Die graue Hose ist sein Markenzeichen. Gabor Kiraly erklärt im Interview, warum eine Waschfrau daran Schuld ist, wie Torhüter unter der mentalen Belastung leiden und warum er wieder nach Ungarn zurück will.
SPOX: Gabor Kiraly und die graue Jogginghose, das ist mittlerweile ein untrennbares Doppel. Stört es Sie, dass Sie immer auf Ihr Outfit angesprochen werden?
Gabor Kiraly: Nein, das nicht. Die Geschichte habe ich schon so oft erzählt und mittlerweile, weiß eigentlich jeder, warum ich sie trage.
SPOX: Weil Sie damals mit Ihrem Stammverein Haladas Szombathely durch eine Siegesserie den Klassenerhalt geschafft haben.
Kiraly: Das ist jetzt 16 Jahre her. Wir haben acht oder neun Spiele in Folge nicht verloren und von da an habe ich die Hose immer weiter getragen. Auch in der Bundesliga oder in der Premier League. Und sie hat mir immer Glück gebracht. Mit Hertha haben wir als Aufsteiger die Klasse gehalten und uns im zweiten Jahr für die Champions League qualifiziert.
SPOX: Haben Sie irgendwo einen Ehrenschrank mit einigen Exemplaren stehen?
Kiraly: Ich habe noch meine erste Hose aus Ungarn, einige von der Nationalmannschaft und die berühmte Schlabberhose aus der Hertha-Zeit, mit der ich vielleicht um die 200 Spiele gemacht habe. Aber die ist schon ziemlich verschlissen.
SPOX: Haben Sie schnell gemerkt, dass die Hose auch als Ihr Markenzeichen dienen könnte?
Kiraly: Nein, weil es einem Notfall geschuldet war. Ich habe schon immer in langer Hose gespielt. Die schwarze, mit der ich normal aufgelaufen bin, war in der Wäsche und die Waschfrau ist nicht rechtzeitig fertig geworden. Also hatte ich keine Alternative zur grauen. Mit der Zeit wurde auch ein bisschen Aberglaube daraus.
SPOX: Wie wichtig ist Ihnen die Hose noch?
Kiraly: Sie hat für mich keine große Bedeutung. Jeder zieht sich so an, wie er es für seine Arbeit am besten geeignet hält. Ich will als Torwart nicht wie ein Topmodel aussehen, sondern durch Leistung auffallen.
SPOX: Das klappt bei 1860 bisher ganz gut. Sie sind noch ungeschlagen und haben vier der ersten fünf Spiele zu Null gespielt.
Kiraly: Der Saisonstart ist gut gelaufen. Die Resultate zeigen, dass wir eine starke Defensive haben. Vier Spiele zu Null, das macht mich stolz. Aber die Frage ist: Wie lange können wir das durchhalten?
SPOX: Bis zur Länderspielpause stehen vier Spiele gegen Braunschweig, Ingolstadt, Sandhausen und Hertha an. Eine erste richtungweisende Phase für den weiteren Verlauf der Saison?
Kiraly: Wir können zwar über die nächsten Spiele sprechen, aber man kann keine Serie planen. Die kommt nur, wenn man in jedem Spiel Leistung bringt. Die Liga ist in dieser Saison sehr ausgeglichen, es gibt keine klaren Aufstiegsfavoriten und keine klaren Abstiegskandidaten. Wir haben beispielsweise auch gesehen, dass Duisburg eine gefährliche Mannschaft hat. Jetzt steht mit Braunschweig eine große Aufgabe an.
SPOX: Wie erwarten Sie Braunschweig in München?
Kiraly: Ich erwarte eine sehr stabile Mannschaft, die sehr aggressiv auftritt und gezielt nach vorne spielt. Aber Braunschweig muss merken, dass wir zuhause spielen.
SPOX: 1860 träumt seit Jahren vom Aufstieg. Der Kader scheint in dieser Spielzeit stark wie lange nicht.
Kiraly: Quervergleiche sind schwierig. Der Verein hat die Abgänge von wichtigen Spielern durch neue Spieler mit gleicher oder größerer Qualität ersetzt. Ob wir dadurch auch dauerhaft die Mannschaftsqualität erhöhen, muss sich erst zeigen.
Teil 2: Gabor Kiraly über mentale Krisen und Heimweh
SPOX: Mit 36 Jahren können Sie gelassen an die Sache herangehen und auf eine bewegte Karriere zurückblicken. Was ist Besonderes hängen geblieben?
Kiraly: Meine Karriere bisher war überragend. Ich habe neue Kulturen, zwei neue Sprachen und viele Menschen kennengelernt. Das sind ganz besondere Erinnerungen und Erfahrungen. Außerdem durfte ich die Lebensqualität in England und Deutschland genießen.
SPOX: Es gab auch Tiefen in Ihrer Laufbahn. Sie wechselten 2004 zu Crystal Palace, nachdem in Deutschland fälschlicherweise über Depressionen berichtet wurde. Sie waren aber weder in psychologischer Behandlung noch haben Sie Medikamente genommen. Wie wichtig war es für Sie, diese Phase ohne Hilfe von außen gemeistert zu haben?
Kiraly: Ich bin ein Sturkopf, will alle meine Fehler selbst korrigieren. Das geht nicht immer. Aber ich wusste, dass ich das hinkriege. Ich habe mich damals etwas zurückgezogen und auch die Presse gebeten, mir etwas Zeit und Ruhe zu gewähren. Die Berliner Medien haben das akzeptiert. Das war sehr wichtig. Es gab eine Entwicklung, an deren Ende ich zwei Tage in ein richtiges Loch gefallen bin. Das war in der Winterpause, es fand in der Zeit also kein Spiel statt. Ich habe die Zeit genutzt, um mich neu zu orientieren und meine Gedanken zu sammeln.
SPOX: Wie merkt man, dass man in diese mentale Krise schlittert?
Kiraly: Die psychische Belastung hat sich auf den Körper ausgewirkt, ich wurde anfälliger für Verletzungen. In Hannover habe ich mir beim Torjubel einen Muskelfaserriss geholt. Nachdem ich wieder fit war, bin ich auf meine Schulter gefallen und konnte meine Hand nicht mehr bewegen. Man fragt sich: Als Torwart falle ich im Training so oft auf meine Schulter, was ist los? Diese Probleme waren alle mental bedingt. Der Kopf blockiert und der Körper reagiert.
SPOX: Verschärft die Position des Torhüters dieses Problem?
Kiraly: Natürlich haben wir eine Sonderrolle im Fußball. Peter Disztl, ein berühmter ungarischer Torwart, hat einmal gesagt: "Der Torhüter steht immer in der Verantwortung. Feldspieler können die Schuld auf andere schieben."
SPOX: Der Druck auf Sie hat sich nicht verändert, wie kommen Sie jetzt damit klar?
Kiraly: Um den richtigen Umgang mit diesen Situationen zu lernen, muss man diese Erfahrungen machen. Ich weiß jetzt, was ich in der Vor- und Nachbereitung der Spiele zu beachten habe. Mir ist heute bewusst, dass ich nicht perfekt sein kann. Das muss ich akzeptieren. Das heißt nicht, dass ich viel verändert habe, ich bin einfach ruhiger und distanzierter geworden.
SPOX: Wie haben Sie auf den Tod von Robert Enke reagiert?
Kiraly: Ich war sehr traurig, weil ich gedacht hatte, er schafft das.
SPOX: Sie wussten vorher davon?
Kiraly: Nein, das nicht. Aber jeder Torhüter hat mit Krisen zu tun. Auch Oliver Kahn und Jens Lehmann werden solche Tiefs durchlaufen haben. Man muss da durch, entweder mit oder ohne Hilfe. Robert hat gekämpft, aber irgendetwas hat leider gefehlt.
SPOX: Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Ihnen besonders geholfen hat?
Kiraly: In England gehen die Leute etwas lockerer mit Fußball um, das fehlt mir in Deutschland ab und zu. Die Zeit in Burnley war eine wichtige Erfahrung für mich, weil ich im zweiten Jahr nur die Nummer drei war. Der Verein wollte mich verkaufen, mein Akku war leer. Die Zeit im Hintergrund war genau richtig, um ihn wieder aufzuladen. Ich hatte nicht ständig diesen Druck, diesen Stress, mich im Training und im Spiel immer beweisen zu müssen. Es reichte im Training Spaß zu haben und der Mannschaft mit meiner Persönlichkeit zu helfen. Der Trainer wollte mich deshalb bei jedem Spiel bei der Mannschaft haben, obwohl ich als dritter Torhüter immer auf der Tribüne saß. Wenn man immer nur das nächste Spiel im Kopf hat und an nichts anderes denkt, als an "arbeiten, arbeiten", dann verlierst du irgendwann die Motivation.
SPOX: Auch Ihre Familie spielte eine wichtige Rolle. Wie wichtig ist Ihnen die Bindung zur Heimat?
Kiraly: Das Heimweh ist über die Jahre nicht weniger geworden. Meine ganze Familie und viele Freunde sind in Szombathely, ich habe täglich Kontakt in die Heimat. Auch meine Kinder wollen später in Ungarn leben, obwohl sie auch in Deutschland und England aufwachsen und sich immer sehr wohl gefühlt haben. Aber die ungarische Mentalität ist sehr durch die Familie geprägt.
SPOX: Sie haben in Ihrer Heimatstadt auch ein Sportzentrum gegründet.
Kiraly: Die Erfahrungen, die ich im Ausland gesammelt habe, will ich an die Menschen in meiner Heimat weitergeben. Ich will ihnen zeigen, was sie in ihrem Leben erreichen können. Die Leute können sich auf meine Unterstützung und meinen Rat zählen. Vielleicht kann ich so dem ungarischen Fußball etwas zurückgeben - nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. Ich will einen Teil der deutschen Mentalität nach Ungarn bringen.
Gabor Kiraly im Steckbrief