16. August 2009: Der Major-Durchbruch
Kaymer hatte sich längst als Topstar etabliert - auf der European Tour gewann er im Sommer 2009 bei der Open de France und den Scottish Open zwei große Turniere in Serie. Eine Woche später sollte ihm dann bei der Open Championship aber etwas die Puste ausgehen. Er fuhr die nächste ordentliche Platzierung ein, aber der richtige Durchbruch bei einem Major wollte sich noch nicht richtig einstellen.
Kaymer benötigte einige Zeit, um zu lernen, wie man bei den vier größten Golf-Turnieren der Welt spielen muss, um ganz vorne dabei zu sein. Sein sechster Platz bei der PGA Championship in Hazeltine war ein eminent wichtiges Resultat für Kaymer, weil er merkte, auch bei den Majors ganz vorne mitspielen zu können.
Und er bewies vor allem auch, dass er in den USA, wo er lange Probleme hatte, absolute Top-Ergebnisse abliefern kann. Für seinen Major-Sieg ein Jahr später war diese Woche Gold wert.
15. August 2010: Hello, Mr. Major-Champion!
So wie sich im Tennis alles über die Grand Slams definiert, definiert sich der Golf-Sport über die Majors. Bist du kein Major-Sieger, bist du auch kein ganz Großer. So einfach ist das. Phil Mickelson musste beispielsweise geradezu ewig warten, bis er den Makel des Major-losen Stars ablegen konnte - manch anderer wartet immer noch auf seinen großen Tag. Grüße an Lee Westwood...
Für Kaymer kam der große Tag in Whistling Straits. Sein Playoff-Sieg gegen Bubba Watson machte aus einem Star einen Superstar. Und die Art und Weise war einer zukünftigen Nummer eins würdig. Kaymers gelochter Par-Putt an der 18, der ihn erst in das Stechen brachte, bleibt bis heute sein bester Schlag der Karriere.
In dieser Situation diesen Putt zu lochen - das war der Moment, der Kaymers Karriere noch mal auf eine andere Ebene brachte. Extrem wichtig für Kaymer war in der Folge auch, dass er bei seinen nächsten beiden Starts gleich wieder Turniersiege feierte und seinen Status als neuer deutscher Sport-Superstar zementierte.
Oktober 2010: Der erste Ryder Cup
Neben den vier Major-Turnieren gibt es nur einen Wettbewerb, für den jeder Golfer lebt. Den Ryder Cup. Kaymers Ziel war es immer, im europäischen Team dabei zu sein. 2008 hatte er die Qualifikation noch ganz knapp verpasst, was sich im Nachhinein aber auch als gute Fügung entpuppte.
Denn so bekam Kaymer die Chance, als Gast beim Ryder Cup 2008 dabei zu sein. Er erlebte das Spektakel aus nächster Entfernung, musste aber noch nicht selbst eingreifen. So war Kaymer 2010 optimal auf sein Debüt vorbereitet.
An der Seite von Westwood (und Ian Poulter) holte Kaymer einige Punkte, aber er ist der Erste, der zugibt, dass er in der Woche nicht sein bestes Golf abrufen konnte. Es interessierte aber auch nicht. Was zählte, war einzig und allein der europäische Sieg. Und dass Kaymer ein Teil dieses Teams war. Ohne Zweifel war die Ryder-Cup-Woche ein weiteres Puzzleteil auf dem Weg zur Nummer eins.
28. Februar 2011: Kaymer ist die neue Nummer eins
Die Weltrangliste war so eng zusammen gerückt, dass es schon seit einiger Zeit immer wieder Szenarien gab, wie Kaymer die neue Nummer eins werden würde. Nun ist es Wirklichkeit geworden. Eine Reise, die in Velburg-Unterwiesenacker mit der 59 begann, fand in Arizona ihren vorläufigen Höhepunkt. Aus einem Talent ist der Germanator geworden, wie sie Kaymer in den USA jetzt nennen. Und man wird keinen Kollegen auf der Tour, keinen Journalisten auf der ganzen Welt, oder TV-Experten finden, der nicht der Meinung ist, dass Kaymer die Nummer-eins-Position verdient hat.
Blog: Die Match Play Championship in der Zusammenfassung
Nicht nur, weil es über sein Golfspiel keine zwei Meinungen gibt. Dass Kaymers Spielweise mit seiner laserähnlichen Präzision ein bisschen an Langer erinnert, ist genauso bekannt wie seine phänomenalen Frontrunner-Fähigkeiten. Liegt Kaymer bei einem Turnier mal vorne, gewinnt er es so gut wie immer auch. In dieser Hinsicht, und nur in dieser Hinsicht, erinnert er sogar tatsächlich an Tiger zu dessen besten Zeiten.
Das ist alles aber nur eine Seite der Medaille. Entscheidend für seinen Erfolg ist sein Kopf. Wir lassen noch einmal Bruder Philip erzählen: "Es war beim Länderpokal. Martin war 16 oder 17 Jahre alt und es ging ins Stechen gegen Berlin/Brandenburg. Nach drei oder vier Löchern des Stechens ist er zum Trainer gegangen und hat ihn gefragt, gegen wen sie gerade eigentlich spielen würden. Er hat das nicht gewusst. Er hat nur gewusst, dass er so gut als möglich Golf spielen soll und darauf hat er sich konzentriert. Alles andere war ihm egal. Er kann Sachen sehr gut ausblenden. Wenn er einen Putt hat, dann denkt er nicht daran, ob der jetzt 10.000 Euro, 50.000 Euro oder eine halbe Million wert ist. Er sagt sich, ich bin hier, um den Putt reinzumachen und den mache ich jetzt rein."
Ein Superstar ohne Star-Allüren
Eine Anekdote, die Kaymers mentale Stärke und Ausgeglichenheit sehr gut beschreibt. Es gibt wohl kaum einen Superstar vergleichbaren Ranges, der so auf dem Boden geblieben ist. Das Wort Star-Allüren ist von Kaymer so weit weg wie die Erde vom Mond.
Es hört sich kitschig an, aber Kaymer liebt seinen Job nicht, weil er die Nummer eins der Welt ist. Es ist etwas ganz Besonderes für ihn, sicherlich, aber seine eigentliche Freude am Golf bezieht er aus anderen Situationen. Wenn er früh morgens auf der Range steht zum Beispiel. Ganz alleine. An der frischen Luft.
Deshalb ist es auch keine Floskel, wenn Kaymer sagt, dass der Nummer-eins-Status nichts verändern wird. Nicht wie er trainiert. Nicht wie er lebt. "Wenn die Weltrangliste sagt, dass ich die Nummer eins bin, dann bin ich wohl der beste Spieler der Welt", sagte Kaymer am Wochenende.
Es ist unmöglich zu sagen, wie lange er die Nummer eins bleiben wird. Dafür geht es an der Spitze viel zu eng zu. Fest steht nur, dass Kaymers Golfer-Glück nicht davon abhängt, ob er die Nummer eins oder vier ist. Sein nächstes Ziel hat einen anderen Namen: Augusta. Im April findet das erste Major des Jahres statt. Beim Masters hat Kaymer noch nie gut abgeschnitten. Es wurmt ihn. Sein ganzer Fokus liegt deshalb darauf, in Augusta um den Sieg spielen zu können. Und, das ist noch so eine typische Kaymer-Art, wenn er etwas unbedingt will, dann macht er das auch.