Messi als Vorbild, von Didavi geadelt: Das ist Stuttgarts Top-Talent Lilian Egloff

Von Dennis Melzer
Lilian Egloff, Jahrgang 2002, kommt aus der Stuttgarter Jugend und spielt für die U19.
© imago images

Der VfB Stuttgart galt lange als Aushängeschild für Nachwuchsarbeit. Jetzt steht mit Lilian Egloff ein neuer Hoffnungsträger in den Startlöchern. Der VfB trifft am Mittwochabend im DFB-Pokal auswärts auf Bayer Leverkusen (ab 18.30 Uhr im Liveticker).

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Am Ende erntete der Jüngste von allen die meisten Schulterklopfer. Lilian Egloff, seines Zeichens 16-jähriger Mittelfeldspieler beim VfB Stuttgart, hatte an diesem Maiabend 2019 die U19 der Schwaben mit einem Doppelpack zum DFB-Pokal-Titel geschossen und somit erheblichen Anteil daran, dass nach 2001 erstmals wieder eine VfB-Jugendauswahl die prestigeträchtige Trophäe in den Himmel stemmen durfte. 2:1 hatte Stuttgart die A-Jugend von RB Leipzig im Karl-Liebknecht-Stadion zu Babelsberg bezwungen.

"So etwas kann man sich vorher gar nicht vorstellen. Es ist ein geiles Gefühl, einfach unbeschreiblich", sagte der Held, der nach dem französischen Ex-Nationalspieler Lilian Thuram benannt wurde, im Anschluss bei dfb.de. Er schob nach: "Das war Gänsehaut pur." Gänsehaut dürfte Egloff sicherlich auch gespürt haben, als er nur eine Woche darauf im Finale um die deutsche A-Jugendmeisterschaft zunächst Dortmunds Ramzi Ferjani kurz hinter der Mittellinie den Ball abluchste und selbigen Augenblicke später eiskalt an Lucien Hawryluk zum zwischenzeitlichen 3:1 für die Stuttgarter vorbeischob.

Zum historischen Double sollte es trotz der abermaligen Torbeteiligung des Youngsters zwar nicht reichen, weil der BVB die Begegnung im zweiten Durchgang noch drehte, schließlich mit 5:3 die Oberhand behielt. Seine Duftmarke hatte der verheißungsvolle Mittelfeldmann aber dennoch gesetzt und gleichzeitig die Hoffnungen bei den Stuttgartern genährt, dass endlich wieder ein Eigengewächs über das nötige Potenzial verfügt, den Schritt in den Profi-Kader zu schaffen.

VfB Stuttgart: Eigengewächse hatten in den letzten Jahren einen schweren Stand

Diesbezüglich darbt der einst für seine herausragende Jugendarbeit (Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Bernd Leno, Sami Khedira und Timo Werner wurden beim VfB unter anderem ausgebildet) bekannte Klub aus dem Ländle nämlich seit langem. Nachdem Timo Baumgartl vor über fünf Jahren gegen Werder Bremen sein Bundesliga-Debüt gefeiert hatte, gelang es nämlich keinem Spieler aus der eigenen Talentschmiede mehr, sich dauerhaft in der eigenen ersten Mannschaft zu etablieren.

"Er hat die Qualität. Hoffentlich bleibt er gesund, dann traue ich ihm zu, dass er noch in dieser Saison bei den Profis spiele macht", wurde VfB-Vorstandschef Thomas Hitzlsperger Anfang Januar von den Stuttgarter Nachrichten mit Blick auf Egloff zitiert. Der ehemalige Nationalspieler ergänzte: "Seit ich wieder hier bin, ist er der erste Spieler, bei dem ich denke, der hat was Besonderes."

Doch welche der von Hitzlsperger angedeuteten "Qualitäten" bringt Egloff konkret mit? Auf der Zehnerposition beheimatet, besticht der gebürtige Bretzfelder vor allem mit starker Technik und großem Spielverständnis. Zusätzlich zu den traditionellen Eigenschaften eines Kreativspielers verfügt Egloff, dessen Vorbild eigenen Angaben zufolge Lionel Messi ist, über eine gewisse Kaltschnäuzigkeit vor des Gegners Tor. In der laufenden Saison erzielte er bislang in 15 Pflichtspielen sechs Treffer, in der vorherigen Spielzeit standen nach 34 Partien wettbewerbsübergreifend 18 Tore zu Buche (zehn für die U17, acht für die U19).

Daniel Didavi lobt Egloff: "Der beste Jugendspieler, der auf meiner Position spielt"

Dass er trotz der Tatsache, alterstechnisch noch für die B-Jugend spielberechtigt zu sein, schnell zum Leistungsträger in der U19 avancierte, fußt jedoch nicht bloß auf seinen offensiven Fertigkeiten. In der jüngeren Vergangenheit arbeitete Egloff hart an seinen Schwachstellen, die vor allem im physischen und taktischen Bereich lagen. Sein Trainer Nico Willig geriet zuletzt hinsichtlich der verbesserten Defensivarbeit ins Schwärmen: "Li hat klare Waffen. Und er beherrscht die Basics wie Balleroberung und Zweikampfführung. Das hebt ihn von anderen Jugendspielern ab."

Ex-Stuttgart-Profi Andreas Hinkel, der mittlerweile als Co-Trainer bei Spartak Moskau arbeitet, kann ebenfalls nur Gutes über Egloff berichten. "Lilian Egloff war mein Spieler in der ersten Mannschaft, die ich als Trainer trainiert habe. Das war damals die U12 des VfB Stuttgart in der Saison 2013/14", erinnerte sich Hinkel auf Nachfrage von SPOX und Goal. "Er war für mich damals schon immer ein Instinkt-Fußballer, der immer wieder überraschende Sachen auf dem Platz gemacht hat. Ein wahres Schlitzohr, aber im positiven Sinne."

Lobeshymnen von etlichen Seiten für den Spielgestalter. Kein Wunder also, dass Egloff auch bei Neu-Coach Pellegrino Matarazzo ein hohes Standing genießt. In der Winterpause durfte der mittlerweile 17-Jährige mit den Profis ins Trainingslager nach Marbella (Spanien) reisen, wo er durchaus zu gefallen wusste und von Mitspieler Daniel Didavi via Instagram geadelt wurde.

Lilian Egloff packt im Trainingslager der VfB-Profis in Marbella mit an.
© imago images
Lilian Egloff packt im Trainingslager der VfB-Profis in Marbella mit an.

Mit den Worten "die aktuelle und die zukünftige Nummer 10", hatte der 29-Jährige, der ebenfalls in der Jugend des VfB ausgebildet wurde, ein gemeinsames Bild in seiner Story versehen. Von der Bild-Zeitung auf das Foto angesprochen, sagte Didavi: "Er ist zumindest der beste Jugendspieler, der auf meiner Position spielt. Durch diesen Post sollte er merken, dass ich ihn schätze. Ich mag ihn. Er erinnert mich auch ein bisschen an mich früher."

Einen Rat hielt Arrivierte für seinen potenziellen Nachfolger auch noch bereit: "Bei aller Professionalität, die notwendig ist, soll er sich auch ein Stück seiner Unbekümmertheit bewahren. Dann kann er ein richtig guter Bundesligaspieler werden."

Damit dies gelingt, soll Egloff "vernünftig herangeführt und aufgebaut" werden, um irgendwann "vollwertiges Mitglied des Teams" zu werden, wie Sportchef Sven Mislintat jüngst erklärte. "Mit Lilian gibt es einen klaren Fahrplan. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass er regelmäßig am Training teilnimmt." Worte, die unterstreichen, dass beim VfB ein Umdenken stattgefunden hat, der eigene Nachwuchs wieder mehr in den Fokus rücken soll.

Pellegrino Matarazzo soll vermehrt auf die Jugend setzen

Nicht zuletzt deshalb wurde in Matarazzo auch ein Übungsleiter verpflichtet, der seine bisherigen Meriten vor allem als Jugendtrainer des 1. FC Nürnberg und der TSG Hoffenheim verdiente. "Mit Pellegrino Matarazzo haben wir einen Trainer geholt, der sehr gut zu unserer fußballerischen Ausrichtung passt", begründete Mislintat die Verpflichtung des US-Amerikaners mit italienischen Wurzeln. "Pellegrino hat in den vergangenen Jahren sowohl im Profi- als auch im Übergangsbereich und in der individuellen Entwicklung von Top-Talenten gute Arbeit geleistet, sodass wir auch unseren eingeschlagenen Weg der engen Verzahnung von Nachwuchs- und Profibereich beim VfB mit großer Intensität fortsetzen werden."

Egloff ist aktuell wohl das größte metaphorische Rädchen, das bei der Verzahnung beispielhaft sein könnte. In der Wintervorbereitung bedachte Matarazzo ihn in sämtlichen Testspielen mit Einsätzen. Bei der Generalprobe gegen Dynamo Dresden steuerte Egloff das Tor zum 3:1-Endstand bei und empfahl sich für eine Kaderberufung für den Rückrundenauftakt, der Ende Januar gegen Heidenheim in der Mercedes-Benz Arena stieg.

Erstmals Zweitligaluft schnuppern durfte Egloff noch nicht, die Nominierung darf dennoch als Fingerzeig gedeutet werden: Der VfB will wieder auf seinen Nachwuchs vertrauen und letztlich beweisen, dass das ehemalige Aushängeschild für Jugendarbeit nur eine kleine Politur benötigte.

Artikel und Videos zum Thema