"Da mach ich mir in die Hose"

Von Interview: Marco Kieferl
Florian Fritsch jagt zum Saisonende auf der European Tour nach der Tourkarte für 2016
© getty

Trotz Flugangst gelang Florian Fritsch im vergangenen Jahr ein beeindruckendes Comeback auf die European Tour. Vor der Porsche European Open in Bad Griesbach spricht er über einen Lachkrampf, ungeliebte Heimspiele, Mietwagenreisen nach Casablanca und eine verhängnisvolle Lady. Außerdem: Warum er mit Absicht Fehler macht und Konkurrent Harald Schmidt.

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SPOX: Herr Fritsch, Ende August schlugen Sie in Tschechien beim Czech Masters eine Lady an der 18. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?

Fritsch: Gar nichts! Das war einfach nur genial. Ich habe den Schlag getoppt und das Ding ist irgendwo im Rough vor dem Damenabschlag eingerastet. Ich und mein Caddy lagen am Boden vor Lachen. Jetzt schulde ich meinen Mitspielern in Bad Griesbach ein Getränk. Den zweiten Schlag habe ich prompt ins Wasser verzogen. Also lag ich nicht einmal 100 Meter vom Abschlag entfernt, musste aber schon meinen vierten Schlag machen. Meine einzige Verteidigung ist letztlich, dass ich noch ein Double Bogey gerettet habe. Da bin ich sogar ein bisschen stolz darauf.

SPOX: In den vergangenen Jahren gaben Sie immer wieder wechselnde Wasserstandsmeldungen über Ihre Flugangst ab. Vor dieser Saison hofften Sie, kurze Flüge absolvieren zu können. Wie geht es Ihnen damit?

Fritsch: Diese Zuversicht kam immer daher, dass ich eigentlich gute Behandlungen mit den entsprechenden Therapeuten hatte. Schlussendlich ist es aber entscheidend, wie es mir beim Fliegen selbst geht und da hat sich das Ganze dann ins Gegenteil verkehrt. Ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, wo ich sage: Ich mache da gar nichts mehr, ich verhalte mich nun komplett passiv. Haben Sie gewusst, dass ein Torwart beim Elfmeterschießen im Vergleich zum Hechten die gleiche Chance hat den Ball zu halten, wenn er einfach in der Mitte stehen bleibt?

SPOX: Interessanter Fakt. Worauf wollen Sie hinaus?

Fritsch: Nehmen wir ein DFB-Pokal-Finale. Wie würde es aussehen, wenn Manuel Neuer da fünfmal hintereinander stehen bleibt? Das wäre doch komisch. Durch den Gruppenzwang ist er geneigt, in irgendeine Ecke zu springen, damit man sieht, dass er versucht den Ball zu halten. Passivität hilft manchmal, ein Problem zu lösen. Ich lasse es nun einfach mit dem Fliegen sein und lebe mit dem Problem.

SPOX: Wie darf man sich Ihren Reisealltag vorstellen? Anfang des Jahres spielten Sie trotz Flugangst ja sogar in Marokko.

Fritsch: Ich bin jedes Jahr zu Saisonbeginn drei bis vier Wochen in Spanien und war daher schon im Süden. Ich bin an die Küste gefahren, habe von dort mit der Fähre nach Tanger übergesetzt und mir einen Mietwagen geholt, ehe ich dann vier Stunden nach Casablanca gefahren bin, um zwei Caddies abzuholen. Zu dritt sind wir weitere vier Stunden nach Agadir gefahren. Die Rückfahrt sah so aus, dass ich mit den Caddies wieder nach Casablanca gefahren bin und von dort die Nachtfähre nach Montpellier genommen habe. Dort habe ich mich in den TGV nach Straßburg gesetzt und wurde nach sechs Stunden Fahrt von meinem Bruder abends am Bahnhof abgeholt.

SPOX: Wie viel Zeit verlieren Sie durchschnittlich unter den Turnierwochen auf die fliegende Konkurrenz?

Fritsch: Ich glaube letztendlich läuft das auf null hinaus. Durch meinen Wohnort in Heidelberg bin ich in Europa sehr zentral aufgestellt und komme überall in vier bis zwölf Stunden hin. Wenn ich mich eineinhalb, zwei Stunden in den Flieger nach Mailand setze, brauche ich mit dem Ganzen Prozedere Drumherum doch genauso lange, als wenn ich mich fünf, sechs Stunden ins Auto setze. Ich habe mich letztens mit Shiv Kapur in Tschechien unterhalten. Als er meinte, dass ich unglaublich viel unterwegs sein müsse, sagte ich zu ihm: "Shiv, du wohnst doch in Indien, spielst die European Tour. Wie viel Zeit verbringst du im Flieger, wie lange wartest du auf dem Flughafen und wie oft pendelst du nach Hause? Am Ende bin ich doch viel weniger unterwegs als du."

SPOX: Seit circa drei Jahren verfolgen Sie die Trainingsmethode des differentiellen Lernens. Wie darf man sich das vorstellen?

Fritsch: Ich mache bewusst Fehler. Als Menschen sind wir nicht in der Lage eine bestimmte Bewegung mehrmals hintereinander exakt zu wiederholen. Vom praktischen Standpunkt aus habe ich auf dem Platz ständig eine andere Situation. Mal habe ich Wind von vorne oder von der Seite, dann stehe ich über oder unter dem Ball. Wenn ich übe, schwinge ich mal kürzer, mal zur Hälfte, greife schwach oder stark, mache aber nie denselben Schlag zweimal hintereinander. So trainiere ich die Anpassungen, die ich auf dem Golfplatz mache.

SPOX: Sie sagten einmal, man solle als junger Amateur nicht immer gleich zum Golflehrer rennen, sondern versuchen, Probleme erst selbst zu lösen. Hat ihr Trainer Martin Hasenbein also nichts mehr zu tun?

Fritsch: Für einen Profi ist eine gewisse Selbstständigkeit unerlässlich. Es ist wichtig, dass man als Golfer die Stützräder wegbekommt und sich mit dem eigenen Schwung und den Fehlern auseinandersetzt. Ein guter Lehrer zeigt dir nicht, was du siehst, er zeigt dir, wo du hinsehen sollst. Ein Lehrer sollte seinem Schüler zum Beispiel sagen, er soll auf seinen Griff achten, jedoch nie genau erklären, was er ändern soll. So setzt sich der Spieler selbst mit seiner Grifftechnik auseinander.

SPOX: Gibt ihnen Martin Hasenbein so gesehen nur Hausaufgaben auf?

Fritsch: Richtig. Ich sehe ihn nur einmal im Jahr, dann spielen wir neun Loch Golf und das war's. Wenn ich einen Fehler mache, sagt er mir zum Beispiel: Geh auf die Range und variiere das Ganze mal ein bisschen. Dann übe ich und sehe zu, welche Stellschrauben das Problem am effektivsten beheben.

Seite 1: Fritsch über Flugangst und Getränke-Schulden

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