"Es gibt die Angst, zu gläsern zu sein"

Für Peter Stöger ist der 1. FC Köln die erste Station im Ausland als Trainer
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SPOX: In Wien hieß es, Sie hätten Angst gehabt, dass der Zug abgefahren sein könnte, wenn Sie es jetzt nicht als Trainer im Ausland versuchen würden.

Stöger: Angst hatte ich keine. Es war eine einmalige Gelegenheit, die sich mir geboten hat. Es liegt nicht jede Woche ein Angebot des 1. FC Köln auf dem Tisch. Das musste ich einfach machen, zumal wir in Österreich eben auch einen großen Erfolg gefeiert und eine gewisse Anerkennung erfahren hatten.

SPOX: Gab es bereits früher einmal Kontakte nach Deutschland, die Sie dann aber abgesagt haben?

Stöger: Ja, es gab in diesem Sommer zwei andere Anfragen. Da habe ich mir aber gesagt, dass ich dafür nicht die Perspektive bei der Austria liegen lassen will.

SPOX: Der 1. FC Köln hat lange Zeit an Ikonen wie Wolfgang Overath, Lukas Podolski oder Christoph Daum festgehalten, die von der breiten Masse sehr verehrt wurden. Wie wichtig ist es für den FC, sich von diesen Figuren zu emanzipieren?

Stöger: Für eine genaue Beantwortung dieser Frage bin ich zu kurz hier. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein Erfolg - und wir beim FC streben mit dem Aufstieg ja einen solchen an - nicht mit einzelnen Personen zu erreichen ist, die eine außerordentliche Wertigkeit haben. Natürlich werden Einzelne glorifiziert, aber es kann immer nur über die Gruppe gehen.

SPOX: Wie haben Sie denn den FC in Österreich wahrgenommen?

Stöger: Schon so, wie Sie es skizzierten. Der FC war immer personenbezogen, das hatte man mit dem Verein auch verbunden. Es zeichnet diesen Klub aber auch auf eine Weise aus, dass es hier einige Gallionsfiguren gibt, die mit dem Geleisteten aus dem FC einen großen Traditionsverein machen.

SPOX: Jörg Schmadtke ist zwei Wochen nach Ihnen als Sportdirektor zum FC gewechselt. Schmadtke meinte kürzlich, sein Humor wäre schwarz. Ihren nennen Sie trocken. Wie spaßig ist denn die Zusammenarbeit?

Stöger: Es geht derbe zu (lacht). Er ist ein angenehmer Gesprächspartner, auch was die Themen außerhalb des Fußballs angeht. Die Qualität einer echten Zusammenarbeit zeichnet sich nicht dann aus, wenn man in der Tabelle weit oben steht, sondern wenn es finster wird. Derzeit funktioniert es in diesem Sinne bei uns noch zu gut, um eine abschließende Bewertung vornehmen zu können. Es gab bislang aber kaum Probleme zwischen uns und das stimmt uns beide positiv.

SPOX: Schmadtke wollte früher Trainer werden, Sie waren einige Jahre Sportdirektor. Hilft das?

Stöger: Das ist uns auch aufgefallen und sicher ein Grund für die angenehme Zusammenarbeit. Wir haben beide einen vergrößerten Blickwinkel, so dass wir gegenseitig schneller um Verständnis beim jeweils anderen werben können.

SPOX: Sie werden in Köln besonders für Ihre Achtung vor und Identifikation mit dem Klub gelobt. Sind diese Werte in der heutigen Zeit, in der Spieler am einen Tag das Wappen auf dem Trikot küssen und am anderen den Verein wechseln, überhaupt noch realistisch an alle vermittelbar?

Stöger: Weil das Geschäft einfach so kurzlebig ist, wird es zumindest immer schwieriger. Den Jungs ist es in dem speziellen Moment schon abzunehmen, dass sie euphorisch für ihren Verein sind und ihn lieben. Dass das wenige Monate später eine ganz andere Situation sein kann, muss man akzeptieren. Es kann ja immer sein, dass sich eine Möglichkeit ergibt, auf noch höherem Niveau zu spielen und seine persönliche Entwicklung voranzutreiben. Und dann geht man eben. Der Fan fragt sich natürlich, ob das echt ist. Ich glaube aber, dass es bei den allermeisten zu dem Zeitpunkt, zu dem aus der Emotion heraus das Wappen geküsst wird, eine hundertprozentig echte Geste ist.

SPOX: Vielleicht fragen sich manche Austria-Fans Ähnliches, was Sie angeht.

Stöger: Natürlich kann man mir so etwas auch vorwerfen. Ich habe dort den schönsten Meistertitel meiner Karriere erlebt, mit den meisten Emotionen und dem Höchstmaß an Respekt, das mir jemals entgegengebracht wurde. Und dennoch habe ich gesagt, dass es Zeit ist zu gehen - weil der FC gewartet hat. Ich habe echte Tränen vergossen, als wir letztes Jahr den Titel gewonnen haben und bin nun trotzdem gern in Köln.

SPOX: Dorthin haben Sie Werner Zöchling mitgenommen, einen ausgebildeten Soziologen. Er wollte Sie einst als Redner für einen Vortrag gewinnen, es gab ein Treffen an einer Autobahnraststätte. Wie kam das zustande?

Stöger: Es war Zufall, dass es ausgerechnet an der Raststätte losging. Er war damals in Wien, aber wieder auf dem Weg in Richtung Oberösterreich. Die Raststätte lag in der Nähe meines Zuhauses und er ist dort dran vorbei gefahren. Wir haben uns dann kennengelernt und seitdem den Kontakt intensiviert. Er hat mir früh imponiert. Ich hatte schon während meiner Trainerausbildung befreundete Sportpsychologen immer wieder kontaktiert und später mit ihnen zusammengearbeitet.

SPOX: Zöchling wird eingesetzt, um gruppendynamische Prozesse zu moderieren, die Spieler können mit ihm aber auch Einzelgespräche führen. Inwiefern unterscheidet sich seine Arbeit von der eines klassischen Psychologen?

Stöger: Sportpsychologie ist weiterhin ein Thema, das man nur ungern aufgreift. Ich bin aber der Meinung, dass in der Psyche sehr viel Potential schlummert. Werner ist jemand, der Dinge durch langfristiges Begleiten entwickeln kann. Er bietet eine psychische Aufbereitung des jeweiligen Charakters an, ohne die Charaktere an sich grundlegend zu verändern. Er hat Hinweise und Ratschläge zur Weiterentwicklung sowohl der individuellen Stärken, als auch der Bearbeitung von Schwächen im Programm.

SPOX: Hat er Ihnen geraten, Ihren Spielern die freie Wahl zu lassen, Sie zu duzen?

Stöger: Nein, ich duze die Spieler einfach selbst gerne. Da kann ich mir dann aber nicht das Recht herausnehmen, selbst gesiezt werden zu wollen. Ich finde nicht, dass der Respekt vor mir steigt, wenn ich vorgebe, mich bitteschön siezen zu müssen. Es funktioniert auch so, der Umgang ist sehr entspannt. Die meisten sagen "Coach, du" oder "Coach, Sie". Mit dem Vornamen sprechen mich relativ wenige an.

SPOX: Sie haben in den vergangenen drei Jahren einen persönlichen Aufstieg erlebt, mit dem Sie nicht rechnen konnten. Blieb Ihnen überhaupt einmal die Zeit, diese Rasanz Revue passieren zu lassen?

Stöger: Nein. Diese Geschichte hat für mich ein unglaubliches Tempo angenommen, so dass es extrem schwierig ist, sich da einmal herauszunehmen und sozusagen von außerhalb darauf zu blicken. Dazu bleibt kaum Zeit.

SPOX: In Ihrem Heimatland wurden Sie weniger gehyped als jetzt, Sie gelten nun aber schon als Vorreiter für österreichische Trainer im Ausland. Das hat Andreas Herzog im SPOX-Interview gesagt.

Stöger: Bei uns zu Hause ist es als Einheimischer im Fußballsport sowieso so, dass man nicht hochgejubelt wird. Dazu müsste man Skifahrer sein. Der Hype entsteht dann, wenn man als Legionär ähnlichen Erfolg hat. Das ist einfach so, ich liebe ja unser Land auch (lacht). Man muss aber vorsichtig sein, ich arbeite in einem Ergebnissport. Der Wind kann sich blitzschnell drehen. Die Euphorie, die mir und dem Verein derzeit entgegen gebracht wird, darf aber gerne so bleiben. Wir sind sportlich relativ schnell ordentlich in die Spur gekommen und deshalb bin auch ich bei diesem Klub schnell in den Fokus geraten.

SPOX: Auch Ihre Facebook-Seite ist durch die Decke gegangen. Wer hat Sie denn eigentlich dazu animiert, eine eigene Seite einzurichten?

Stöger: Ich habe mich persönlich immer gegen Facebook gewehrt, weil ich dachte, es interessiert doch keinen, ob ich nun aus dem Fenster schaue oder nicht. Als Trainer der Austria wurde mir dann empfohlen, eine Fanseite ins Leben zu rufen. Ich wollte aber keinen Abklatsch der Vereinshomepage, sondern immer wieder punktuell selbst Stellung beziehen. Ich gebe den Text vor, ein Freund hilft mir bei der Betreuung und filtert Beiträge heraus, die für mich persönlich interessant sein könnten. Und da es mir über die Jahre viel Spaß bereitet hat, versuche ich zu antworten so gut es geht. Es steckt aber viel Mühe und Zeitaufwand drin.

SPOX: Wie fällt diesbezüglich das Feedback der Branche aus?

Stöger: In Deutschland gibt es die Angst, zu gläsern zu sein. Sie ist wahnsinnig groß ausgeprägt, das ist mir schon aufgefallen. Ich sehe jedoch einen Vorteil darin, meine Sichtweise vollkommen offen legen zu können. Ich musste auch noch nie Gegendarstellungen posten. Solange es auf meiner Seite nicht persönlich oder politisch wird, ziehe ich das auch durch. Vielleicht fällt mir Facebook eines Tages radikal auf den Kopf, das kann schon sein - aber ich bin so wie ich bin.

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