"Torhüter sind wie Wein - je älter desto besser"

Von Interview: Barbara Kuhn
Dario Quenstedt wurde 2009 bei der WM in Ägypten mit dem deutschen Team Juniorenweltmeister
© Imago

Im August sind die deutschen Handball-Junioren in Ägypten zum ersten Mal Weltmeister geworden. SPOX kümmert sich ab sofort verstärkt um den deutschen Handball-Nachwuchs und stellt regelmäßig die besten Junioren vor, die sicher schon bei Bundestrainer Heiner Brand im Notizblock stehen. Diesmal: WM-Torhüter Dario Quenstedt vom SC Magdeburg.

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Bei den SC Magdeburg Youngsters in der 2. Bundesliga ist Dario Quenstedt längst eine feste Größe, hat in dieser Saison noch kein Spiel verpasst. Doch er will mehr - die erste Mannschaft der Sachsen-Anhaltiner ist sein Ziel. Vorher spricht der 20-Jährige bei SPOX über seinen Umweg ins Handball-Tor, Vergleiche mit Silvio Heinevetter und Training mit Wurstköpfen.

SPOX: Am Nikolaustag haben Sie mit den Junioren zum letzten Mal gewonnen, und zwar in Nordhorn. Eine echte Zitterpartie, oder?

Dario Quenstedt: Das war wirklich ein Erlebnis. In Nordhorn war die Hölle los: Die Zuschauer haben uns gnadenlos ausgepfiffen. Aber wir haben es trotzdem geschafft, vorne einen kühlen Kopf zu bewahren, das war allererste Sahne.

SPOX: Welches sind denn die Saisonziele mit so einer jungen Mannschaft?

Quenstedt: Das erste Ziel ist ganz klar der Klassenerhalt. Wir sind ja eine reine Ausbildungsmannschaft. Alle sind noch so jung und uns fehlt oft vorne der kühle Kopf. Wir sind eigentlich eine sehr gute Mannschaft und spielen uns viele Chancen heraus. Aber wir machen die hundertprozentigen Dinger nicht rein. Das müssen wir auf jeden Fall verbessern.

SPOX: Wie beurteilen Sie Ihre eigene Saisonleistung?

Quenstedt: Der Torhüter ist immer nur so gut, wie seine Abwehrleute vor ihm. Die Saison hat für mich gut begonnen, aber die letzten Spiele waren nicht berauschend, eher Durchschnitt. Ein richtiges Sahnespiel war noch nicht dabei.

SPOX: Haben Sie denn Schwächen, die Sie noch verbessern müssen?

Quenstedt: Wir arbeiten im Training nicht direkt an einer Schwäche, sondern versuchen allgemein das zu verbessern, was im letzten Spiel nicht gut gelaufen ist. Wenn ich viele Bälle durch die Beine bekomme, machen wir Übungen, bei denen ich die Beine schnell schließen muss.

SPOX: Welche Eigenschaften muss ein junger Spieler Ihrer Meinung nach haben, um sich durchsetzen zu können?

Quenstedt: Man muss mental sehr stark sein und den unbedingten Willen haben. Und natürlich braucht man die körperlichen Voraussetzungen. Fünf Jahre lang zweimal am Tag trainieren ist sicher nicht immer leicht. Aber das Wichtigste ist der Spaß: Wenn man keinen Spaß an seinem Sport hat, ist es furchtbar, jeden Abend mit den gleichen Wurstköpfen zu trainieren.

SPOX: Sind Sie schon an die erste Mannschaft der Gladiators angebunden?

Quenstedt: Wir Torhüter trainieren ab und zu mit. Aber konkret hat noch niemand mit mir gesprochen. Mein Ziel ist es, in den nächsten beiden Jahren für die erste Mannschaft zu spielen.

SPOX: Wie gehen Sie vor, um diesen Plan zu verwirklichen?

Quenstedt: Ziel ist es, so viel wie möglich zu spielen. Das wird in der Bundesliga sehr schwer. Da sitzt ein junger Torwart erst mal auf der Bank. Ich werde deshalb in der 2. Mannschaft bleiben und versuchen, Erfahrung zu sammeln.

SPOX: Hat man als junger Torhüter einen Nachteil gegenüber Feldspielern? Können die sich leichter durchsetzen?

Quenstedt: Die Bundesliga-Klubs brauchen Torhüter mit Erfahrung, denen sie voll vertrauen können. Die Konkurrenz ist nicht unbedingt größer, aber als Keeper wird man erst mit den Jahren gut. Das ist wie mit einem guten Wein - je älter man ist, umso besser ist man.

SPOX: Also ist ein Weltmeistertitel keine Garantie für einen Bundesliga-Stammplatz?

Quenstedt: Der Titel ist sicherlich ein nettes Anhängsel unter deinem Namen, aber eine Garantie ist das noch lange nicht.

SPOX: Wie sieht es denn mit der internationalen Karriere aus?

Quenstedt: Für die Junioren bin ich leider zu alt. Danach gibt es dann nur noch Männer. Dazwischen kommt nichts mehr. Wenn es gut läuft - wie bei Heinevetter beispielsweise - kommt man mit etwa 25 zum Nationalteam. Ich denke, fünf oder sechs Jahre sind absolut realistisch.

SPOX: Nimmt einem die Jugend den Druck?

Quenstedt: Klar hat man eine Ausrede, wenn man nicht so erfahren ist. Aber trotzdem erwarten die Trainer auch Leistung. Zwar kann der eine oder andere Fehler mit der Jugend entschuldigt werden, aber ich bin sehr selbstkritisch und weiß genau, wann ich einen Ball halten muss und wann nicht.

SPOX: Wie sehen denn die Zukunftspläne aus? Gibt es einen Traumverein?

Quenstedt: Mein Traumverein ist der SC Magdeburg. Der Verein hat so viel Tradition und schon so viele Höhen und Tiefen erlebt. Ich möchte hier bleiben, um bald in der ersten Mannschaft spielen.

SPOX: Können Sie sich vorstellen, auch mal im Ausland zu spielen?

Quenstedt: Das ist noch so weit weg für mich. So eine Entscheidung muss man sich genau durch den Kopf gehen lassen, auch die Familie einbeziehen. Ich bleibe erst einmal in Deutschland. Immerhin haben wir hier die stärkste Handball-Liga der Welt. Warum sollte ich weg wollen?

SPOX: Haben Sie ein sportliches Vorbild?

Quenstedt: Ich schaue mir die Spiele von Henning Fritz an und versuche, mir etwas abzuschauen. Aber ich brauche kein Vorbild, das ich imitieren kann.

SPOX: Gibt es ein sportliches Vorbild in Ihrer Familie?

Quenstedt: Meine Eltern sind keine Handballer, beide waren Leichtathleten. Ich habe Fußball gespielt, bis ich in die Sport-Sekundarstufe kam. Dort begann auch meine Handball-Karriere. Auf der Schule reichte es nicht mehr, nur einmal in der Woche zu trainieren wie beim Fußball. Ich versuchte es mit Handball, und sie haben mich genommen.

SPOX: Wollten Sie immer schon Torwart werden?

Quenstedt: Nein, das war nicht geplant. Auf dem Feld warf ich immer fünf Meter über das Tor oder drei Meter vorbei. Da ich aber gute Reaktionen habe, stellten sie mich ins Tor. Ich war im Tor besser als draußen. Zum Glück, wie ich jetzt sagen kann.

SPOX: Haben Ihre Eltern Sie immer unterstützt?

Quenstedt: Ich wollte nicht von Anfang an Profi werden, das hat sich nach und nach ergeben. Meine ganze Familie stand und steht voll hinter mir und hilft mir in jeder Situation. Meine Eltern und meine Freundin waren auch bei der WM in Ägypten dabei und waren ein toller Rückhalt. Mein Vater passt heute noch auf, dass ich mir ja meine Videoanalyse vor den Spielen anschaue.

SPOX: Wie haben Sie denn die Doppelbelastung Schule - Sport gemeistert?

Quenstedt: Bei uns gab es den so genannten Zusatzsport, immer morgens um sieben, zwei Stunden lang. Dann in die Schule, nachmittags Hausaufgaben und Lernen. Ich ging um sechs aus dem Haus und kam um 21 Uhr wieder. Das ist jetzt Gott sei Dank vorbei. Es war hart, sich jeden Tag zu motivieren, aber es hat sich ausgezahlt und ich habe meinen erweiterten Realschulabschluss in der Tasche.

SPOX: Bleibt Ihnen denn noch genug Zeit für Hobbies?

Quenstedt: Ein spezielles Hobby habe ich nicht, aber ich bastle gerne an meinem Auto herum. Ich habe mir einen BMW gekauft und den ein bisschen aufgemotzt. Fahrwerk, Felgen und das ganze Programm. Das sieht jetzt klasse aus.

SPOX: Das klingt auch nach vielen PS.

Quenstedt: Ich brauche keinen Rennwagen mit 200 PS. Man kann auch mit 100 PS gegen einen Baum fahren. Meinen Kick hole ich mir lieber auf dem Spielfeld, wenn ich schnelle Konter und Siebenmeter halte. Das ist ein Wahnsinnsgefühl.

SPOX: Haben Sie schon Pläne für eine Karriere nach dem Handball?

Quenstedt: Ich bin noch bis Februar bei der Bundeswehr in der Sportfördergruppe. Dann möchte ich eine Ausbildung machen. Vielleicht bei der Polizei oder irgendetwas mit Autos. Auch Sportlehrer wäre toll, aber dazu müsste ich studieren. Das will ich nicht, ich möchte etwas in der Hand haben.

SPOX: Sie leben mit Ihrer Freundin in Magdeburg. Viel Zeit füreinander haben Sie aber nicht, oder?

Quenstedt: Wir sehen uns morgens, abends und am Wochenende, wie ein altes Ehepaar. Sie ist bei jedem Heimspiel dabei und fährt oft zu Auswärtsspielen mit. Also die volle Unterstützung, es läuft richtig klasse zwischen uns.

SPOX: Ihr Goalie-Kollege Silvio Heinevetter ist mit einer Schauspielerin liiert. Wäre dieser Medienrummel auch etwas für Sie?

Quenstedt: Er kann ja nichts dafür, dass seine Freundin so berühmt ist. Ich freue mich sehr für ihn, aber ich selbst bin keine große Rampensau. Ich will Handball spielen, sonst nichts. Aber durch Silvios Beziehung zu Frau Thomalla bekommen vielleicht auch diejenigen etwas vom Handball mit, die sich sonst nicht dafür interessieren würden.

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