Nach der Entlassung von Coach Markus Baur und Sportdirektor Daniel Stephan in Lemgo fragt sich die Handball-Welt, wie es dazu kommen konnte.
SPOX hat deshalb nachgefragt bei TBV-Geschäftsführer Volker Zerbe. Der Ex-Nationalspieler erläutert die Beweggründe, Lemgos Ziele und die Erwartungens ans Team.
Zugleich hofft der 41-Jährige, dass die berufliche Trennung von Baur und Stephan keine Auswirkungen auf die persönliche Freundschaft mit den beiden haben wird.
SPOX: Herr Zerbe, ich muss gestehen, dass wir aus allen Wolken gefallen sind, als wir von Markus Baurs Entlassung gehört haben.
Volker Zerbe: Aber Sie müssen sehen, dass die sportliche Entwicklung dazu geführt hat. Wir haben eine schlechte Vorbereitung gespielt, und das hat sich dann auch beim Qualifikationsturnier für die Champions League fortgesetzt.
SPOX: Wie sind denn die schwachen Leistungen zu erklären?
Zerbe: Genau das ist die Schwierigkeit. Aber wenn die Ergebnisse nicht die erwünschten sind, treten irgendwann die Gesetzmäßigkeiten des Sports ein.
SPOX: Als mein Kollege Florian Regelmann der TBV im Trainingslager besucht hat, sagte Markus Baur, dass er noch jeden Tag dazulerne. Müssen Sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie ihm nicht genug Zeit zur Entwicklung gegeben haben?
Zerbe: Auf der anderen Seite natürlich, ganz klar. Aber Sie kennen die Kurzlebigkeit im Sport, da hat man nicht immer die Zeit, Dinge langfristig umzusetzen.
SPOX: Aber Lemgo hat ja noch kein einziges Bundesligaspiel bestritten. Das wirkt schon wie eine voreilige Entscheidung.
Zerbe: Nun ja, wir haben uns die vergangenen Wochen angeschaut und die Tendenz ging für uns eindeutig nicht nach oben. Nach dem Abschluss des Qualifikationsturniers haben wir uns deshalb für diesen Schritt entschieden.
SPOX: Für viele gilt Baur schon als legitimer Nachfolger von Bundestrainer Heiner Brand. Mit anderen Worten: Die Leute trauen ihm einiges zu. War er jetzt in Lemgo einfach noch nicht so weit? Oder teilt Lemgo nicht diese Einschätzung?
Zerbe: Ich persönlich glaube, dass Markus ein riesiges Potenzial hat. Das war jetzt einfach nur eine schwere Zeit in Lemgo. Aber grundsätzlich traue ich ihm das sicherlich zu.
SPOX: Was erwartet man denn nun beim TBV Lemgo? Wo will der Verein landen?
Zerbe: Langfristig wollen wir um die Champions-League-Plätze mitspielen. Genau das sahen wir aber zuletzt gefährdet. Kurzfristig denken wir aber nur von Spiel zu Spiel. Jetzt kommt es darauf an, das erste Spiel gegen Magdeburg (20.15 Uhr im LIVESCORE) zu gewinnen. Wenn wir das Potenzial, das die Mannschaft ohne Frage hat, abrufen, dann können wir unsere Ziele wieder angehen.
SPOX: Mit Baur musste auch Sportdirektor Daniel Stephan gehen, der in Lemgo eine lebende Legende ist. Was glauben Sie, wie die Fans auf diese Entscheidung reagieren werden?
Zerbe: Gar kein Thema, beide haben große Verdienste. Insofern bin ich überzeugt, dass die Fans hinter den beiden stehen werden, davon gehe ich aus. Aber ich bin sicher, dass auch die Fans zuletzt unzufrieden waren.
SPOX: Ich nehme an, dass das auch für Sie emotional keine einfache Situation ist.
Zerbe: Natürlich nicht. Ich bin mit Markus und Daniel gut befreundet, wir kennen uns auch aus der Nationalmannschaft bestens. Das geht mir schon nahe.
SPOX: Und Baur und Stephan?
Zerbe: Naja, wie soll man die Nachricht aufnehmen, dass man seine Arbeit nicht mehr machen darf? Natürlich mussten die beiden schwer schlucken.
SPOX: Sehen Sie die Gefahr, dass Ihr persönliches Verhältnis darunter leiden könnte?
Zerbe: Das hoffe ich nicht. Das ist natürlich alles noch ganz frisch, aber ich hoffe inständig, dass diese berufliche Sache auf unsere persönliche Beziehung keine Auswirkungen hat.
SPOX: Im Verhältnis zwischen Spielern und Mannschaft dürfte die Misere aber doch nicht begründet sein.
Zerbe: Auf keinen Fall. Das Verhältnis war hervorragend, das kann man sicherlich sagen. Aber die Ergebnisse passten eben trotzdem nicht.
SPOX: War die Mannschaft denn einverstanden mit der Entlassung?
Zerbe: Die Spieler wissen, dass sie die Entscheidung des Vereins zu akzeptieren haben. Aber sicher muss man so etwas erstmal verarbeiten.
SPOX: Allerdings kommt jetzt direkt das erste Saisonspiel auf den TBV zu. Erwarten Sie eher eine Trotzreaktion oder doch vielleicht einen Schockzustand?
Zerbe: Irgendwo schon eine Trotzreaktion, weil die Mannschaft weiß, dass Sie in der Pflicht ist. Allerdings ist mir klar, dass so etwas auch eine gewisse Nervosität hervorrufen kann. Aber ich erwarte zumindest, dass sich das Team als Einheit präsentiert.
SPOX: Und wie geht's jetzt weiter? Wer übernimmt das Zepter in Lemgo?
Zerbe: Die Nachfolge ist geregelt: Ab sofort wird Volker Mudrow (TBV-Trainer von 2002 bis 2007, Anm. d. Red.) die Mannschaft trainieren.
Blog von Florian Regelmann: Der TBV-Irrsinn