"Mein Bruder ist kein Streber"

Rani Khedira bestritt sein Bundesliga-Debüt am 1. September 2013 für den VfB Stuttgart
© imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Zorniger ist dafür bekannt, eine sehr enge Beziehung zu seinen Spielern aufzubauen und viel mit ihnen zu sprechen. War das für Sie anfangs ungewohnt?

Khedira: Ungewohnt schon, aber man lernt das natürlich schnell sehr zu schätzen. Alex Zorniger redet einen regelrecht stärker. Ich kannte es zuvor nicht so, finde es aber bemerkenswert, wie häufig er sich Zeit für den Einzelnen nimmt. Das bringt dich als jungen Spieler sehr voran, wenn du jemanden hast, dem du vertrauen kannst, dir dich im Blick hat und dir Feedback jeglicher Art zukommen lässt. Er sagt mir nicht nur, was ich individuell richtig oder falsch gemacht habe, sondern wie ich mich in unserem laufintensiven Spielsystem am effektivsten bewege. Ich weiß, dass ich noch sehr viel an mir arbeiten muss, bin aber froh, jemanden zur Seite zu haben, der mir pausenlos Tipps und Hinweise gibt.

SPOX: Was sind denn seine größten Eigenheiten?

Khedira: Irgendwelche Extreme habe ich an ihm bislang nicht wahrnehmen können. Die Eigenschaft, die mir am meisten an ihm gefällt ist, dass er sehr ehrlich ist. Er weiß, wie er die Zügel in der Hand halten muss und kann das auch auf unterschiedliche Weisen, bleibt dabei aber immer konsequent und ehrlich.

SPOX: Der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft wird von vielen Spielern gelobt. Ist diese Leipziger Kollegialität eine neue Dimension für Sie?

Khedira: Es geht. Wir treten hier als eine große Gruppe, als ein Team auf. Das war in Stuttgart nicht immer so. Die Mischung passt einfach. Man darf nicht vergessen, dass wir auch einige ältere Spieler wie Tim Sebastian oder Marvin Compper dabei haben, die dem Jugendtrend so ein bisschen entgegenwirken. Ich habe es noch nie erlebt, dass man sowohl viel Spaß miteinander haben kann, als auch gemeinsam zielgerichtet arbeitet.

SPOX: Welche Rolle spielt denn beim Thema Zusammenhalt die Fernsehserie "Gute Zeiten schlechte Zeiten"?

Khedira: (lacht) Das habe ich jetzt einmal irgendwo erwähnt und seitdem verfolgt es mich.

SPOX: Zu Recht natürlich.

Khedira: Ich schaue mir die Serie an, seit ich klein bin. Und wir haben eben viele GZSZ-Gucker im Team. Dann tauschen wir uns darüber aus. Das ist auch schon alles. Es ist ja nicht so, dass dies das einzige Thema wäre, über das wir reden. Gute Zeiten, schlechte Zeiten - das ist ein Titel, der auch zu einer Fußball-Mannschaft und zum Leben an sich passt. Sagen wir es so: Der Zusammenhalt hat bisher nicht darunter gelitten, dass viele im Team diese Serie anschauen (lacht).

SPOX: Nicht mehr lange und Sie erreichen als Profispieler in den Ligen 1, 2 und 3 die 100-Spiele-Marke. Ihr Debüt haben Sie vor rund drei Jahren gefeiert. Wie sehen Sie sich momentan selbst?

Khedira: Ich sehe mich nach wie vor als jungen und entwicklungsfähigen Spieler. Ich muss und will noch viel lernen. Nur so komme ich voran. Ich habe schon öfter gehört, dass man mit 20 kein Talent mehr ist. Ich weiß aber gar nicht, ab wann man ein Talent ist und ab wann dann nicht mehr. Ob man mich daher als Talent bezeichnet oder nicht, ist mir relativ egal.

SPOX: In den 83 Profipflichtspielen, die Sie bislang absolviert haben, schossen Sie nur ein Tor - im September 2013 gegen Wacker Burghausen. Schon eher eine magere Ausbeute, oder?

Khedira: Das können Sie laut sagen.

SPOX: Dabei taucht man als Sechser bei RB Leipzigs extremer Vorwärtsverteidigung doch ungewohnt häufig im gegnerischen Sechzehner auf. Wie ist das Feedback von Zorniger dazu?

Khedira: In erster Linie geht es natürlich ums Kollektiv. Gerade auf meiner Position im defensiven Mittelfeld habe ich Aufgaben, die wichtiger sind als das bloße Toreschießen. Dem Trainer und mir ist es wichtig, dass dies zufriedenstellend erledigt wird. Aber klar, die Ausbeute ist schon dürftig. Der Trainer fordert in den Abschlusssituationen von mir, noch mehr Willen zu entwickeln und mit aller Macht die Bude auch erzielen zu wollen. Und genau das werde ich weiter versuchen.

SPOX: Dass der Verein in Fußball-Deutschland ein Reizthema ist, wussten Sie schon vor Ihrem Wechsel. Wie haben denn Ihre Kumpels reagiert, als die mitbekamen, Sie wechseln ausgerechnet dorthin?

Khedira: Die haben mir alle durchweg gratuliert. Ich bin sowieso der Meinung, dass uns viele Leute sozusagen hinter verschlossenen Türen gerne zuschauen, weil sie wissen, dass wir gute Arbeit leisten.

SPOX: Glauben Sie, RB Leipzig wäre populärer, wenn eine breitere Öffentlichkeit die Mannschaft regelmäßiger spielen sehen würde?

Khedira: Mit Sicherheit. Natürlich wird die 2. Liga deutlich weniger verfolgt als die Bundesliga. Man merkt aber, dass aufgehorcht wird, wenn es um den Verein RB Leipzig geht. Es interessiert, wie sich der Verein entwickelt und man nimmt zur Kenntnis, dass wir gute Ergebnisse abliefern, obwohl wir eben keine mit Dutzenden Millionen Euro zusammengekaufte Truppe sind.

SPOX: Herr Khedira, das wär's gewesen. Vielen Dank für das Gespräch! Jetzt haben wir es tatsächlich geschafft, nicht einmal den Namen Ihres großen Bruders in den Mund zu nehmen.

Khedira: Wahnsinn, das muss ich ihm erzählen (lacht). Danke und gerne!

Seite 1: Khedira über Bruder Denny und verlorenes Vertrauen in den VfB Stuttgart

Seite 2: Khedira über "GZSZ", seine schwache Torausbeute und Leipzigs Popularität

Artikel und Videos zum Thema