Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Rohrberg über seine neu gewonnene Innenansicht des Profi-Fußballs und erklärt, wie es zur Zusammenarbeit mit Zorniger kam.
Zudem erzählt der 38-Jährige von seinen ersten Wochen in ungewohnter Rolle auf Zypern und anstrengenden Twitter-Gerüchten.
Herr Rohrberg, Sie waren fast neun Jahre lang Reporter bei Sky für die norddeutschen Profiklubs. Seit nun zwei Spielzeiten sind Sie als Trainer-Assistent im Team von Alexander Zorniger - zunächst bei Apollon Limassol auf Zypern, nun bei der SpVgg Greuther Fürth. Wie denken Sie dank Ihrer Innenansicht mittlerweile über die Arbeit eines Trainers?
Jurek Rohrberg: Sie ist extrem komplex und schwierig. Das habe ich mir schon zuvor gedacht, aber denken ist nicht wissen. Auf einen Trainer kommt eine Vielfalt an Themen gepaart mit Erwartungs- und Erfolgsdruck zu. Ich würde jedem Journalisten die Innenansicht wünschen. Viele, viele Journalisten - damals mich einbegriffen - können Trainer nicht richtig einschätzen und ihnen gegenüber somit nicht immer ganz fair sein. Jedes Wochenende wird das große Ganze anhand eines einzigen Ergebnisses bewertet. Dabei müsste man eine ganze Kette von Ereignissen innerhalb einer Woche verstehen, um sehen zu können, was am Wochenende passiert oder auch nicht. Das geht aber ohne Innenansicht nicht.
Ihren Weg zu Zorniger ebnete dessen Berater und Ex-St.-Pauli-Profi Thomas Meggle. Sie hatten zuvor schon mit dem Gedanken geliebäugelt, eine neue Herausforderung angehen zu wollen. Wie kam die Zusammenarbeit letztlich zustande?
Rohrberg: Ich habe mir über die Jahre ein großes Netzwerk aufgebaut, auch an Trainern und Sportdirektoren. Es war immer schon wahnsinnig interessant für mich, wie die Trainer arbeiten und dass sie ein wirklich gutes Team um sich brauchen, weil die Arbeit so vielschichtig ist. Am Ende war es wie so oft im Leben Schicksal und Glück. Alex hatte das Buch von Roger Schmidt und dessen Assistenten Jörn Wolf gelesen, das die beiden nach ihrer Zeit in China geschrieben haben. Daraufhin wollte er eine solche Position auch in seinem Team besetzen. Thomas Meggle, den ich aus meiner Heimat Hamburg kannte, rief mich dann an.
Wie kam er auf Sie - oder hatten Sie in der Branche platziert, dass Sie sich eine solche Aufgabe vorstellen können?
Rohrberg: Nein. Der Anruf von Thomas kam unerwartet. Es gab schon Leute, mit denen ich darüber gesprochen habe, dass ich mir so etwas perspektivisch vorstellen könnte, aber ohne einen Hintergedanken. Für Thomas war mein Profil interessant und passend: Ich habe selbst bis zur 4. Liga Fußball gespielt und bei Sky einen anderen Blickwinkel auf die Branche bekommen. Daher hat er mich gefragt, ob ich mir diesen Schritt vorstellen könnte.
Sie konnten!
Rohrberg: Klar. Ich hatte dann drei Gespräche mit Alex. Danach stand fest, dass wir das zusammen versuchen wollen.
Haben sie sich zuvor gekannt?
Rohrberg: Zu seiner Zeit bei Bröndby habe ich ihn für Sky in Kopenhagen besucht und interviewt. Wir hatten keinen regelmäßigen Austausch, haben uns aber geschätzt.
Hat Zorniger Ihre vorgesehene Rolle denn im Gespräch direkt klar definiert?
Rohrberg: Er hatte klare Vorstellungen, aber wusste, dass sich das alles in der Praxis erst einmal einspielen muss und gewisse Dinge dann auch eine andere Nuance bekommen könnten. Dass es bei ihm keinen Vorgänger von mir gab, war womöglich auch ganz gut. Es gab keinen klaren Gradmesser. So haben Alex und ich die Rolle gemeinsam mit Leben gefüllt und daran gefeilt.
Hatten Sie denn Bedenkzeit bekommen?
Rohrberg: Es ging alles sehr zügig. Ich war in Spanien im Urlaub. Drei Tage nach unserem letzten Telefonat hat er sich dann zurückgemeldet und gesagt: 'Wir machen das.'
Wie haben Sie auf die Tatsache geblickt, dass Sie diese ungeübte Aufgabe bei einem unbekannten Klub im Ausland ausführen werden?
Rohrberg: Natürlich wusste ich, dass es auch schnell wieder vorbei sein kann. Wenn du aber die Möglichkeit hast, in den Profibereich zu kommen und mit einem solch renommierten Trainer zu arbeiten, machst du das sofort. Mir war klar: Wenn Alex es machen will, dann bin ich dabei und gehe auch das Risiko ein, alles Vorherige aufzugeben - das musst du auch, wenn du dich auf diesem Niveau durchsetzen willst. Es war eine extreme Veränderung und ein richtig großer Schritt. Ich bin aber ein sehr optimistischer Mensch, der mehr die Chance als das Risiko sieht und habe es bisher auch nicht bereut.
Stimmt es, dass Sie Ihren Umzug aus dem Spanien-Urlaub organisieren mussten?
Rohrberg: Ja, ich musste schon sehr spontan und flexibel sein, aber das habe ich mit Unterstützung von Freunden und der Familie hingekriegt. Ich habe den Urlaub tatsächlich abgebrochen, bin noch einmal nach Hamburg, habe alles Grundlegende organisiert und bin danach sofort nach Zypern geflogen. Meine Hamburger Wohnung war erstmal untervermietet. Den finalen Auszug habe ich zwischendurch mal erledigt, als ich wieder ein paar Tage in Deutschland war.
Die Startphase bei Apollon verlief sportlich etwas holprig. Dazu war Ihre heutige Frau noch nicht bei Ihnen vor Ort. Wie einsam fühlten Sie sich da manchmal?
Rohrberg: Anfangs war alles so aufregend und neu, dass ich von den ganzen Eindrücken erschlagen war und gar nicht viel nachdenken konnte. Als es nach sechs Wochen ein wenig ungemütlicher wurde, habe ich mich abends durchaus mal einsam gefühlt. Wir haben das aber als Team mit Alex und seinem Co-Trainer Beniamino Molinari, mit dem ich privat viel gemacht habe, gut aufgefangen. Benni erging es ja genauso. Er war alleine dort, seine Frau und die drei Kinder sind in Deutschland geblieben.
Konnten Sie das Leben auf einer solchen Sonnen-Insel auch genießen oder war der Stress dafür zu groß?
Rohrberg: Es ist immer viel Arbeit und es gibt regelmäßig Dinge, die außerhalb der Planung anstehen. Der Job ist zeitaufwändig, das ist einfach so. Ich genieße aber gerne auch die Kleinigkeiten des Lebens. Wenn ich morgens um sieben Uhr bei warmen Temperaturen meinen Espresso auf dem Balkon trinken kann und danach arbeite, dann bin ich auch glücklich. Als meine Frau nachkam, war es eine Erfahrung, die uns keiner mehr nehmen kann. Dadurch, dass immer die Sonne schien, hatte man eine ganz andere Energie.
Als Assistent des Cheftrainers fungieren Sie als kommunikatives Bindeglied zwischen Trainerteam, Vereinsführung und sämtlichen Abteilungen rund um den Coach. Das soll zur Zeitersparnis und mehr Konzentration auf das Wesentliche für den Trainer beitragen. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Rohrberg: Ich habe mich mit Jörn Wolf ausgetauscht, der aktuell Assistent von Roger Schmidt bei Benfica ist. Er hat mir einen Einblick gegeben, wie er diesen Job mit Erfahrungen aus Leverkusen und China gestaltet hat. Alex und ich haben aber auch einfach sehr viel miteinander gesprochen, damit klar ist, was und wie es gewollt ist. Ich habe relativ schnell gemerkt, wie ich Alex am besten unterstützen kann, damit er sich in Ruhe auf den Fußball konzentrieren kann.
Was ist dafür konkret zu tun?
Rohrberg: Es kommen tausende Sachen auf den Trainer zu. Ich bin wie ein Sparringspartner für ihn. Ich stehe mit auf dem Platz und bin auch bei fast allen Gesprächen dabei. Alex und ich finden es aber wichtig, dass ich in die Entscheidungsprozesse nicht aktiv eingreife, da ich sonst meine Aufgabe als Kommunikator nicht zu 100 Prozent erfüllen könnte. Ich muss sicherstellen, dass das gesamte Setting stimmt und alles so abläuft, wie Alex es haben möchte. Darum kommuniziere ich innerhalb des Staff mit verschiedenen Leuten, um gemeinsam die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Können Sie Ihren Tagesablauf an einem handelsüblichen Dienstag einmal grob skizzieren?
Rohrberg: Es gibt genügend Baustellen, die bei einem Trainer im täglichen Arbeitsablauf entstehen - unabhängig vom Wochentag. Ich sorge dafür, dass er sich nicht dreimal mit dem gleichen Thema auseinandersetzen muss, dadurch entspanne ich sein Zeitmanagement. Hauptziel ist, dass wir einen optimalen Ablauf in den verschiedenen Abteilungen gewährleisten und dafür ist Kommunikation wichtig. Es geht immer darum, den Coach zu entlasten. Viele Themen müssen auch gefiltert beim Trainer ankommen. Ich erläutere ihm kurz die Lage, dann kann er entscheiden, was er nutzen möchte und was nicht. Dazu stehen regelmäßig organisatorische Themen mit dem Teammanagement auf der Agenda.
Und wann geht es los, wann ist Feierabend?
Rohrberg: Wenn wir um 10.30 Uhr trainieren, sind wir um sieben Uhr da. Man kann es nicht pauschalisieren, aber von 9 bis 17 Uhr gibt es in unserem Job nicht. Es wird auch vieles vor- und nachbereitet. Was, wie, wann, wo - das muss am Ende eben auch zeitlich alles passen. Es gibt viele Meetings wie die Videoanalyse, Einzel-Analyse oder der Ablauf rund um den Matchplan.
Jeder, der schon einmal dort war, weiß: Auf Zypern gehen die Uhren anders. Wobei haben Sie das erstmals gemerkt?
Rohrberg: Grundsätzlich ist es so, dass dort total emotional gehandelt wird. Der Fußball hat einen riesengroßen Stellenwert im Leben vieler Zyprer. Die Fußballverrücktheit erreicht dort ungeahnte Höhen. Dazu kommt eine andere Form der Lebensführung. Viele Dinge werden einfach lockerer genommen. Wenn du mit jemandem um 14 Uhr einen Termin hast und er kommt um 14.30 Uhr, heißt es dort eben: Sorry, mein Freund, ich spendiere dir morgen einen Kaffee.
War das im sportlichen Bereich ähnlich?
Rohrberg: Sagen wir es mal so: Ich habe dort schon manchmal gemerkt, wie deutsch ich bin. (lacht) Es war auch von den Strukturen her nicht immer einfach. Wir haben trotzdem eine gute Basis geschaffen - deswegen hatten wir auch Erfolg.
In Limassol stand am Ende der erste Meistertitel nach 16 Jahren. Die anschließenden Feierlichkeiten dauerten mehrere Tage. Was war für Sie der außergewöhnlichste Moment dabei?
Rohrberg: Ich würde zwei hervorheben. Als wir oben auf dem Bus standen und durch die Stadt gefahren sind, das war absolut außergewöhnlich. Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut. Es waren wirklich alle Leute auf den Straßen, es gab Feuerwerk und Pyrotechnik, aber es war trotzdem total friedlich. Vor dem Bus fuhr nur ein Polizist mit dem Motorrad.
Und der zweite Moment?
Rohrberg: Es gab eine Feier mit allen Spielern und ihren Familien. Griechische Sänger haben gesungen und einer von ihnen war dort auch relativ bekannt. Die haben alle eine irre Show abgeliefert. Es ist dort Usus, dass als Huldigung der Musiker Rosenblätter auf die Bühne geworfen werden. Als wir irgendwann gegangen sind, hat man den Boden dieses Ladens nicht mehr gesehen, weil er voller Rosenblätter war. Das war echt eine unfassbare Party.
Die anschließende Saison war gerade ein paar Wochen alt, da kam es zur Trennung von Zorniger. Auch Sie mussten gehen. Wie haben Sie reagiert?
Rohrberg: Für mich war das überraschend und auch enttäuschend. Die Trennung wurde uns zwei Tage vor dem Supercup-Finale mitgeteilt, was es nicht einfacher gemacht hat. Unter dem Strich muss ich aber sagen, dass diese Erfahrung auch etwas Gutes hatte. Ich kam in dieses Geschäft und wir sind direkt Meister geworden. Ein paar Wochen später hattest du plötzlich keinen Auftrag mehr. Ich glaube, es ist vielleicht ganz gut, dass ich diese beiden Seiten so frühzeitig kennengelernt habe.
Wie wurde das Aus seitens der Vereinsführung begründet?
Rohrberg: Das ging schnell, es gab ein Gespräch zwischen Alex und dem Präsidenten. Ich wurde vom Geschäftsführer angerufen und informiert, dass auch ich freigestellt bin. Danach haben wir uns bei der Mannschaft verabschiedet. Das war schon komisch: Du wirst Meister und hast natürlich einen extrem guten Draht zur Mannschaft aufgebaut - und dann bist du aus dem Nichts nicht mehr da. Aber das gehört eben mit dazu.
Etwas mehr als zwei Monate später gingen Sie mit Zorniger zur SpVgg Greuther Fürth. Stand es nach der Zeit auf Zypern fest, dass sie beide zusammen weitermachen?
Rohrberg: Ja. Alex hat mir das sehr schnell mitgeteilt. Für mich war das auch klar, weil wir gut harmonieren. Und wir sind beide überzeugt davon, dass der Wechsel nach Fürth ein richtiger Schritt für uns ist.
Sie haben einst für den MSV Duisburg II, den SV Meppen und die Hamburger Klubs Altona 93, Victoria, Lurup und Bergedorf 85 gekickt. Was aber haben Sie über die Profi-Spieler gelernt, wo Sie jetzt mittendrin sind?
Rohrberg: Auch hier: Es ist von außen unmöglich, sich vorzustellen, was es bedeutet, Profi zu sein und wie viel Arbeit dahintersteckt. Man kann sich auch gar nicht ausmalen, was es für einen Profiverein an Arbeit, an Organisation, an Druck bedeutet, am Wochenende ein Spiel zu gewinnen oder zu verlieren. Was das mit den Spielern macht und welche Probleme man ihnen auch medial bereiten kann, darüber sind sich viele Außenstehende nicht bewusst. Sich im Profibereich konstant auf einem hohen Niveau zu halten, ist per se eine Leistung.
Sie haben damals den Amateurfußball schließlich aufgegeben. Warum eigentlich?
Rohrberg: Ich fing bei Sky an, als ich noch bei Altona 93 in der 5. Liga gespielt habe. In der ersten Saison ging das noch. Danach war ich nur noch teil-aktiv, bis ich es ganz aufgegeben musste, weil ich beides nicht mehr unter einen Hut bekommen habe.
Wie lange hatten Sie die Hoffnung, es bis nach oben zu schaffen?
Rohrberg: Als ich mit 19 in die zweite Mannschaft von Duisburg kam und anschließend nach Meppen wechselte, hatte ich schon noch Hoffnung. Fußballerisch war das alles okay, aber ich war körperlich nicht gut genug.
Was haben Sie als Spieler nebenbei gemacht - oder konnte man davon leben?
Rohrberg: Es hat gerade so gereicht, um das Studium und die Wohnung zu finanzieren. Ich habe an der Sporthochschule Köln Sportwissenschaften studiert, aber nur das Grundstudium absolviert. Wir haben auch regelmäßig zweimal täglich trainiert, von daher war ich ehrlicherweise schon mehr auf den Fußball fokussiert. Ich hatte in Düsseldorf eine kleine günstige Wohnung. Als ich nach Hamburg zurückging, habe ich neben dem Fußball noch gejobbt.
Ab 2012 arbeiteten Sie bei Sky. Dort haben Sie zahlreiche Interviews vor der Kamera geführt. An welches erinnern Sie sich am ehesten zurück?
Rohrberg: Das ist echt schwierig. Das waren so viele Leute, da fällt es mir schwer, irgendein Gespräch herauszupicken. Ich bin sehr dankbar, dass ich in diesem Bereich viel lernen, viele großartige Menschen treffen und Kontakte aufbauen konnte.
Eine Sache sollte man aber noch ansprechen: 2015 haben Sie zusammen mit Wolfsburgs Stürmer Bas Dost das Lied "Türlich, Türlich (Sicher Dicker)" von Das Bo gerappt. Was denken Sie heute darüber?
Rohrberg: Die Jungs hatten scheinbar Spaß! Ich habe mich mit Bas ganz gut verstanden, damals lief es bei ihm auch sportlich sehr gut. Irgendwann hatte ich ihn mal gefragt, ob er das Lied kennt. Er verneinte, also habe ich es ihm vorgespielt. Er fand es lustig und daraufhin ist dieser Dreh entstanden. Das war eher eine spontane Sache, als wirklich am Reißbrett geplant.
Wie beurteilen denn Sie als langjähriger Journalist die starke Veränderung des Sportjournalismus in den vergangenen Jahren?
Rohrberg: Er hat sich schon extrem verändert. Die Ausrichtung der Medien wird immer bunter und knalliger und weniger wirklich inhaltlich. Ich empfand es durchaus auch als anstrengend, auf einmal jeglichen Twitter-Gerüchten nachgehen zu müssen. Jetzt sehe ich das Ausmaß von der anderen Seite: Viele Gerüchte werden einfach wahllos gestreut. Auch der Stellenwert des Journalismus hat durch Social Media abgenommen.
Bald gehen Sie in Ihre dritte Saison im Profifußball. Wie blicken Sie in die Zukunft?
Rohrberg: Das klingt jetzt banal: Ich will erst einmal noch weiter im Profigeschäft ankommen und lernen. Mein Ziel ist es, mich in diesem Bereich festzubeißen. Ob es dann irgendwann auch mal in einer anderen Position sein wird, will ich nicht ausschließen, aber das kann ich jetzt natürlich noch nicht klar definieren.