Kaymer kann sogar Tiger ablösen

Florian Regelmann
17. August 201011:40
Martin Kaymer kassierte für seinen Sieg bei der PGA Championship 1,35 Millionen DollarGetty
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Martin Kaymer gewinnt die PGA Championship in Whistling Straits und steigt mit seinem ersten Major-Sieg zu einem Sport-Superstar auf, nicht nur in Deutschland. SPOX mit der ultimativen Lobhudelei auf einen 25-Jährigen, der noch viel mehr erreichen wird.

Was war bei der PGA Championship 2010 nicht alles los? Wir könnten jetzt über den leidenden Sergio Garcia reden, der sich ab sofort eine mehrmonatige Pause vom Golf nimmt und sie bitter nötig hat, wie dieses Video aus Whistling Straits beweist. Oder über den Chinesen-Mann Wen-chong Liang, den vor dem Turnier kein Schwein kannte, der aber dann einfach mal einen Platzrekord schießt.

Oder über Bubba Watson aus Bagdad/Florida, der noch nie eine Trainerstunde hatte, den Ball kilometerweit schlägt, in praktisch jedem Interview heult und danach sagt, dass er aber keine Memme ist. Oder über Nick Watney, der nach Runden von 69, 68 und 66 Schlägen am Finaltag dank eines Feuerwerks auf den letzten Löchern eine entspannte 81 ins Clubhaus bringt.

Oder aber über Phil Mickelson und Tiger Woods. Der eine leidet an Arthritis und ist plötzlich Vegetarier, der andere ist immer noch die Nummer eins der Welt und hat bei der PGA Championship in Ansätzen sogar wie der alte Tiger gespielt. Aber eben nur in Ansätzen.

Oder wir könnten natürlich über Dustin Johnson sprechen, der auf gutem Wege zum Pechvogel des Jahrhunderts ist. Erst bricht er bei den US Open in Führung liegend in der Finalrunde völlig weg - und jetzt wird ihm ein Bunker zum Verhängnis, der gar keiner war.

Eine einzige Anmerkung dazu: Es war den Regeln nach die richtige Entscheidung und in gewisser Weise ist DJ selbst schuld. Das Problem, das die Regelhüter aber mal bedenken sollten: Wäre das gleiche an Tag 2 an Loch 5 passiert, es hätte wohl keine Kamera eingefangen und es hätte niemanden interessiert.

So wird die PGA Championship 2010 in den USA wohl immer als das Dustin-Johnson-Debakel in Erinnerung bleiben. Aber in Deutschland sieht die Welt anders aus.

Das SPOX-Par-10 widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe ausschließlich Martin Kaymer. Und sonst niemandem. Extra-Blatt, Extra-Blatt!

10. Nimm das, Alex! Um das zu Beginn sofort mal abzuhandeln. Alex Cejka hat das Tippduell gegen SPOX diesmal haushoch verloren. SPOX hatte Kaymer auf dem Zettel, Cejka nicht.

Das ist bitter für den Herrn Cejka. Deshalb verstehen wir auch, dass von Cejka noch keine Stellungnahme zu seiner Niederlage zu bekommen war.

Update Cejka hat sich gemeldet: "Ich gratuliere Martin ganz herzlich zu seinem ersten Major-Sieg und bin mir sicher, es wird nicht sein letzter sein. Dieser Erfolg wird nicht nur ihn, sondern auch den deutschen Golfsport erheblich nach vorne bringen. Schon bei den letzten World-Cup-Veranstaltungen, bei denen wir als Team an den Start gingen, habe ich gemerkt, dass dieser Junge alles mitbringt, um ein Weltklassespieler zu werden. Dies hat er am letzten Sonntag eindrucksvoll bewiesen."

9. Nimm das, USA! Es gibt keinen Sport, in dem der Sieger so schwer vorauszusagen ist wie im Golf. Bei der PGA Championship kommt traditionell das stärkste Feld des Jahres zusammen. Man kann locker 50 Mann aus dem Hut zaubern, die alle das Zeug zum Sieg haben.

Wie man es aber schaffen kann, ein Top-50-Ranking aufzustellen und Kaymer dabei außen vor zu lassen, ist ein absolutes Rätsel. Genau das ist in den US-Medien vor dem letzten Major des Jahres aber passiert. Kaymer hatte ja nur zwei Top-10-Resultate in den letzten beiden Majors erzielt und er war ja nur die Nummer 13 der Welt, den kann man schon mal weg lassen. Ist schon klar.

Es gab sogar US-Journalisten, die tatsächlich noch während der Woche nicht wussten, wer Kaymer ist. Auch jetzt nach Kaymers Sieg wird fast nur über Johnsons Albtraum gesprochen. Macht aber nichts. Friede sei mit ihnen.

8. Graues Polo, schwarze Hose: Es gibt natürlich auch Gründe, warum der Name Kaymer den US-Fans bis zur PGA Championship noch nicht so ein Begriff war. Kaymer hatte zum einen in den USA noch nicht so viele Top-Leistungen abliefern können. Und zum anderen fällt er mit seiner Art und seinem Style auch einfach nicht auf.

Er läuft an Finaltagen nicht wie Rickie Fowler ganz in orange gekleidet über den Platz. Er trägt zu seiner schwarzen Hose eben ein graues Polo. Kaymer ist der klassischste Typ, den man sich nur vorstellen kann. Passend dazu seine ruhige Art - er hat noch nie einen Schläger geschmissen. Ausraster sind völlig ausgeschlossen.

"Ich bin ein ganz normaler Typ. Die meisten Menschen in der Welt denken, dass die Deutschen langweilige Menschen sind. Ich glaube nicht, dass ich langweilig bin, aber ich bin auch nicht der total verrückte Typ. Ich bin sehr normal. So wie ich auf dem Platz bin, bin ich auch abseits des Platzes", beschrieb sich Kaymer zutreffend.

Eine Top-Partnerschaft: Martin Kaymer und Caddie Craig Connelly Getty7. Lobe, wer seinem Caddie hilft: Manchmal sagen ganz kleine Szenen mehr über einen Menschen aus als viele Worte. Finalrunde PGA Championship: Kaymer hat gerade ein Eisen ins Grün geschlagen und damit ein mächtiges Divot aus dem Boden gehauen.

Kaymer geht ein paar Schritte, bückt sich, hebt das Divot auf und gibt es seinem Caddie Craig Connelly, damit der es wieder einsetzen kann.

Einfach bei den Übertragungen mal darauf achten, wie viele Superstars das machen. Viele wird man nicht finden. Es klingt vielleicht pathetisch, aber Kaymer ist ein noch besserer Junge als Golfspieler. Und das will was heißen.

6. Swinging like Martin: Eine Frage, die spätestens nach seinem Triumph wieder aufkommt: Mit wem ist Kaymer eigentlich vergleichbar? Die Antwort: mit niemandem. Sicher hat er etwas von Bernhard Langer in sich, aber das Paket, das Kaymer auszeichnet, hat sonst keiner auf der Tour.

Sein langes Spiel ist so unfassbar konstant, das Tiger vor Neid erblassen würde. Dazu ist er lang vom Abschlag, wenn auch nicht so lang wie die Watsons, Johnsons oder Quiros' dieser Welt. Seine langen Eisen, wie der Abschlag an der 17 im Stechen oder der dritte an der 18 im Stechen, sind ein Traum.

Einzig der Putter war in seiner Karriere oft etwas launenhaft, aber dass er auch in Major-Turnieren wichtige Putts lochen kann, hat er am Finaltag eindrucksvoll gezeigt. Vor allem der Par-Putt an der 18, mit dem er sich ins Stechen rettete, war groß. Ganz groß. Dazu hat er "einen guten Kopf auf den Schultern", wie es Langer einmal formulierte. Strategietechnisch macht ihm keiner etwas vor. Er macht es auf eine ganz andere, ruhige Art und Weise, aber in seinem eigenen Stil ist Kaymer auch ein abgebrühter Killer geworden.

Wie Kaymer Woods ablösen kann und was seine "Schwäche" ist...

5. Kaymers niedrigste Runde: Wer Kaymers Karriere verstehen will, muss in Velburg-Unterwiesenacker beginnen. Dort spielte er 2006 mit 21 Jahren bei der Habsberg Classic eine 59er-Fabelrunde. 12 Birdies, ein Eagle, ein Bogey, vier Pars.

Es spielte sich zwar nur auf der drittklassigen EPD Tour ab, aber dennoch war es das erste Mal, dass ein Großteil der Golf-Szene von einem jungen Senkrechtstarter mit viel Potenzial hörte. Was seit dieser 59 passierte, ist mit "kometenhaft" zwar einerseits richtig, aber andererseits auch völlig falsch beschrieben.

Richtig, weil Kaymer sich im Anschluss an seine EPD-Glanzleistung in einem Höllentempo sofort für die European Tour qualifizierte - zwischen der 59 und seinem Major-Sieg liegen tatsächlich nur vier Jahre. Aber auch falsch, weil in Kaymers Entwicklung dennoch immer alles Step-by-Step ablief. So hatte er zu Beginn auf der European Tour große Probleme, ehe er sich langsam an alles gewöhnte. Und auch bei den Majors dauerte es eine Weile, bis er sich langsam aber sicher an Top-Resultate herantastete.

Martin Kaymers größter Moment seiner KarriereGetty4. Kaymers wichtigste Siege: Es war die Abu Dhabi Championship 2008, bei der Kaymer seinen ersten Sieg auf der European Tour feierte. Zwei Wochen später landete er in Dubai hinter Woods auf Rang zwei. Sein Birdie-Birdie-Eagle-Finish beeindruckte damals auch Tiger.

Nach dem Turnier traf Kaymer den Weltranglistenersten und konnte mit ihm plaudern. "Hi, I'm Tiger", stellte sich Woods vor. Für Kaymer war es ein unglaubliches Erlebnis. Zwei Jahre später steht Kaymer nicht mit Woods auf einer Stufe, aber er ist längst nicht mehr der kleine Martin, der zum großen Tiger aufschaut.

Ein weiterer Meilenstein war für Kaymer der Heim-Sieg 2008 bei den BMW International Open, den er seiner Mutter Rina widmete, die kurze Zeit später verstarb. Als er bei der PGA Championship den Putt zum Sieg lochte, schien es so, als ob er kurz in den Himmel blicken würde. Da ist gerade jemand mächtig stolz auf ihn.

3. Kaymer goes Ryder Cup: Während Woods auf eine Wildcard von Captain Corey Pavin angewiesen ist, hat sich Kaymer sicher für das europäische Team von Colin Montgomerie qualifiziert.

Auch hier hat er eine Entwicklung hinter sich. Beim letzten Ryder Cup, den er nur ganz knapp verpasste, nahm er eine Einladung von Kapitän Nick Faldo an, um in Kentucky als Gast dabei zu sein. Um Erfahrung zu sammeln, die Atmosphäre aufzusaugen - und um bereit zu sein, wenn er dann mal selbst im Team stehen wird.

Ryder-Cup-Team der USA: Woods muss auf Wildcard hoffen

Dass er diese Anlehnung damals angenommen hat, sagt auch einiges über ihn aus. Er weiß sich gut selbst einzuschätzen und erkannte, dass er noch nicht soweit war, um im Ryder Cup zu spielen. Jetzt ist er nicht nur soweit, um mitzuspielen. Er ist soweit, um eine tragende Rolle zu spielen. Mit seinem guten Freund Rory McIlroy könnte er ein Traumpaar bilden - oder auch mit Bernhard Langer, sollte der von Montgomerie nominiert werden. So ausgeschlossen ist das wirklich nicht.

2. Boris, Schumi, Kaymer: Mitten in der Nacht gewinnt ein Deutscher eines der vier wichtigsten Golf-Turniere der Welt. Die "Bild" adelt ihn sofort als "Deutschlands neuen Golf-Titan", aber es bleibt abzuwarten, inwieweit Kaymers Sieg dem Golfsport in Deutschland einen Schub geben kann. Es ist auf jeden Fall zu hoffen. Ein besseres Vorbild als Kaymer kann es für Talente nicht geben.

Fakt ist auch, dass Kaymers Sieg vom sportlichen Wert und der globalen Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen ist. Es ist absolut gleichzusetzen mit einem Wimbledon-Sieg von Boris Becker oder einem WM-Titel von Michael Schumacher.

Kaymer gehört ab sofort zu den ganz großen deutschen Sport-Superstars. Niemand steht vor ihm, höchstens auf gleicher Stufe. Ganz wichtig ist sein Sieg auch für Deutschlands Ryder-Cup-Bewerbung 2018. Diese erhält dringend benötigten Rückenwind.

1. Kaymer kann Tiger ablösen: Wochenlang wurde darauf gewartet, dass Mickelson Woods an der Spitze der Weltrangliste ablöst. Doch es passierte nichts. Es ist gut möglich, dass Mickelson noch die neue Nummer eins wird, aber mittelfristig gibt es in erster Linie mal zwei Kandidaten für den Top-Platz: McIlroy und Kaymer.

So wie es bei Kaymer eine Frage der Zeit war, bis er seinen ersten Major-Sieg gefeiert hat, ist es bei McIlroy eine Frage der Zeit. Und genauso, wie es eine Frage der Zeit war, bis Kaymer seinen ersten Major-Sieg gefeiert hat, ist es eine Frage der Zeit, bis er seinen zweiten abräumen wird.

Weltrangliste: Kaymer jetzt schon auf Rang 5

2010 hat folgende Major-Sieger gebracht: Mickelson, McDowell, Oosthuizen und Kaymer. Die SPOX-Prognose: Von diesen vier Spielern wird von heute an bis zum Ende der Karriere Kaymer die meisten Major-Siege holen.

Und es ist sogar realistisch, dass er die Nummer eins wird. Eventuell schon im nächsten Jahr. Klingt übertrieben, ist es aber bei genauerer Analyse nicht. Der Junge ist einfach verdammt gut. Und wer sich angesichts dieser ultimativen Lobhudelei fragt, ob der Kaymer nicht doch eine Schwäche hat, dem sei gesagt: Ja, hat er. Er ist Fan des 1. FC Köln.

Tag 4: Kaymer gewinnt Stechen gegen Watson