"Ich bin ein bisschen wie Klopp"

Florian Schimak
03. Februar 201615:12
Ist seit Sommer 2015 Trainer in Fürth: Stefan Ruthenbeckgetty
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Stefan Ruthenbeck ist ein unkonventioneller Typ und wirkt im Fußball-Business wie eine Antithese. Kurz, er ist eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Der Trainer der Spvgg Greuther Fürth spricht über seine ungewöhnliche Laufbahn, seinen ersten Auftritt im Sportstudio, die unterschiedlichen Arten von Fußball und seine Vorliebe für Heavy Metal.

SPOX: Herr Ruthenbeck, Ihre Vita ist alles andere als gewöhnlich. Sie waren Spielertrainer, Leiter eines Nachwuchsleistungszentrums und sind jetzt Chefcoach der SpVgg Greuther Fürth in der 2. Liga. Fangen wir ganz vorne an, 2004 bei der TuS Mayen in der Oberliga Südwest...

Stefan Ruthenbeck: Der damalige Präsident erkannte ein gewisses Talent in mir und benannte mich zum Spielertrainer. Ich selbst war mir dessen gar nicht so sicher, ließ mich aber überzeugen. Meine fußballerischen Fähigkeiten als Spieler waren nicht besonders ausgeprägt, aber ich konnte ein Spiel lesen und bestimmte Abläufe frühzeitig erkennen. Da ich mir zwei schwere Knieverletzungen zugezogen hatte, war der Trainerjob eine gute Lösung für mich.

SPOX: Während Ihrer Zeit in Mayen hatten Sie als Gast im Aktuellen Sportstudio auch Ihren ersten großen TV-Auftritt. Sie wurden damals mit dem "Fair-ist-mehr"-Bundespreis ausgezeichnet, da Sie einen Gegner kurz vor Schluss ein Ausgleichstor erzielen ließen, weil der Führungstreffer Ihres eigenen Teams zuvor irregulär war.

Ruthenbeck: Ich war damals am Ende meiner Fußballlehrerausbildung und wurde mir meiner Vorbildfunktion als Coach bewusst, zumal ich schon immer einen gewissen Gerechtigkeitssinn habe. Deshalb war mein Verhalten eigentlich nur logisch und auch etwas Eigenschutz. Sonst wäre es womöglich noch zu einer Massenschlägerei gekommen.

SPOX: Elf Jahre lang waren Sie insgesamt in Mayen, 2010 wechselten Sie innerhalb der Liga zur SpVgg EGC Wirges. Dort hätten Sie schnell in die Regionalliga gehen können, lehnten ein Angebot der TuS Koblenz aber ab. Wieso?

Ruthenbeck: Ich hatte frühzeitig in Wirges zugesagt und einen gültigen Vertrag. Obwohl es nur die Oberliga war, wurde der Verein sehr professionell geführt, es hat mir dort einfach viel Spaß gemacht. Mir ist die Liga egal, darüber definiere ich mich nicht. Das Angebot aus Koblenz war zwar durchaus lukrativ, aber hat mir zu diesem Zeitpunkt einfach nicht in den Kram gepasst.

SPOX: Ein Jahr später war es dann aber so weit, Sie gingen von Wirgen zum Zweitliga-Aufsteiger VfR Aalen. Von Nordrhein-Westfalen in die Ostalb - wie kam es denn überhaupt dazu?

Ruthenbeck: Das lief über den damaligen Sportdirektor Markus Schupp und einen gemeinsamen Freund. Ich hatte zuvor für mich entschieden, künftig verstärkt im Jugendbereich und auch konzeptionell zu arbeiten. Es gab einige Anfragen, aber Aalen erschien mir sehr reizvoll, da ich dort etwas von Grund auf aufbauen konnte. Beim VfR gab es nämlich noch kein Nachwuchsleistungszentrum. Zudem war ich Trainer der U23, mit der ich ein Jahr später in die Verbandsliga aufgestiegen bin.

SPOX: Sie waren in Aalen eine Saison lang in dieser Doppelfunktion als Trainer der Amateure und Leiter des Nachwuchsleistungszentrums tätig, ab der Spielzeit 2013/2014 übernahmen Sie dann von Ralph Hasenhüttl die Profis. Können Sie sich heutzutage vorstellen, noch einmal an den Schreibtisch zurückzukehren?

Ruthenbeck: Schwierig. Es war auf jeden Fall extrem spannend, andere Abläufe kennenzulernen. Ich habe in Aalen allerdings gemerkt, dass es meine Leidenschaft ist, eine Mannschaft zu trainieren. Hätte ich die U23 nicht übernehmen können, wäre ich auch nicht nach Aalen gegangen. Mir macht der Trainerjob am meisten Spaß, ganz unabhängig von den unterschiedlichen Spielklassen. Es war mir nie wichtig, Cheftrainer in der 1. oder 2. Liga zu werden.

SPOX: Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt eigentlich den Moment, in dem Sie gemerkt haben: ich kann im Profifußball Fuß fassen?

Ruthenback: Nein, denn so dachte und denke ich wie schon angedeutet überhaupt nicht. Ich erlebe natürlich eine unfassbar tolle Geschichte, aber letztlich brauche ich keinen Profifußball. Ich hatte nie diese innere Drucksituation, in der Öffentlichkeit stehen zu müssen. Der große Unterschied zur Oberliga ist, dass ich mich jetzt als Vollzeittrainer den ganzen Tag dem Team widmen kann und das natürlich auf ganz anderem fußballerischem Niveau. Ich habe relativ früh gemerkt, dass ich in der Lage bin, eine Mannschaft zu trainieren und zu führen. Gutes Coaching garantiert am Wochenende aber trotzdem keine Punkte. (lacht)

SPOX: Woher kommt denn diese Entspanntheit bei Ihnen?

Ruthenbeck: Trainer zu sein ist zwar meine große Leidenschaft, aber es macht mich ja nicht zu einem besseren Menschen. Ich existiere auch, sollte ich mal kein Trainer sein. Ich habe keinen glasklaren Karriereplan und auch nicht das Ziel, übermorgen einen Champions-League-Teilnehmer zu trainieren. Ich könnte mir auch vorstellen, wieder einen Schritt zurück zu gehen, denn ich sehe auch die Schattenseiten des Geschäfts. Es ist nicht alles rosarot.

SPOX: Welche Art Trainertyp verkörpern Sie denn Ihrer Ansicht nach: Entertainer a la Jürgen Klopp oder doch eher distanziert wie Lucien Favre?

Ruthenbeck: Ich kenne Jürgen ein bisschen. Daher würde ich sagen, ich bin ein bisschen wie er, was die Nähe zur Mannschaft angeht. Man muss das aber individuell betrachten: bei manchen Spielern ist es wichtig, die Distanz zu wahren, andere dagegen benötigen mehr Zuneigung. Fußballer ticken immer ähnlich, im Profibereich geht es aber um Existenzen. Dort kann man als Trainer den Spielern auch die Karriere nehmen und man braucht Fingerspitzengefühl - dieser Verantwortung muss man sich bewusst sein.

SPOX: Im Sommer 2015 übernahmen Sie Ihren zweiten Posten in der 2. Liga an und unterschrieben in Fürth. Mussten Sie da lange überlegen?

Ruthenbeck: Es gab zahlreiche Dinge, die damals interessant für mich klangen. Als das Angebot aus Fürth kam, fuhr ich einfach mal dorthin, um es mir anzuhören. Die 2. Liga wollte ich eigentlich nicht mehr, stattdessen führte ich einige Gespräche, um als Coach bei U23-Teams von Bundesligisten einzusteigen. Da waren sogar Champions-League-Teilnehmer dabei. Doch ich fing in Fürth sofort Feuer und wäre nach dem Gespräch dort auch ziemlich enttäuscht gewesen, wenn ich nicht den Zuschlag erhalten hätte.

SPOX: Die Spielvereinigung steht derzeit auf Platz zehn. Kurz nach Saisonbeginn sprachen Sie von einer "Scheiß-Liga", da Ihr Team trotz ansehnlichem Fußball gegen einen verteidigenden Gegner nicht gewonnen hatte. Der SV Darmstadt 98 beispielsweise spielt auch keinen Champagner-Fußball, stieg damit aber sogar in die Bundesliga auf.

Ruthenbeck: Ich tätigte diese Aussage nach unserem Spiel bei St. Pauli. Damals durfte es einfach nur einen Sieger geben, deshalb brach das etwas aus mir heraus. Ich wollte nicht die Klasse der Liga kritisieren. Es zeigt ja vielmehr, wie ausgeglichen sie ist. Man kann drückend überlegen sein, das Tor nicht treffen und das Spiel am Ende doch verlieren. Das hat nur wenig mit den taktischen Ausrichtungen der Teams zu tun. In der 2. Liga kann es sein, dass du für Offensivspektakel nicht belohnt, sondern bitter bestraft wirst.

SPOX: Würden Sie lieber in Schönheit sterben, als mit einer eher destruktiven Spielart erfolgreich zu sein?

Ruthenbeck: Es gibt letztlich unterschiedliche Arten von Fußball. Die erwähnten Darmstädter beherrschen ein gutes Pressing und Gegenpressing und schießen überragende Standards. Darmstadt bewegt sich gegen den Trend. Doch solche unangenehmen Mannschaften hat es schon immer gegeben. Bayer Uerdingen war in den 1980er Jahren genauso giftig zu spielen. Heutzutage möchte die Mehrheit ein schnelles Umschaltspiel, überfallartige Konter, aggressives Pressing und Ballbesitzspiel an den Tag legen. Man kann aber genauso gut auch aus der Defensive heraus spielen, vereinzelt Nadelstiche setzen und damit am Ende Spiele gewinnen. Das ist eine andere Philosophie, die muss aber nicht negativ sein.

SPOX: Nicht erst durch die konsequente Haltung von Ex-Stuttgart-Trainer Alexander Zorniger kam die Diskussion auf, was besser sei - auf dem Spielfeld zu agieren oder doch lieber zu reagieren? SPOX

Ruthenbeck: Ich habe hier in Fürth eine Grundidee, von der ich nicht abrücken werde: mehr Ballbesitz zu haben als der Gegner, um ihm dadurch weniger Chancen zu ermöglichen und selbst hochkarätige Torchancen zu erzwingen. Bei uns spielt Pressing eine große Rolle, doch dazu müssen wir noch einiges optimieren. Es geht doch darum, dass ein Fan ins Stadion kommt und sieht, welchen Fußball sein Verein spielt. In Darmstadt gibt es eine klare Handschrift. Der Verein steht dahinter, die Fans finden es toll und man ist erfolgreich. Es bringt nichts, brutalen Offensivfußball spielen zu lassen, aber damit jedes Spiel zu verlieren.

SPOX: Apropos brutal: Als Sie 2010 die Fußballlehrer-Ausbildung absolvierten, war auch Markus Babbel im Lehrgang mit dabei - ein bekennender Heavy-Metal-Fan. Auch Sie sollen musikalisch eher auf die härtere Gangart stehen.

Ruthenbeck: Markus ist ein toller Kerl, doch trotz unseres ähnlichen Musikgeschmacks hatte ich zu Torsten Lieberknecht einen engeren Draht. Damals waren durchaus ein paar Leute dabei, mit denen man auch mal durch die Kölner Altstadt ziehen konnte.

SPOX: Haben Sie eine Lieblingsband? SPOX

Ruthenbeck: Alter Bridge, eine US-Rockband. Die habe ich schon mehrfach in Deutschland spielen sehen, unter anderem bei Rock am Ring und in Köln.

SPOX: Die heutige Spielergeneration kann mit Rockmusik offenbar fast gar nichts mehr anfangen. Greifen Sie da bei der Kabinen-Playlist auch mal ein und legen einen Alter-Bridge-Song auf?

Ruthenbeck: Das ist eher schwierig. Meistens höre ich einfach weg. Diese R'n'B- und Soul-Richtung ist so gar nicht meine Sache.

SPOX: Wenn Sie nach einem langen Tag am Trainingsgelände nach Hause fahren, müssen Sie also erstmal die Musik aufdrehen?

Ruthenbeck: Ganz genau. Das passiert aber auch mal mit Kopfhörern im Mannschaftsbus. Das neue Slayer-Album ist beispielsweise herrlich, das habe ich mir auf der Heimfahrt nach dem Spiel gegen Kaiserslautern angehört. (lacht)

Stefan Ruthenbeck im Steckbrief