Das Bier floss über sein Gesicht, das blaue "Uffstieschs"-Shirt triefte, da stimmte Torsten Lieberknecht eine ganze Stadt auf eine grenzenlose Party ein. Seine Aufstiegshelden dürften "alles machen", sagte der Trainer von Darmstadt 98, der sich selbst bei den Feierlichkeiten auch "in der Pflicht" sah - und inmitten des Wahnsinns am "Bölle" dennoch einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt gewährte.
Nach zwei vergebenen Matchbällen, der Angst, alles auf den letzten Metern verspielen zu können, sei er "komplett leer", gab Lieberknecht nach dem erlösenden 1:0 (1:0)-Zittersieg gegen den 1. FC Magdeburg zu. Er habe "schauspielern müssen" nach den Pleiten gegen den FC St. Pauli und Hannover 96, "um die Mannschaft auf dem Weg zu lassen".
Denn der Druck war immens, entsprechend emotional ging es zu, als die Bundesliga-Rückkehr der Lilien perfekt war. Der überragende Torhüter Marcel Schuhen weinte hemmungslos mit seinem Sohn auf dem Arm, die Fans stürmten den Rasen mit Bengalos und trugen Kapitän Fabian Holland auf den Schultern. Es sei ein Traum, der in Erfüllung gehe, sagte Schuhen, dies seien "die schönsten Momente".
Vor allem, da Darmstadt im Vorjahr als Vierter noch knapp gescheitert war. Tobias Kempe bezeichnete die Rückkehr nach sechs Jahren als "Sensation". Für den Zweitliga-Spitzenreiter sei der vierte Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte "wie für andere die Champions League", sagte Präsident Rüdiger Fritsch.
Entsprechend mutig blickten einige bereits auf die großen Aufgaben gegen die Bayern oder den BVB. "Nächstes Jahr fahren wir nach München, nach Dortmund und versuchen da, alles rauszuhauen", kündigte Siegtorschütze Phillip Tietz an. Und Emir Karic tönte: Es könne kommen, "wer will".
Angefangen, das betonte Lieberknecht, habe all das bereits 2014, als Darmstadt unter Dirk Schuster - ebenfalls am 19. Mai - zunächst in die zweite und ein Jahr später direkt in die erste Liga gestürmt war. "Es ist ein unglaublicher Tag für alle Lilien", sagte der 49-Jährige, der im Kampf um den zweiten Platz nun dem 1. FC Heidenheim anstelle des Hamburger SV die Daumen drückt: "Dann würden zwei kleine Mannschaften in diesen Kosmos aufsteigen."
Zunächst freuten sich die Darmstädter aber auf eine lange Partynacht mit "keiner Sekunde Schlaf" (Kempe). Tietz, der ein Lob an den Video-Assistenten ("Danke VAR") mit Blick auf das 1:0 verteilte, versprach mit einem Augenzwinkern, nur Wasser zu trinken, aber dennoch die Stadt auseinandernehmen zu wollen. Holland hatte dagegen "ein bisschen Angst" vor der Feier, da er einige seiner Kollegen "bremsen" müsse.
Und Lieberknecht? Der schwankte zwischen ausgelassener Feierlaune und Sentimentalität, dachte noch einmal an seine Zeit bei Eintracht Braunschweig inklusive sensationellem Bundesliga-Aufstieg zurück ("Hätte nie gedacht, dass ich nochmal etwas finde, wo ich komplett mein Herz geben kann") und versicherte zu späterer Stunde dann doch noch: "Ich lasse mich jetzt treiben."
2. Liga: Tabelle nach den Freitagsspielen
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Darmstadt 98 | 33 | 50:29 | 21 | 67 |
2. | Heidenheim | 32 | 63:34 | 29 | 61 |
3. | Hamburger SV | 32 | 67:44 | 23 | 60 |
4. | St. Pauli | 33 | 54:38 | 16 | 57 |
5. | Paderborn | 32 | 66:41 | 25 | 54 |
6. | Fortuna Düsseldorf | 32 | 54:40 | 14 | 54 |
7. | Kaiserslautern | 32 | 47:43 | 4 | 45 |
8. | Hannover 96 | 32 | 46:47 | -1 | 43 |
9. | Holstein Kiel | 33 | 53:60 | -7 | 43 |
10. | Karlsruher SC | 32 | 53:52 | 1 | 42 |
11. | Magdeburg | 33 | 44:55 | -11 | 40 |
12. | Greuther Fürth | 32 | 42:48 | -6 | 38 |
13. | Hansa Rostock | 32 | 30:47 | -17 | 37 |
14. | Eintracht Braunschweig | 32 | 40:55 | -15 | 36 |
15. | Nürnberg | 32 | 31:49 | -18 | 35 |
16. | Arminia Bielefeld | 32 | 48:56 | -8 | 33 |
17. | Jahn Regensburg | 32 | 30:54 | -24 | 28 |
18. | Sandhausen | 32 | 35:61 | -26 | 28 |