Aufgewachsen als "Straßenkind", drohte Top-Talent Stephan Schröck der Absturz. Plötzlich ist der 24-jährige Rechtsverteidiger aber der Anführer der SpVgg Greuther Fürth und einer der Stars der 2. Liga. Beim 4:1 zum Auftakt gegen Karlsruhe steuerte der Deutsch-Philippine ein Tor und eine Vorlage bei. Und das alles dank Bruno Labbadias harter Hand, Mike Büskens' menschlicher Ader und einem Entzug...
SPOX: Seit diesem Monat gilt in Bayern das strengste Anti-Rauchgesetz Deutschlands. Die einen jubeln, die anderen sehen dadurch sogar die mögliche Verletzung der Grundrechte. Wie ist Ihre Meinung?
Stephan Schröck: Ich weiß natürlich, worauf Sie mit der Frage abzielen. (lacht) Dank der Boulevard-Medien ist es ja bekannt, dass ich vor drei Monaten mit dem Rauchen aufgehört habe.
SPOX: Und?
Schröck: Vor allem die ersten drei Tage waren unangenehm, weil ich mit einem Schlag auf viele Gewohnheiten verzichten musste. Durch das Rauchverbot fällt es mir sicherlich leichter, nicht so oft an die Zigaretten zu denken. Aber auch unabhängig von irgendwelchen Gesetzen bin ich überzeugt, dass ich meine Abstinenz durchhalte. Es ist ein schönes Gefühl, körperlich endlich das rausholen zu können, was möglich ist. Ich hatte noch nie so gute Fitnesswerte wie in diesem Sommer.
SPOX: Früher galten Sie nicht unbedingt als der trainingsfleißigste Spieler im Kader. Hat sich auch hier etwas geändert?
Schröck: Ich gehöre definitiv nicht zu denen, die jede Laufeinheit mit einem Lächeln absolvieren. Aber seit Mike Büskens unser Trainer ist, hat sich auch bei mir sehr viel verändert. Nicht nur wegen des Rauchens. Er hat die besondere Gabe, Trainingsinhalte so zu vermitteln, dass einem selbst stumpfe Zirkeleinheiten Spaß machen.
SPOX: Was macht Büskens genau aus?
Schröck: Natürlich ist er kompetent, aber was ihn besonders auszeichnet, ist das unglaubliche Feingefühl für Situation und Spieler. Diese menschliche Komponente habe ich in der Form noch nicht erlebt. Und: Er hat bereits auf Schalke mit vielen Talenten gearbeitet und passt daher perfekt zu den Anforderungen bei der SpVgg.
SPOX: Auch zu Ihnen?
Schröck: Absolut. Erst unter ihm habe ich das Bewusstsein für den Sport entwickelt. Ich weiß mittlerweile, dass eineinhalb Stunden Training am Tag nicht ausreichen, man muss das ganze Leben nach dem Fußball ausrichten. Indem man auf die Ernährung und Schlafzeiten achtet oder eine Stunde vor dem Training bereits in der Kabine sitzt, um sich einzustimmen. Das war bei mir nicht immer der Fall, aber seit dem letzten halben Jahr lebe ich für den Fußball. In der Zukunft wird es keine Probleme mehr geben!
SPOX: Sie bezeichnen sich als "Straßenkind" und erklärten, dass Sie wegen Ihrer Vergangenheit Probleme hatten, Ratschläge anzunehmen. Was ist ein "Straßenkind"?
Schröck: Ich bin in Schweinfurt in einem Problemviertel aufgewachsen. Nach der Schule haben wir die Zeit mit Kicken verbracht, manchmal aber leider auch mit Dummheiten, auf die ich nicht stolz sein kann. Wer in so einer Umgebung groß geworden ist, glaubt nicht daran, dass jemand einem helfen will - und baut sich so ein Schutzschild um sich auf. Deswegen habe ich in meinen ersten Profijahren nicht so viele Leute an mich heran gelassen.
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SPOX: Dann kam 2007 Bruno Labbadia.
Schröck: Er hatte großen Anteil daran, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Es gab einige Reibereien, weil er akribische Arbeit vorgelebt hat - und ich eher das Gegenteil. In vielen Gesprächen gelang es ihm jedoch, mir klarzumachen, was passieren wird, wenn ich mich nicht ändere. Damals haben mir die Lektionen nicht geschmeckt, aber im Endeffekt muss ich ihm sehr dankbar sein. Ich bin sicher, dass so ein toller Trainer auch nach den Erfahrungen in Hamburg und Leverkusen in Kürze wieder die Möglichkeit bekommt, einen Top-Klub zu betreuen.
SPOX: Unter Labbadia gehörten Sie zu den Talenten, mittlerweile sind Sie einer der Führungsspieler und waren sogar als Kapitän im Gespräch. War Ihr neues Standing ein Hauptgrund, um trotz zahlreicher Angebote aus der Bundesliga in Fürth zu bleiben?
Schröck: Einige Angebote waren sehr reizvoll, andererseits hat es wenig Sinn, als zweiter oder dritter Rechtsverteidiger zu einem Erstligisten zu wechseln, nur weil man sich als Bundesliga-Spieler bezeichnen will. Mit meinen 24 Jahren ist es viel wertvoller, als Führungsfigur dabei zu helfen, eine Mannschaft zu formen, die vielleicht in zwei Jahren den Aufstieg als Ziel ausgeben kann.
SPOX: Sie sagten jüngst: "Selbstvertrauen ist keine Krankheit." Neue Töne aus dem sonst zurückhaltenden Fürth.
Schröck: Ich möchte dem Begriff "Selbstvertrauen" den negativen Touch nehmen. Wir können mit stolzgeschwellter Brust in die neue Saison gehen und müssen uns vor keinem Gegner fürchten. Dass heißt aber nicht, dass wir enttäuscht wären, wenn es dieses Jahr nichts mit dem Aufstieg wird. Es ist anders als in Berlin oder Bochum nicht der Anspruch des Vereins, das zeigt alleine der Blick auf den Etat.
SPOX: Dennoch gilt Fürth als Geheimtipp.
Schröck: Wir haben mit Sami Allagui und Marco Caligiuri zwei wichtige Spieler verloren - spätestens nach der Vorbereitung ist jedoch klar: Wir haben Jungs in den Startlöchern sitzen, die mindestens das gleiche Potenzial haben. Ich würde auf Dani Schahin aufpassen, der zwar ein schweres letztes Jahr hatte, aber Sami Eins-zu-eins ersetzen kann und nicht umsonst in die deutschen U-20-Nationalmannschaft berufen wurde. Oder Sercan Sararer, ein 20-jähriger Deutsch-Spanier mit dem vielleicht größten Talent in der Mannschaft. Beide werden für Furore sorgen.
SPOX: Auf wen sollte man noch achten?
Schröck: Auch wenn sich die zwei bereits als Stammspieler durchgesetzt haben: Nicolai Müller und Torwart Max Grün. Nico kenne ich bereits seit acht Jahren. Ein Junge, der so schnell und wendig ist wie Jonathan Pitroipa, dazu aber einen super Abschluss mitbringt. Er steht vor einer großen Karriere. Und bei Max überlege ich mir immer, wie ein 23-Jähriger mit nicht einmal 15 Zweitliga-Einsätzen schon so abgezockt im Tor stehen kann.
SPOX: Sie selbst sind auch erst am Samstag 24 Jahre alt geworden...
Schröck: Von daher gehe ich aus, dass auch ich mich in allen Bereichen steigern kann. Letzte Saison verlief schon überdurchschnittlich gut, aber jetzt muss noch viel mehr kommen. Vor allem körperlich. Als ich bei der WM Spaniens Sergio Ramos beobachtet habe, wie er andauernd hoch und runter gesprintet ist, wusste ich, dass ich deutlich zulegen muss.
SPOX: Sie gelten als einer der begabtesten Rechtsverteidiger Deutschlands und liefen für DFB-Juniorenteams auf - doch Sie selbst werden wohl niemals an einem Großturnier teilnehmen, weil Sie sich für die Nationalmannschaft der Philippinen entschieden haben. Warum?
Schröck: Es hat viele Gründe. Vielleicht die wichtigste: Für meine Mutter würde ein Traum in Erfüllung gehen, wenn der Sohn für ihr Heimatland auflaufen würde. Mit Fahne, Hymne und allem drum und dran. Außerdem hat der philippinische Verband versprochen, die Schulkosten für all meine Cousins und Cousinen dort zu übernehmen.
SPOX: Fürth und die philippinische Hauptstadt Manila trennen 10.000 Kilometer, außerdem stehen Ihnen Auswärtspartien in Turkmenistan oder auf den Malediven bevor. Haben Sie keine Bedenken?
Schröck: Auf ein Spiel in Turkmenistan werde ich beispielsweise verzichten, dafür konzentriere ich mich auf die für die Philippinen wichtigsten Partien. Dennoch wird es ein Abenteuer, ganz klar. Meine erste Nominierung ist im Dezember für den ASEAN Cup in Vietnam und Indonesien geplant. Es ist ein Turnier der besten südostasiatischen Länder und die Philippinen kämpfen im Oktober um die Qualifikation. Sollte die gelingen, bin ich dabei - und meine Mutter wäre überglücklich. (lacht)
Ein Leben als Kleeblatt: Stephan Schröck im Steckbrief