Cristiano Ronaldo lächelte am Ende einer weltmeisterlichen Gala ein wenig gequält, dann verschwand er schnell in der Kabine. Seine Mitspieler feierten den Mann, der ihren zum Reservisten degradierten Superstar und Kapitän vielleicht auf Dauer abgelöst hat. Gonçalo Ramos wurde nach seinen drei Treffern für Portugal beim begeisternden 6:1 (2:0) gegen die Schweiz getätschelt und geherzt, er küsste den Ball - und er blieb doch bescheiden.
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist ein Traum, der in Erfüllung geht", sagte der 21 Jahre alte Angreifer von Benfica Lissabon, der gegen einen völlig überforderten Gegner in der 17., 51. und 67. Minute getroffen hatte. Bahnt sich da eine Wachablösung an? "Ronaldo ist unser Mannschaftsführer, er ist unser Kapitän. Ob ich beim nächsten Mal wieder spiele, entscheiden andere", sagte der herausragende Stellvertreter.
Aber: Kein Ronaldo? Kein Problem! Am "Tag, an dem sich Portugal der Jugend ergab", wie die Zeitung Publico titelte, konnte der Superstar lange Zeit nur zusehen, wie sich der Europameister von 2016 in weltmeisterlicher Verfassung für das Viertelfinale gegen Marokko warmschoss. Ronaldo verfolgte es lächelnd, ab der 73. Minute durfte dann auch er mitmachen, aber seine Zeit ist nach der Ramos-Gala womöglich abgelaufen.
Als Ronaldo endlich unter tosendem Beifall eingewechselt wurde, war seiner Mannschaft das Viertelfinale am Samstag längst sicher. Die Portugiesen spielten ohne Ronaldo geradezu entfesselt und wie aus einem Guss, zum zwischenzeitlichen 2:0 (33.) traf sogar das alte Abwehr-Schlachtross Pepe, mit seinen bald 40 Jahren ist er nun der zweitälteste WM-Torschütze hinter dem Kameruner Roger Milla.
Und Ronaldo? Der jubelte begeistert mit. Als der Dortmunder Raphaël Guerreiro auf Vorlage von, genau, Ramos traf (55.), wärmte er sich gerade auf, nach dem Treffer von Manuel Akanji (58.) für die Schweiz hörte er dann vermutlich mit Genuss, dass ihn das Publikum mit Sprechchören feierte. Es war Balsam für seine verwundete Seele, auch die Zuneigung des Publikums bei und nach seiner Einwechslung. Rafael Leão (90.+2) besiegelte die höchste Schweizer Niederlage bei einer WM.
Das Spiel gegen Marokko ist das erste Viertelfinale für Portugal seit der WM 2006 in Deutschland - Ronaldo feierte damals WM-Premiere und gehörte zu der Mannschaft, die das Spiel um Platz drei gegen die DFB-Auswahl verlor. Für die Schweizer dagegen bleibt die Runde der letzten Acht eine Tabuzone: Zuletzt haben sie 1954 im eigenen Land das Viertelfinale erreicht.
Den ersten Aufreger der stürmischen Portugiesen hatte Trainer Fernando Santos initiiert, und das bereits vor dem Anpfiff. Ronaldo, der sich über seine frühe Auswechslung im letzten Gruppenspiel allzu offensichtlich beschwert hatte, saß auf der Bank. Für den längst auch sportlich gealterten Superstar (37) spielte eben jener Ramos, der vor der WM nur einen Länderspieleinsatz in seiner Vita stehen hatte. Sein vierter Einsatz: bemerkenswert.
WM 2022: Cristiano Ronaldos Ersatz Gonçalo Ramos schockt die Schweiz
Santos leitete damit eine Zeitenwende ein. Ronaldo stand erstmals seit 2008 nicht in Portugals Startelf bei einem großen Turnier. Auch die Schweizer mussten sich umstellen: Mitentscheidend sei, Ronaldo "den Raum zu nehmen", hatte Trainer Murat Yakin erklärt.
Dass Ronaldo in der Startelf fehlte, überraschte wohl auch die Schweizer. Sie ergriffen zunächst die Initiative, aber Ramos hatten sie irgendwie nicht auf dem Schirm. Mit einem Gewaltschuss traf er zur Führung, danach legten er und seine Mitspieler so richtig los. Die schockierten Schweizer kamen bis zu Akanjis Treffer kaum mal gefährlich vors Tor, im Gegensatz zu Ramos, der schon kurz vor der Pause das 3:0 auf dem Fuß hatte (43.).
Portugal - Schweiz: Die Stimmen zum Spiel
Fernando Santos (Nationaltrainer Portugal): "Wir wollten, dass das Team sehr flüssig spielt. Wir waren sehr gut, hatten viel Ballbesitz, viel Selbstbewusstsein und haben den Ball laufen lassen. Heute hat alles gut funktioniert."
Murat Yakin (Nationaltrainer Schweiz): "Der Plan ist leider nicht aufgegangen, aber wir müssen das akzeptieren. Niederlagen tun weh. Wir sind traurig. Wir wollten unser Land glücklich machen, aber das hat nicht geklappt. Der Gegner hat einen guten Start erwischt. Es sind viele Dinge nicht gut gelaufen.
Portugal - Schweiz: Die Daten zum Spiel
Portugal: Diogo Costa - Dalot, Pepe, Ruben Dias, Raphael - William - Bernardo (81. R. Neves), Otavio (ab 74. Vitinha) - B. (ab 87. R. Leao), G. Ramos (ab 74 R. Horta), Joao Felix (ab 73. Ronaldo). - Trainer: Santos
Schweiz: Sommer - Akanji, Schär (ab 46. Cömert), Ricardo Rodriguez - Xhaka - Fernandes, Freuler (ab 54. Zakaria), Sow (ab 54. Seferovic), Vargas (ab 66. Okafor) - Embolo (ab 89. Jashari), Shaqiri. - Trainer: Yakin
Schiedsrichter: Cesar Ramos (Mexiko)
Tore: 1:0 G. Ramos (17.), 2:0 Pepe (33.), 3:0 G. Ramos (51.), 4:0 Raphael (55.), 4:1 Akanji (58.), 5:1 G. Ramos (67.), 6:1 R. Leao (90.+2)
Zuschauer: 83.720 (in Lusail)
Gelbe Karten: - Schär (2), Cömert