"Mischung aus Spielmacher und Abräumer"

Von Interview: Haruka Gruber
Goretzka feiert mit seinen Ex-Mitspielern aus der Jugend das Siegtor gegen Dresden
© Imago

In acht Wochen erlebte Bochums Leon Goretzka, der am Donnerstag mit dem VfL auf den 1. FC Kaiserslautern trifft (20.15 Uhr im LIVE-TICKER), den "Wahnsinn": den Aufstieg zu einem der begehrtesten Talente der Welt. Was den 17-jährigen trotz der Angebote von internationalen Topklubs im Ruhrpott hält. Und warum er Toni Kroos nacheifert.

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SPOX: Mit 17 Jahren sind Sie nicht nur Stammkraft in Bochum, sondern gehören zu den besten Zweitliga-Profis überhaupt und wurden als Deutschlands bester U-17-Spieler mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet. Mit welchem Wort lassen sich die letzten acht Wochen beschreiben?

Leon Goretzka: Wahnsinn. Schon die Saisoneröffnung gegen Mönchengladbach war der Hammer, dann stehe ich im ersten Pflichtspiel gegen Dresden in der Startelf, mache ein Tor und wir gewinnen 2:1. Seitdem ging es gut weiter. Ich hätte nicht gedacht, dass alles so schnell geht.

SPOX: Bei der U-17-EM im Mai traten Sie erstmals für eine große Öffentlichkeit in Erscheinung: Sie waren nicht nur der Kapitän, sondern neben Schalkes Torschützenkönig Max Meyer auch fußballerisch der Beste im Team. Wurden Sie davor etwas unterschätzt?

Goretzka: Beim DFB nicht, aber es kann sein, dass einem als Spieler eines Zweitligisten nicht ganz so viel zugetraut wird und dass man als fleißiger Bochumer gilt. Ich bin immer noch ein Arbeiter, dennoch bin ich froh, dass ich die U-17-EM als Plattform nutzen konnte, um meine anderen Qualitäten zu zeigen.

SPOX: Die deutsche U 17 war bei der EM der Konkurrenz überlegen, erreichte ohne Gegentor das Finale, führte dort gegen die Niederlande bis zur Nachspielzeit mit 1:0. Doch dann folgten der Ausgleich und die dramatische Niederlage im Elfmeterschießen. Wie sehen Sie das Turnier mit etwas Abstand?

Goretzka: Wir wussten schon vor der EM, dass einiges gehen könnte. Wir hatten zuvor gegen Topnationen wie Italien oder eben die Niederlande sehr gut ausgesehen und bis zum Finale eine Serie von 29 Spielen ohne Niederlage aufgestellt. Insgesamt war es also ein super Erlebnis. Wobei das Ende immer noch bitter ist.

SPOX: Der verpasste EM-Titel verhinderte nicht Ihren Aufstieg zu einem der begehrtesten Talente der Welt. Unter anderem erkundigten sich Inter Mailand, Juventus Turin und der FC Bayern nach Ihnen. Trotzdem verlängerten Sie in Bochum bis 2016. Warum?

Goretzka: Gerade die Klassenkollegen, die sich nicht so gut im Fußball auskennen, fragten mich, warum ich nicht wechsle. Mein nahes Umfeld weiß hingegen genau, warum ich mich so entschieden habe, und unterstützt mich voll und ganz. Es sprachen einfach viele Gründe für Bochum: Hier bekomme ich meine Einsätze, hier ist mein Zuhause und hier kann ich an der Schule bleiben und 2014 mein Abitur machen.

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SPOX: Ist Ihnen aufgefallen, dass Duisburgs Andre Hoffmann einen ähnlichen Karriereplan verfolgt? Er stammt wie Sie aus dem Ruhrpott, wurde Kapitän von DFB-Nachwuchsmannschaften, gewann in der U 17 und U 19 die Fritz-Walter-Medaille in Silber, bekam zahlreiche Angebote - und dehnte seinen Vertrag beim Zweitligisten bis 2015 aus.

Goretzka: Persönlich gesehen habe ich ihn erst Anfang September bei der Verleihung der Fritz-Walter-Medaillen. Aber mir ist vorher schon aufgefallen, dass wir uns tatsächlich ähneln. Mir imponiert seine Entscheidung, beim MSV zu bleiben. Es ist ehrenwert, dass er seit der Jugend in Duisburg spielt und sich nicht von seinem Weg abbringen lässt. Das möchte ich auch schaffen.

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SPOX: Wie lässt sich Ihr Verhältnis zu Bochum beschreiben?

Goretzka: Bochum ist meine Heimat. Ich bin dort geboren, aufgewachsen und wurde von klein auf ins Stadion mitgenommen. Ich war dabei, als wir in der Bundesliga Fünfter wurden. Ich war dabei, als wir gegen Lüttich aus dem UEFA-Cup flogen, weil Edu über den Ball trat. Ich habe mit dem VfL alles miterlebt und mitgelitten. Das prägt.

SPOX: Wo sehen Sie den VfL in der Zukunft?

Goretzka: Langfristig muss es das Ziel sein, dorthin zurückzukehren, wo wir einmal waren. Warum sollte nicht gelingen, uns irgendwann in der Zukunft wieder in der Bundesliga zu etablieren?

SPOX: Erstmals standen Sie in der Vorsaison im Blickfeld: Trainer Andreas Bergmann wollte Sie als damals 16-Jährigen in der Zweiten Liga einsetzen, durfte allerdings nicht. Woran ist es damals gescheitert? Am Alter?

Goretzka: Nein, zum Beispiel hatte Nuri Sahin mit 16 schon für Dortmund Bundesliga gespielt. Ich durfte nicht, weil ich in der Vorsaison offiziell als B-Jugendlicher eingetragen war. Und in diesem Fall verbieten es die Statuten, im Profi-Bereich eingesetzt zu werden.

SPOX: Das Verpasste holen Sie in dieser Saison nach.

Goretzka: Der personelle Umbruch war nicht schön für den VfL, für mich kam er jedoch zum perfekten Zeitpunkt. Wir haben jetzt einen guten Mix. Es gibt Erfahrene wie Marcel Maltritz, Christoph Dabrowski und Lukas Sinkiewicz, die einem Tipps geben. Und es gibt viele Junge, mit denen ich alleine aus Altersgründen privat viel zu tun habe. Mit meinen Mitspielern im Mittelfeld, Christoph Kramer und Marc Rzatkowski, verstehe ich mich klasse. Das sieht man an den Leistungen.

SPOX: Das Mittelfeld wird komplettiert durch den Neuzugang Yusuke Tasaka. War der 27-jährige Japaner überrascht, plötzlich mit einem 17-Jährigen aufzulaufen, von dem er zuvor noch nie etwas gehört hatte?

Goretzka: Er hat anfangs immer gefragt, ob ich der Sohn von einem der Spieler bin. (lacht)

SPOX: Bei Bochum können Sie im Mittelfeld alle Positionen besetzen. Wo sehen Sie sich langfristig? Gibt es ein Vorbild?

Goretzka: Ich kannte es viele Jahre gar nicht, ein Vorbild zu haben. Ich hatte mich mit der Frage nie auseinandergesetzt. Menschlich orientierte ich mich natürlich an Leuten wie Dariusz Wosz, der eineinhalb Jahre mein Trainer war und extrem viel erreicht hat. Aber fußballerisch eifere ich am ehesten Toni Kroos nach. Ich sehe mich zukünftig in erster Linie als Achter, als eine Mischung aus Spielmacher und Abräumer.

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