2018 wagten Sie noch einmal einen Sprung nach oben. Beim frisch abgestiegenen Bundesliga-Dino aus Hamburg unterschrieben Sie als Geschäftsführer. Im Nachhinein die richtige Entscheidung?
Becker: Grundsätzlich würde ich diese Entscheidung immer wieder treffen. Klar ist der HSV speziell, aber insgesamt ist das ein fantastischer Verein. Als die Anfrage kam, habe ich mit großer Leidenschaft und Euphorie zugesagt. Da denkt man dann weniger über Gefahren nach, sondern man stürzt sich darauf, wenn man davon überzeugt ist.
Welche Dinge haben Sie bei Ihrer Arbeit bestärkt?
Becker: In Kiel hatten wir zwei sehr erfolgreiche Jahre und diese Selbstüberzeugung habe ich dann einfach mit nach Hamburg genommen. Auch mit dem Wissen, dass in Hamburg einige Dinge anders waren - vor allem medial und der Einfluss von außen.
Der HSV startete ordentlich in seine erste Zweitligasaison und stand nach zehn Spielen zwei Punkte hinter der Tabellenspitze. Daraufhin entließen Sie den einstigen Hoffnungsträger Titz aus seinem Amt als Cheftrainer. Würden Sie heute anders handeln?
Becker: Wir waren damals davon überzeugt, dass es der richtige Schritt war. Mit zwei, drei Jahren mehr Erfahrung habe ich jedoch gemerkt, dass man auch mal etwas länger abwarten sollte. Wenn ich heute nach Magdeburg schaue, sehe ich, dass Christian dort einen super Job macht. Damals in Hamburg habe ich versucht abzuwägen, mit welcher Entscheidung die Wahrscheinlichkeit, am Ende aufzusteigen, am größten sein könnte. Unter seinem Nachfolger Hannes Wolf lief es bis zum Winter auch sehr gut.
Hat Sie Ihre eigene Entlassung ein halbes Jahr später damals enttäuscht?
Becker: Na klar, ich glaube, das ist auch normal. Ich habe einen Dreijahresvertrag unterschrieben, wir standen in dem Jahr sogar im Pokalhalbfinale. Da würde ich lügen, wenn ich sagen würde, es hat mich gefreut.
Ralf Becker: Rostock, Aue, Dynamo? "Das ist noch Fußball pur"
Wie haben Sie den öffentlichen Druck während Ihrer Arbeit in Hamburg wahrgenommen?
Becker: Ich glaube, dass ich mit Druck ganz gut umgehen kann. Ich bin schon eine Weile dabei und habe demzufolge auch die Emotionalität dieses Sports kennengelernt. Wenn man es nicht schafft, das einzuordnen, kann das auch für die Gesundheit schwierig werden. Ich versuche, fleißig zu sein und alles zu überdenken - immer mit dem Wissen, dass es auch mal nicht funktionieren kann. Das gehört einfach dazu.
Im Juli 2020 dann also der Neustart bei Dynamo. Warum haben Sie sich für Dresden entschieden?
Becker: Dynamo ist ein unglaublich spannender Klub. Hier wird Fußball so gelebt, wie ich es tue. In Dresden gibt es eine unheimlich große Euphorie um den Fußball, dazu eine gute Atmosphäre und großartige Unterstützung. Ohne, dass ich vorher Zahlen oder Interna kannte, hatte ich sofort das Gefühl, dass man in Dresden einiges bewegen kann.
Dresden ist Ihre erste Station im Osten Deutschlands. Wie nehmen Sie die Fußballkultur in den neuen Bundesländern wahr?
Becker: Ich würde mich nach 14 Monaten in Dresden nicht als Experten für dieses Thema betrachten. Man merkt aber, dass es eine große Verbindung zwischen dem Verein und der Fangemeinde gibt. Leipzig ist vielleicht ein anderes Modell, aber diese Traditionsvereine von früher wie Rostock, Aue, Magdeburg oder eben auch Dresden - das ist in gewisser Weise noch Fußball pur.
Fußball pur ist auch Ihr Vorgänger Ralf Minge. Er wurde bereits als aktiver Spieler in Dresden verehrt. Wie tritt man eine solche Stelle an, wenn man weiß, dass der Vorgänger Legendenstatus besitzt?
Becker: Ralf ist total berechtigt eine der größten Persönlichkeiten von Dynamo Dresden. Er hat hier in den letzten Jahrzehnten unglaublich viel geleistet. Es wäre völlig vermessen, sich mit ihm zu vergleichen. Das ist unmöglich. Ich konzentriere mich auf meine Aufgabe, aber selbst wenn ich zehn Jahre sensationell arbeite, wird Ralf Minge trotzdem ein Mann sein, der diesen Verein geprägt hat wie kein Zweiter.
In Stuttgart, Hamburg und nun auch Dresden haben Sie eine breit ausgeprägte Fankultur kennengelernt. Welche Rolle spielt das für Ihre Arbeit?
Becker: Man merkt, dass dieser Verein den Menschen sehr wichtig ist und es eine brutale Verbindung gibt. Du hast stets das Gefühl, dass es den Leuten nicht egal ist, was hier passiert. Ich weiß, dass in Dresden am Samstagabend nach einer Niederlage unglaublich viele Menschen traurig sind. Wenn wir aber erfolgreichen Fußball spielen, dann kann man Menschen glücklich machen und die Leute im Alltag begleiten. Das motiviert unheimlich. Das ist auch das, was bei den ganzen Traditionsvereinen den Unterschied ausmacht.
Wie schafft man als Geschäftsführer den richtigen Umgang mit den Fans?
Becker: Man darf nie gleichgültig oder arrogant werden, sondern muss immer versuchen, die Leute mitzunehmen und Probleme Schritt für Schritt gemeinsam zu lösen. Wichtig ist, dass man auf Augenhöhe diskutiert und man sich auch als Verein an verschiedene Dinge hält. Das ist im Endeffekt wie Politik - du musst viel reden und versuchen, die Leute zu überzeugen.