Sie haben generell schon viele Trainer kennenlernen können. Wer sticht am meisten heraus?
Hürzeler: Da muss ich zwei Trainer herausstellen. Zum einen Mehmet Scholl.
Das kommt überraschend. Scholl ist ja seit Ewigkeiten gar nicht mehr Trainer.
Hürzeler: Ja, schade eigentlich. Ich hatte Mehmet bei den Bayern als Coach im Übergang von der Jugend zum Männerbereich und da war er überragend. Das war damals eine unglaublich lehrreiche Zeit. Er hat uns im Prinzip erklärt, wie Profifußball funktioniert. Wie eine Struktur einer Mannschaft aussehen muss, wie eine Hierarchie aussehen muss, wie wichtig konsequentes Handeln ist - er hatte mit allem recht, was er uns damals beigebracht hat. Und der zweite Name ist Teong-Kim Lim, wir haben aber immer nur Herr Kim gesagt. Er war mal Nationalspieler für Malaysia und mein Trainer in der U16 der Bayern. Ich erinnere mich noch an Trainings, die ewig gedauert haben. Und die er ständig unterbrochen hat, um korrigierend einzugreifen beim 11-gegen-11. Als junger Kerl nervt dich dieses ständige Stoppen natürlich ein bisschen, aber im Nachhinein habe ich viel darüber nachgedacht und gemerkt, dass das alles total Sinn ergeben hat und super spannend war, was er uns da vermittelt hat. Er hat viele Talente beim FC Bayern nachhaltig geprägt.
Sie sind als Trainer teilweise um einiges jünger als Ihre Spieler. Wie gehen Sie damit um?
Hürzeler: Als ich hier angekommen bin, haben sich manche erfahrene Spieler sicher gedacht, wer dieser junge Typ eigentlich ist. Das ist normal. Da musste ich mich zu Beginn erstmal freischwimmen und meine Rolle finden. Freundschaftliche Autorität. Das ist so mein Credo geworden. Ich bin eben alleine aufgrund meines Alters nahe an den Jungs dran, ich tue nicht so, als ob ich jetzt der große Chef wäre und verteile von oben herab Befehle. Ich mache mir vielmehr die ganze Zeit Gedanken, warum ein Spieler gut oder schlecht performt. Gleichzeitig bin ich aber am Ende doch einer, der Anweisungen gibt. Da muss man eine gesunde Mischung finden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Spieler sehr feine Antennen dafür haben, wie man auftritt. Wenn du sie nicht wie Maschinen behandelst, sondern stattdessen versuchst, sie mit der Macht der Ideen zu überzeugen, dann honorieren sie das. Sie müssen spüren, dass du wirklich daran interessiert bist, sie individuell besser zu machen. Dann spielt auch das Alter keine Rolle.
Das Alter führt aber dazu, dass Sie nach wie vor als Trainertalent bezeichnet werden, so wie Sie früher einmal das große Spielertalent waren. Stört Sie das?
Hürzeler: Ich maße mir gar nicht an, zu beurteilen, ob ich jetzt ein Trainertalent bin oder nicht. Was ich weiß, ist, dass einem solche Bezeichnungen gar nichts bringen. Ich war als junger Kerl das große Toptalent und es ist nach hinten losgegangen. Von so einem Label kannst du dir gar nichts kaufen. Insofern bin ich da vorsichtig und beschäftige mich nicht damit, sondern fokussiere mich auf meine Arbeit. Wenn du intensiv an einer Sache arbeitest, wirst du dafür auch belohnt, darauf vertraue ich.
Muss die nächste Station in Ihrer Karriere ein Posten als Cheftrainer sein?
Hürzeler: Das kann ich überhaupt nicht sagen. So weit denke ich gar nicht in die Zukunft. Das hört sich wie eine Floskel an, ist aber wirklich so. Ich habe mit der Arbeit im Klub und noch mit der Ausbildung zum Fußball-Lehrer aktuell zwei Aufgaben, die ich mit 120 Prozent Energie verfolge und die ich auch als Privileg ansehe. Mein Gehirn kommt gar nicht dazu, sich Gedanken zu machen, was in zwei Jahren vielleicht kommen mag. Dafür ist das Geschäft ja auch viel zu schnelllebig.
Letzte Frage: Ihr Co-Trainer-Kollege Loic Favé hat Sie mal als Entertainer bezeichnet. Dann wäre ja auch eine TV-Karriere möglich?
Hürzeler: (lacht) Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin ein lebendiger Typ, mit dem man auch ganz gut Spaß haben kann. Ich denke und hoffe mal, dass er es so gemeint hat. Im Fußball-Business herrscht so ein immenser Druck, eine gewisse Lockerheit sollte man sich meiner Meinung nach bei allem Ernst auch bewahren.