DHB-Team setzt Ausrufezeichen

Von Florian Regelmann / Martin Jahns
Uwe Gensheimer war mit neun Toren der überragende Mann auf dem Feld
© Getty

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat bei der EM in Serbien ein Ausrufezeichen gesetzt und nach der besten Leistung seit langer Zeit die Hauptrunde erreicht. Das DHB-Team gewann das letzte Vorrundenspiel in Nis gegen Schweden erstaunlich souverän mit 29:24 (20:15) und wurde sogar noch Gruppensieger.

Cookie-Einstellungen

Bester Werfer im Team von Bundestrainer Martin Heuberger war Linksaußen Uwe Gensheimer mit neun Toren. Bei den Schweden traf Rückraumshooter Kim Ekdahl du Rietz (8) am besten.

Da Mazedonien am Abend Tschechien mit 27:21 schlug, zieht die DHB-Auswahl nun sogar mit der Maximal-Punktzahl (4:0) in die Hauptrunde ein. Nach dem Desaster zum Auftakt gegen Tschechien eine wahrlich unfassbare Entwicklung. In der Hauptrunde geht es ab Samstag (20 Uhr im LIVE-TICKER) in Belgrad gegen Gastgeber Serbien, den WM-Zweiten Dänemark (Montag, 18.20 Uhr) und den EM-Vierten Polen (Mittwoch, 16.15 Uhr).

Die Dänen, als einer der Topfavoriten gestartet, gehen nach einer 26:27-Pleite gegen Polen völlig überraschend mit 0:4-Punkten in die Hauptrunde.

Schlecht für Deutschland: Serbien und Polen, die wie die deutsche Mannschaft um eines der beiden verbliebenen Tickets für die olympischen Qualifikationsturniere im kommenden April kämpfen, nehmen dafür vier bzw. zwei Zähler mit. Der Olympia-Traum darf aus deutscher Sicht aber auf jeden Fall noch weitergelebt werden.

Die Reaktionen:

Martin Heuberger (Bundestrainer): "Ich freue mich, dass die Mannschaft lebt und sich gefangen hat. Wir haben unter anderem die schwedische 6:0-Abwehr gemeinsam analysiert und einiges vorbereitet, was die Mannschaft hervorragend umgesetzt hat. Aus dem Positionsangriff haben wir kaum Tore der Schweden zugelassen - das war sensationell. Wir denken nach wie vor von Spiel zu Spiel. Genauso werden wir in die Hauptrunde gehen. Das lassen wir ganz ruhig auf uns zukommen. Wir haben alles in der Hand und brauchen nicht auf die anderen zu schauen. Wir konzentrieren uns weiter auf uns."

... über seine Kritiker: "Ich habe gesagt, dass ich meinen Weg unbeirrt gehen werde. Das habe ich getan. Hätte ich auf jeden gehört, der hier glaubte, etwas sagen zu müssen, dann wären wir jetzt schon auf dem Rückflug."

Silvio Heinevetter (DHB-Torwart): "Wir haben als Mannschaft sehr gut gespielt und Schweden lange Zeit im Griff gehabt. Auch in der Höhe haben wir verdient gewonnen."

Uwe Gensheimer (DHB-Linksaußen): "Wir haben es geschafft, uns von Spiel zu Spiel zu steigern. Der Sieg gegen Mazedonien hat uns Auftrieb gebracht. Wir haben unser Konzept fast über 60 Minuten durchgezogen. Darauf können wir aufbauen. Ich habe noch Luft nach oben und hoffe, dass ich das noch zeigen kann."

Der SPOX-Spielfilm

Vor dem Spiel: Heuberger gibt Heinevetter nach dessen Glanztaten in der Schlussphase des Mazedonien-Spiels im Tor den Vorzug vor Lichtlein. Kaufmann beginnt im linken Rückraum erneut statt Kapitän Hens. Gensheimer beginnt zum ersten Mal im Turnier auf Linksaußen. Ansonsten alles beim Alten: Haaß in der Mitte, Glandorf im rechten Rückraum, Groetzki auf Rechtsaußen und Theuerkauf am Kreis. Bei den Schweden fällt Star-Keeper Sjöstrand aus. Für ihn beginnt Palicka im Tor.

4.: Glandorf wuchtet den Ball links an Palicka vorbei ins Netz. Noch kein Fehlwurf bei den Deutschen. 4:2.

9.: Gensheimer mit einem klasse Heber über Palicka. 7:3! Die Schweden brauchen jetzt schon eine Auszeit.

21.: Wieder im Nachsetzen! Gensheimer ist zur Stelle und trifft ins lange Eck - sein 7. Treffer schon. Deutschland wieder auf sechs Tore weg. 15:9.

29.: Heinevetter hält und leitet den Gegenangriff ein. Gensheimer ist durch und trifft unten rechts. Drei Tore in Folge für das DHB-Team. 19:13.

40.: In der 40. Minute (!) das erste Tor für Andersson, der aus vollem Lauf ins lange Eck trifft. Schweden auf drei Tore dran. 22:19 Deutschland.

44.: Larholm ist ist durch und trifft. Das Spiel steht jetzt auf der Kippe. Aber Pfahl ist zur Stelle und trifft zum 24:20. Ganz wichtiger Treffer!

48.: Es geht doch! Eins Hens-Knaller schlägt rechts unten ein. Erster Treffer im Turnier für den Kapitän, der wird ihm gut tun. 25:21.

52.: Tolles Anspiel von Andersson auf Lundström, der allerdings nur den Pfosten trifft. Im Gegenzug trifft Christophersen gegen Torwart Andersson, der da ganz schlecht aussieht. 28:23. Nur noch acht Minuten, das muss reichen.

60.: Zum Abschluss kommt Nilsson am Kreis noch mal frei zum Wurf, aber Heinevetter ist wieder da. Dieser Teufelskerl. Das war ein würdiger Schlusspunkt. 29:24.

Deutschland - Schweden: Das komplette Spiel im Re-Live

Der Star des Spiels: Uwe Gensheimer. Im dritten EM-Spiel durfte Gensheimer zum ersten Mal von Beginn an ran und zeigte eindrucksvoll, warum er der beste Linksaußen der Welt sein kann. Selbst von einigen Fehlwürfen in den ersten Minuten ließ er sich nicht irritieren und zeigte sein ganzes unfassbares Wurfrepertoire. Tore von Außen, Tore im Gegenstoß und wie gewohnt ohne Nerven vom Siebenmeterpunkt - Gensheimer lief heiß und traf alleine in der ersten Halbzeit achtmal. Am Ende sollte es dann neun Tore sein. Gensheimer war schon Champions-League-Torschützenkönig, er ist aktuell der beste Werfer in der HBL - und jetzt hat er auch mal in einem entscheidenden Länderspiel richtig aufgedreht. Auch absolut überragend: Silvio Heinevetter.

Der Flop des Spiels: Andreas Palicka/Mattias Andersson. Die Schweden mussten auf Johan Sjöstrand verzichten, der Barca-Keeper musste wegen Magenproblemen passen. Und ohne ihren Star-Torwart bekam Schweden riesige Probleme auf einer der Schlüsselpositionen im Handball. Ob Andreas Palicka, in Kiel der selten eingesetzte Backup von Thierry Omeyer, oder der nachnominierte Flensburger Mattias Andersson - die schwedischen Keeper lagen praktisch ständig in der falschen Ecke und hielten so gut wie nichts. Deutlicher als Heinevetter es gegen Schweden gemacht hat, kann man kein Torwart-Duell gewinnen. Von Kim Andersson muss man trotz guter Deckungsarbeit natürlich auch viel mehr erwarten als ein mickriges Törchen (1/3) und ein paar nette Anspiele.

Analyse: Man traute ja seinen Augen nicht, was man in der ersten Halbzeit vom deutschen Team sah. 20 Tore in 30 Minuten - es war die beste Angriffsleistung einer DHB-Auswahl seit langer Zeit. Es klappte alles, was man so oft zuvor vermisst hatte.

Die Außen wurden in Szene gesetzt (am Ende insgesamt 16 Tore durch die Außenspieler), im Positionsangriff wurde gegen die defensive 6-0-Abwehr der Schweden ruhig und geduldig auf die Chancen gewartet, so dass man sich auch immer wieder Siebenmeter erarbeitete. Und man kam endlich mal ins Laufen und so zu vielen leichten Toren im Tempo-Gegenstoß.

Der Lohn: Das DHB-Team war schon früh zweimal auf sechs Tore weg (11:5, 15:9). Auch eine Schwächephase, in der man Kim Ekdahl Du Rietz und Henrik Lundström nicht in den Griff bekam und die Schweden auf drei Tore verkürzten (16:13), wurde weggesteckt. Auch weil Heuberger fast den kompletten Kader einsetzte und kein Bruch entstand. Im Gegenteil: Alle Spieler konnten Selbstvertrauen tanken.

Interessant: Die Schweden hatten trotz des Offensiv-Feuerwerks des DHB-Teams und trotz des Fünf-Tore-Rückstands zur Pause eine noch bessere Wurfquote (15/22 zu 20/31). In der Endabrechnung war die Chancenverwertung beider Teams gleich (beide 56 Prozent), aber entscheidend war, dass Deutschland neunmal mehr zum Abschluss kam (52:43).

Und: Schwedens Top-Star Kim Andersson kam eben überhaupt nicht zum Abschluss. Die deutsche Deckung, insbesondere Kaufmann und Gensheimer, machte einen derart guten Job gegen den Kieler, dass dieser in den ersten 30 Minuten nur ein einziges Mal aufs Tor warf und bis Minute 40 auf seinen ersten und zugleich einzigen Treffer warten musste.

Auch wenn man das Niveau offensiv naturgemäß in der zweiten Halbzeit nicht halten und nur noch neun Tore werfen konnte, blieb das deutsche Team unglaublich stabil und ließ die Schweden nie näher als auf drei Tore heran kommen. Weil man wie schon gegen Mazedonien als Mannschaft überzeugte. Ob es Christophersen war, der wichtige Tore warf, oder auch Hens, der über 80 Minuten lang komplett auf der Bank gesessen war, jetzt aber endlich sein erstes Tor im Turnier erzielt hat.

Dazu vernagelte Heinevetter im zweiten Durchgang mit unzähligen Saves die Kiste und entnervte die schwedischen Schützen. Heubergers Entscheidung, Heinevetter gegen Mazedonien erst mal auf die Bank zu setzen und ihn damit anzustacheln, ist perfekt aufgegangen.

Mit einem Heinevetter in dieser Form, dazu noch ein starker Lichtlein als weitere Option, und einem solch konsequenten Auftreten ist jetzt plötzlich wieder jede Menge drin. Sogar das Halbfinale und vor allem die Quali für ein Olympia-Quali-Turnier. Wer hätte das nach dem desolaten EM-Auftakt für möglich gehalten... Klar ist aber auch, dass in der Hauptrunde jetzt drei richtige Kaliber warten. Nur wenn das Team die Leistung aus dem Schweden-Spiel konstant abrufen kann, hat man in diesen Spielen eine Chance. Ein Sieg könnte unter Umständen schon für das Halbfinale reichen.

Handball-EM: Alle Ergebnisse

Artikel und Videos zum Thema