SPOX: Herr Müller, auf die Frage "Wo möchtest Du gerne leben?" haben Sie auf der Vereinshomepage geantwortet: Orange County. Was zieht denn einen Unterfranken nach Kalifornien?
Nicolai Müller: Ich habe einmal eine Serie über die Gegend dort angeschaut und das hat mir sehr gut gefallen. Das war kurz bevor ich den Steckbrief für die Homepage ausgefüllt habe. Ich war etwa 18 Jahre alt und fand die Gegend einfach cool - kaum Regen, viel Sonne.
SPOX: Dort liest man auch, dass Cristiano Ronaldo Ihr sportliches Vorbild sei. Gibt es auch einen deutschen Spieler, dem Sie gerne zuschauen?
Müller: (überlegt) Eigentlich nicht. Ich beobachte aber gerne Spieler, die meine Position spielen. Was beispielsweise ein Andre Schürrle in Mainz abliefert, ist sensationell. Da kann man viel lernen, wenn man zusieht.
SPOX: Zu Beginn Ihrer Fußballerkarriere sind Sie mit elf Jahren vom TSV Wernfeld in die Jugend von Eintracht Frankfurt gewechselt. Wie kam das zustande?
Müller: Damals habe ich in der F- und E-Jugend zweimal hintereinander ca. 100 Tore in einer Saison geschossen. Es war immer mein Traum, Fußballer zu werden. Also habe ich zusammen mit meinen Eltern einfach mal in Frankfurt angerufen, ob ich ein Probetraining absolvieren könne. Das hat geklappt. Der damalige Trainer wollte, dass ich bleibe.
SPOX: Wieso sind Sie letztlich mit 16 wieder von Frankfurt weggegangen? Hat die Perspektive gefehlt?
Müller: Ja. Am Ende der Saison stellte sich immer die Frage: Wird man in die nächsthöhere Jugend übernommen oder nicht? Mir wurde gesagt, dass ich für die B-Jugend körperlich nicht stark genug sei. Man würde mir nicht zutrauen, dort zu spielen. Also musste ich den Verein verlassen.
SPOX: Wie sind Sie dann in Fürth gelandet?
Müller: Mein damaliger Trainer hatte Kontakte nach Fürth und hatte mich dort empfohlen. Er riet mir, dort ein Probetraining zu machen.
SPOX: Welche typischen Unterschiede zum Alltag bei der Eintracht haben Sie dort feststellen können?
Müller: Für mich war es faszinierend, wie familiär hier mit den Jugendspielern umgegangen wird. Der Trainer hat mich immer vom Bahnhof abgeholt. Spieler, die weiter weg gewohnt haben, wurden mit Bussen abgeholt und zum Training gefahren. Als ich dann im Fürther Jugendhaus gelebt habe, haben wir wie in einer Familie gewohnt. Die Hausmutter war wie eine zweite Mutter für uns, sie hat sich viel um uns gekümmert. Die Jugendarbeit hier ist sensationell. Da habe ich Fürth sehr viel zu verdanken.
SPOX: Im Winter 2009 ließen Sie sich in die 3. Liga zum SV Sandhausen ausleihen. Nach der Rückrunde ging es zurück nach Fürth. War das so geplant oder haben Sie auch überlegt, eine weitere Saison in Sandhausen zu bleiben?
Müller: Ja, das war auf jeden Fall eine Überlegung. Es lief dort sehr gut für mich und ich habe mich wohl gefühlt. Eigentlich hatte ich entschieden, in Sandhausen zu bleiben. Aber Fürth hat sein Veto eingelegt, also bin ich zurückgekehrt.
SPOX: Wurden Ihnen dafür bessere Perspektiven in Fürth aufgezeigt?
Müller: Mir wurde gesagt, ich solle mit dem Selbstvertrauen aus Sandhausen hierher zurückkommen, dann hätte ich gute Chancen.
SPOX: Das hat ja auch bestens geklappt. Nach Ihrer Rückkehr haben Sie sich bei der SpVgg etabliert. Was hat Ihnen die Zeit in Sandhausen diesbezüglich im Nachhinein gebracht?
Müller: Das war mit der wichtigste Schritt, den ich je gemacht habe. Einmal einen Schritt zurück zu gehen, ist gar nicht so schlimm. Das war optimal und die beste Lösung für mich.
SPOX: Mit dem Transfer nach Mainz im Sommer werden Sie nun den nächsten Schritt vorwärts machen. Was versprechen Sie sich von dem Wechsel?
Müller: Ich habe mir als Ziel gesetzt, im Sommer Bundesliga zu spielen. Die Gespräche mit dem Trainer und die Spielweise bei Mainz waren ausschlaggebend. Das temporeiche, offensive Spiel liegt mir einfach. Das Gesamtpaket bei Mainz stimmt.
SPOX: Am Bruchweg geht es zudem vergleichbar familiär zu.
Müller: Ja, auf jeden Fall. Ich achte sehr auf das Umfeld. Ich bin nun einmal ein Familienmensch.
SPOX: Beim FSV sollen Sie Andre Schürrle ersetzen.
Müller: Es ist einfach sensationell, was Schürrle in den letzten zwei Jahren gezeigt hat. Mit 20 Jahren ist er Nationalspieler. Diese Dynamik, diese Entschlossenheit, die er an den Tag legt, das ist schon verdammt gut.
SPOX: Schürrle kommt in Mainz zumeist über die linke Seite. Sie sind auf beiden Außenbahnen einsetzbar. Ist Ihnen dennoch eine Position lieber?
Müller: Ehrlich gesagt spiele ich lieber auf links. Da kann ich schön nach innen ziehen und besser zum Abschluss kommen. Ich wurde lange auf links eingesetzt und mittlerweile ist das meine Lieblingsposition.
SPOX: In Marco Caligiuri, Sami Allagui und Florian Heller spielen drei ehemalige Fürther in Mainz. Haben Sie Kontakt zu einem der Ex-Fürther?
Müller: Mit Caligiuri habe ich sehr guten Kontakt, wir telefonieren wöchentlich.Natürlich habe ich ihn auch wegen Mainz ausgefragt. Er hat ausschließlich Positives erzählt. Aber letzten Endes muss man die Entscheidung selbst treffen.
SPOX: Zuvor schafften schon Roberto Hilbert, Martin Lanig, Christian Eigler oder Juri Judt den Sprung aus Fürth in die Bundesliga. Können Sie erklären, warum Fürth solch ein gutes Sprungbrett ist?
Müller: In Fürth wird sehr attraktiver Fußball gespielt. In den letzten Jahren sind viele Vereine darauf aufmerksam geworden, dass dort viele Nachwuchsspieler den Durchbruch schaffen. Das liegt hauptsächlich an der überragenden Jugendarbeit. Jeder junge Fußballer hat nun einmal den Traum, eines Tages in der Bundesliga zu spielen.
SPOX: Mit Fürth in die Bundesliga - dieser Traum wurde in den letzten Jahren beinahe zur Unmöglichkeit. Fast immer landete die Spielvereinigung zuletzt auf den Plätzen vier bis sechs.
Müller: Auch wenn ich jetzt nach Mainz gehe, hoffe ich sehr, dass Fürth aufsteigt und ich in der kommenden Saison an meine alte Wirkungsstätte zurückkehren kann.
SPOX: Derzeit liegt die SpVgg fünf Punkte hinter dem Relegationsplatz. Weshalb sollte man Fürth im Aufstiegsrennen nicht schon abschreiben?
Müller: Wir haben auch schon gegen Duisburg gezeigt: Wir können jederzeit zurückkommen, auch wenn es schlecht läuft. Wir wollen sechs Siege in den letzten sechs Spielen holen. Und wir können sicher sein: Bochum muss irgendwann mal einbrechen. Wir haben nichts zu verlieren. Wenn wir nicht aufsteigen, dann ist es so wie immer. Doch noch können wir das für viele unmöglich erscheinende schaffen. Dafür arbeiten wir jeden Tag hart im Training.
Die Saisonbilanz der SpVgg Greuther Fürth