aber wohl die große Leinwand zum kollektiven WM-Schauen, davor liegen bunte Sitzsäcke herum. Außerdem gibt es Fußball- und Volleyballfelder, genau wie die ganze Anlage sind sie mit einem grünen Kunstrasen ausgelegt.
"Der Fußballplatz ist super", schwärmt der Engländer. "Wir haben mit Leuten aus England, Deutschland, dem Iran, Tunesien, Frankreich und Südamerika gespielt." Es ist genau diese Art der Völkerverständigung, die so ein weltumfassendes Turnier ausmacht.
Für ihn geht die Zeit in Katar gerade zu Ende, er wartet auf sein Taxi zum Flughafen. Spätestens am Tag nach dem Finale sind dann alle Fans weg, kurz darauf auch die Container. "Sie werden abgebaut und an arme Länder wie Kenia oder Nigeria verschenkt", sagt der Manager der Anlage. Der grüne Kunstrasen wird dann ebenfalls verschwinden und Platz machen für die Rückkehr des Wüstensands.
WM 2022 in Katar: Die Viertelfinals im Überblick
Datum | Begegnung |
9. Dezember, 16 Uhr | Kroatien vs. Brasilien |
9. Dezember, 20 Uhr | Niederlande - Argentinien |
10. Dezember, 16 Uhr | Marokko vs. Portugal |
10. Dezember, 20 Uhr | England vs. Frankreich |