SPOX: Herr Pekeler, die Fans lechzen nach dem erfolgreichsten Sportwochenende seit vielen Jahren. Ein Grand-Slam-Titel im Tennis und ein EM-Titel im Handball soll es bitteschön sein.
Hendrik Pekeler: Das ist auch unser Plan. Wir haben das Match im Fernseher verfolgt. Zwar mit einem polnischen Kommentator, aber was soll's. Es ist sensationell, dass Angie Kerber das Ding in Australien gewonnen hat. Wenn man sieht, wie die Williams die Aufschläge mit knapp 200 km/h da hinüberschießt - wow. Deshalb kann man es ihr gar nicht hoch genug anrechnen, dieses Spiel für sich entschieden zu haben. Nun liegt es an uns, nachzuziehen.
SPOX: Wie viel schwappt von der Euphorie in Deutschland zu Euch in die Mannschaft?
Pekeler: Wir bekommen natürlich via Facebook und so weiter mit, wie sich die Leute mit uns freuen. Alle sagen, dass sie schon jetzt unglaublich stolz auf uns sind. Das freut und sehr und ist noch einmal eine kleine Portion Extramotivation, um jetzt tatsächlich auch Europameister zu werden.
SPOX: Nach dem Thriller gegen Norwegen waren die meisten Spieler von den Emotionen überwältigt. Sie machen mittlerweile aber den Eindruck, als sei es bei Ihnen angekommen, dass Deutschland im Endspiel steht.
DHB vs. Norwegen: Dank Sofa-Held im Wunderland
Pekeler: Es hat ein bisschen gedauert. Mittlerweile ist es aber auf jeden Fall bei jedem von uns angekommen. Wir sind unglaublich glücklich und freuen uns auf das Endspiel. Wir können es kaum noch erwarten. Allerdings war es nach dem Spiel am Freitag natürlich erst einmal ein kleiner Schock für uns, als die Norweger Protest einlegten.
SPOX: Wie bewerten Sie im Nachhinein das Vorgehen der Norweger?
Pekeler: Ich denke, die Norweger haben ihren Einspruch im Sinne des Sports zurückgezogen. Es wäre ein Skandal gewesen, wenn wir das Spiel am Samstag noch einmal hätten wiederholen müssen. Egal, welche Mannschaft ins Finale eingezogen wäre, für die wäre es ein unheimlicher Wettbewerbsnachteil gewesen.
SPOX: Wobei man dem DHB-Team, so wie es sich in den vergangenen Tagen präsentiert hat, zugetraut hätte, das Spiel dann eben nochmal zu gewinnen. Woher nimmt die Mannschaft das Potential, die Kraft und das Selbstverständnis, bei dieser EM immer wieder aus derart engen Partien als Sieger herauszugehen?
Pekeler: Bis auf das Ungarn-Spiel war tatsächlich jede Partie ziemlich knapp. Dass wir die letzten Spiele trotzdem alle gewonnen haben, liegt meiner Meinung nach an diesem sensationellen Teamgeist, der bei uns herrscht. Es zeichnet uns einfach aus, dass wir gemeinsam bis zum Schluss zusammen kämpfen und nie den Glauben an uns verlieren. Das hat sich im Laufe des Turniers immer mehr entwickelt und verfestigt.
SPOX: Allerdings war die Partie gegen Norwegen längst nicht Euer bestes Spiel. Es gab in einigen Bereichen das eine oder andere Problem, oder?
Pekeler: Das ist sicherlich richtig. Wir waren in jedem Mannschaftsteil, Abwehr, Torhüter und Angriff nicht am Maximum unseres Leistungsvermögens. Umso schöner ist es allerdings, dass es dennoch zum Sieg gereicht hat. Wobei die Abwehr an sich jetzt auch nicht sooooo schlecht war. Wir haben eben unglaublich viele Tore über Tempogegenstöße kassiert. Unser Rückzugsverhalten war nicht besonders gut.
SPOX: Hatte das damit zu tun, dass Ihr diesmal nicht wie beispielsweise gegen Dänemark in der klaren Außenseiterrolle gewesen seid und der Druck, den ihr euch vielleicht selbst gemacht habt, deshalb ein Stück weit größer war?
Pekeler: Das glaube ich nicht unbedingt. Zum einen hat uns der Reisetag sehr viel Kraft gekostet, der war sehr stressig. Es blieb kaum mal Zeit, um eine oder zwei Stunden im Bett zu liegen und einfach zu regenerieren. Und dann machte auch die Halle einen nicht zu unterschätzenden Unterschied.
SPOX: Inwiefern?
Pekeler: In Breslau war es eigentlich immer ein Hexenkessel, es war voll, die Stimmung war gut. Und hier ist in dieser riesigen Halle keine richtige Stimmung aufgekommen. So ähnlich war auch unser Spiel. Wir hatten zeitweise nicht diese Geilheit wie in den Spielen zuvor. Ich hoffe, es wird beim Finale ein bisschen voller und die Atmosphäre dementsprechend besser.
SPOX: Spätestens dann dürfte auch die Abwehr wieder so überragend funktionieren, wie sie es eigentlich im ganzen Turnier getan hat. Finn Lemke, Erik Schmidt und Sie machen im Mittelblock wirklich einen tollen Job. Warum klappt es denn so gut?
Pekeler: Wir sind einfach geil darauf, Abwehr zu spielen. Wir haben richtig Bock darauf, vor großen Herausforderungen zu stehen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
SPOX: Lemkes Leistungsexplosion kommt schon ein wenig überraschend. Wie konnte diese Entwicklung so rasant vonstattengehen?
Pekeler: Ich kenne Finn ja schon länger, wir haben zusammen in Lemgo gespielt. Irgendwie ist aus dem jungen Finn Lemke ein Mann geworden, seit er in Magdeburg spielt. Er geht unglaublich aggressiv zur Sache und ist zudem ein Motivator. Er erinnert mich schon so ein bisschen an den Spieler Oliver Roggisch.
SPOX: Eine aggressive Deckung ist gegen Spanien unabdingbar. Ich schätze, es zählt ansonsten die allgemeine Handball-Formel, um die Partie zu gewinnen, richtig?
Pekeler: Gute Abwehr + gute Torhüter + gute Tempogegenstöße = Sieg. (lacht)
SPOX: So einfach scheint Handball zu sein. Der Kreis würde sich jedenfalls perfekt schließen. Ausgerechnet gegen Spanien, gegen das die einzige Partie verloren ging, im Finale den Titel zu holen.
Pekeler: Ja, absolut. Wir waren im ersten Spiel noch nicht ganz so drin im Turnier, wie wir es in den darauffolgenden Spielen waren. Wir haben uns eine zu lange Schwächephase erlaubt, in der die Spanier einen 11:3-Lauf hatten. Das darf uns natürlich nicht nochmal passieren. Wenn wir das verhindern, haben wir eine richtig gute Chance, das Finale zu gewinnen.
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