Sie haben den Fußball-Lehrer angesprochen. Aber bevor wir dazu kommen, was macht der Master in Sportwissenschaften?
Hürzeler: Den habe ich inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Darüber sind vor allem meine Eltern froh, ihnen war es immer sehr wichtig, dass ich das zu Ende bringe und sozusagen abgesichert bin. Es war aber auch interessant. Ich habe meine Master-Arbeit darüber geschrieben, was mit Mannschaften fünf Minuten vor und nach einem Tor passiert. Die Erkenntnis war keine überraschende, aber es war interessant zu analysieren, wie Mannschaften je nach Situation oder auch abhängig von der Tabellenlage zum Beispiel auf einen Rückstand reagieren. Die Psychologie spielt eine große Rolle. Das merke ich jetzt auch in der Praxis immer wieder.
Das Studium ist also abgeschlossen, wann sind Sie mit dem Fußball-Lehrer fertig?
Hürzeler: Im März 2023. Es ist zwar auch anstrengend, aber die Ausbildung macht großen Spaß. Es wird viel online unterrichtet, wir sind aber auch sehr viel bei Vereinen vor Ort. Wir waren schon in Freiburg, Frankfurt oder Wolfsburg und eine Hospitanz über fünf, sechs Wochen steht auch noch auf dem Programm, wahrscheinlich im Winter, wenn wir Pause haben. Da muss ich noch schauen, zu welchem Klub ich gehen darf.
Wo würden Sie denn gerne hin?
Hürzeler: Es gibt viele interessante Klubs, aber Benfica Lissabon mit Roger Schmidt wäre eine Adresse, die mich sehr reizen würde. Wir waren zuletzt auch in Liverpool mal als Gruppe, das war auch extrem interessant. Wenn Jürgen Klopp den Raum betritt, spürst du sofort seine Aura. Du merkst schnell, warum Klopp Klopp ist und er so einen Erfolg hat. Ich freue mich schon total darauf, wenn jeder nach der Hospitanz zurückkommt und seinen Praktikumsbericht verfasst. So kriegst du einen Einblick in ganz viele unterschiedliche Vereine.
Die Ausbildung umfasst ja ganz viele Teilbereiche, was ist bislang vor allem hängen geblieben?
Hürzeler: Eine Erkenntnis für mich war, dass du als Cheftrainer den Experten in ihren Fachbereichen vertrauen musst. Du musst Aufgaben abgeben an die Menschen, die dort die größten Experten sind. Bei absoluten Topklubs gibt es für fast alles Spezialisten, von der Athletik, über die Physiotherapie bis zu einem Ernährungsspezialisten. Diesen Menschen als Trainer zuzuhören und zu vertrauen - das ist ganz entscheidend, davon bin ich überzeugt.
Sie sind im Endeffekt auch über eine Hospitanz zum FC St. Pauli gekommen, richtig?
Hürzeler: Ja, ich hatte eine Einladung vom damaligen NLZ-Leiter und habe Timo Schultz dort kennengelernt. Wir haben unglaublich viel über Fußball gesprochen und ganz schnell gemerkt, dass wir total auf einer Wellenlänge liegen, was unsere Vorstellungen angeht. Eine Zusammenarbeit hat sich da aber noch nicht abgezeichnet. Als Timo dann hier Cheftrainer wurde, habe ich ihm per SMS gratuliert. Er hat mich dann gefragt, was ich so machen würde. Meine Antwort war: "Nichts." (lacht) Ich war zwar in Gesprächen mit einigen Vereinen, aber ich war zu dem Zeitpunkt verfügbar und bin praktisch sofort nach Hamburg geflogen. Dort haben wir uns nochmal intensiv ausgetauscht und sind zusammengekommen.
Sie sprechen eine gleiche Auffassung vom Fußball an. Sie waren immer jemand, dem es um das Spiel mit Ball geht hauptsächlich. Ihre entscheidende Frage war immer: Wie komme ich ins letzte Drittel? Wie hat sich Ihre Spielphilosophie weiterentwickelt?
Hürzeler: Ich beschäftige mich nach wie vor vor allem mit Ballbesitzfußball, das bleibt ganz tief in mir verankert. Aber ich würde sagen, dass ich gelernt habe, andere Facetten auch zu integrieren. In der 2. Liga kannst du nicht nur auf Ballbesitzfußball setzen, du musst auch gegen den Ball Lösungen haben. Du musst pressen und schnell umschalten können. Und was für mich auch neu war: Die Bedeutung von Standards. Darauf habe ich früher kaum Wert gelegt, aber Standards sind ein elementarer Teil des Spiels - damit gewinnst du Spiele. Ich glaube, dass es generell wichtig ist als Trainer, dass du zwar eine Basis hast, eine Überzeugung, dass du aber auch immer offen bist für Veränderungen. Der Fußball entwickelt sich so schnell weiter, da musst du immer wieder auch Anpassungen an deiner Philosophie vornehmen.
Das Taktische ist ein Aspekt, das Menschliche ein anderer. Sie haben Timo Schultz einmal als Menschenentwickler bezeichnet. Warum?
Hürzeler: Timo spricht die Sprache der Spieler, wie man so schön sagt. Er weiß genau, wann ein Spieler Feuer und einen Tritt in den Allerwertesten braucht, und wann eher eine Streicheleinheit angesagt ist. Er geht sehr gut auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen ein. Da habe ich schon viel von ihm lernen können.