"WM-Titel für immer in meinem Herzen"

SPOX
17. Mai 201613:13
Johannes Bitter (l.) feierte 2007 mit dem DHB den WM-Titelgetty
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Johannes Bitter kämpft mit dem TVB Stuttgart um den Klassenerhalt in der HBL, das Herz des Torwarts hängt jedoch noch immer am Ex-Verein HSV. Der 33-Jährige über die Erwartungshaltung in seiner neuen Heimat, Qualität im Abstiegskampf, den schmerzhaften Abschied aus Hamburg und irritierende Aussagen seitens des HSV. Außerdem erklärt Bitter, was ihm der WM-Titel des Jahres 2007 bedeutete und was die EM-Helden des DHB in Rio auf die Platte bringen müssen, um erneut zu überraschen.

SPOX: Herr Bitter, auf Ihrer Homepage ist zu lesen, dass in Ihrem Leben noch eine Rucksackreise aussteht. Wohin soll es gehen?

Johannes Bitter: (lacht) Die Seite ist schon etwas veraltet. Dennoch: Südamerika oder Australien sind meine Ziele.

SPOX: Vorher stehen aber noch wichtige Aufgaben an, Sie spielen seit Januar beim TVB Stuttgart. Die Situation ist für Sie, der meist oben mit dabei war, neu. Abstiegskampf statt Europapokal. Verspüren Sie einen neuen Druck?

Bitter: Positiver Druck kann dabei helfen, gute Leistungen zu bringen. Wenn man aber immer mit der Leistung hadert und denkt, man müsse mehr bringen, ist das nicht förderlich. Ich versuche immer die Gesamtsituation einzuordnen und sage mir, dass es nur ein Handballspiel ist. Es geht also nicht um irgendetwas wirklich Wichtiges. Sollte es am Ende der Saison beispielsweise nicht mit dem Klassenerhalt klappen, dann sind wir natürlich traurig, aber das Leben geht weiter. Im Leben passieren viel schlimmere Dinge, als ein Spiel zu verlieren oder womöglich abzusteigen. Diese Einstellung hat mir in meiner Karriere geholfen, die bestmögliche Leistung zu bringen. Ich habe den Druck von mir weggeschoben.

SPOX: Beim HSV gab es für Fans und Medien mehrere wichtige Gesichter, beim TVB sind Sie der Star. Wie gehen Sie damit um?

Bitter: Mir war das vor meinem Wechsel durchaus bewusst. Die Verantwortlichen von einem Verein wie dem TVB erhoffen sich durch so eine Verpflichtung natürlich, den Klub etwas mehr in den Fokus zu rücken. Das gehört als relativ bekannter Spieler einfach dazu, es werden andere Ansprüche an einen herangetragen. Die Fans und die Medien vor Ort suchen die Nähe. Das ist etwas, was ich persönlich nie gebraucht habe. Aber es ist mir bewusst, dass es von mir gefordert wird. Deshalb mache ich es mit.

SPOX: Der TVB hat als Aufsteiger vier Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Warum steht der Klub auch nach dem letzten Spieltag über dem Strich?

Bitter: Mit den vier Zählern Vorsprung ist es möglich, die Liga zu halten. Wenn wir noch einen Sieg einfahren könnten, wäre das komfortabel. Dennoch müssen wir nach unten schielen und hoffen, dass die Mannschaften unter uns keinen Lauf bekommen. Am Ende wollen wir schließlich jubeln.

SPOX: Dem Team fehlt es also nicht an der nötigen Qualität, wie das in den vergangenen Jahren bei einigen HBL-Aufsteigern der Fall war?

Bitter: Nein, lediglich an Erfahrung. Wenn wir alle unsere Leistung abrufen, haben wir sogar eine hohe Qualität. Aber es kommt darauf an, im entscheidenden Moment die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unter den Einflüssen des Abstiegskampfes und vor dem Hintergrund, dass andere Teams einfach viel mehr Bundesliga-Erfahrung haben, ist das nicht so einfach. Der Schritt von der zweiten Liga in die HBL ist immens. Man darf nicht vergessen, wo diese Mannschaft herkommt. Viele Leute, die die Aufstiege in die zweite und erste Liga mitgemacht haben, sind nach wie vor mit dabei. Sie entwickeln sich natürlich mit, aber gerade im Abstiegskampf der Bundesliga ist viel Erfahrung gefragt.

SPOX: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer eigenen Leistung?

Bitter: Grundsätzlich glaube ich, dass ich der Mannschaft bisher helfen konnte. Das spiegeln die Ergebnisse wider, die wir eingefahren haben. Da spielt auch die geringe Anzahl an Gegentreffern eine Rolle. Dennoch ist es für mich eine neue Situation, mit 22 oder 23 Gegentoren teilweise Spiele zu verlieren. Dem stelle ich mich aber. Mir war bewusst, dass es in Stuttgart ein schwieriges Unterfangen wird.

SPOX: Wenn der HSV nicht in die Insolvenz gehen hätte müssen, wären Sie gar nicht in Stuttgart gelandet. Sie waren neun Jahre in Hamburg. Wie groß war der Schmerz bei Ihrem Abschied?

Bitter: Für die Spieler, die lange in Hamburg waren, war es schwierig, die Situation zu akzeptieren. Wir wollten das alles nicht wahrhaben, gerade weil der sportliche Erfolg da war. Und dann stand von heute auf morgen der Abschied an. Das tut immer noch sehr weh. Ich blicke trotzdem mit Stolz auf die Zeit in Hamburg zurück. Das letzte Heimspiel gegen Göppingen bleibt immer in Erinnerung: Die haben wir mit 12 Toren Unterschied aus der Halle geschossen.

SPOX: Der HSV bleibt also Ihr Herzensverein?

Bitter: Davon komme ich voraussichtlich nicht los. Ich war lange im Verein, habe in Hamburg meine private Heimat. Von daher ist der Klub natürlich der Verein meines Herzens. Wir haben ihn ja mit erschaffen. Und wenn so etwas dann nicht mehr da ist, fällt es schwer, das abzuschütteln.

SPOX: So ganz aus dem Nichts kam das Aus des HSV nicht. Es gab immer wieder finanzielle Schwierigkeiten. Warum eigentlich?

Bitter: Ich weiß nicht, wie die finanzielle Situation war. Ich weiß nur, wie es am Ende war. Ich habe mein Geld jedenfalls immer bekommen.

SPOX: In Hamburg gibt es einen Neuanfang in der dritten Liga. Toto Jansen ist neuer Trainer der A-Jugend, auch der frühere Coach Martin Schwalb ist als Vizepräsident wieder da. Wann und in welcher Rolle kehren Sie zum HSV zurück?

Bitter: (lacht) Das ist eine gute Frage. Damit habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Ich habe nur in der Zeitung lesen dürfen, dass man in Hamburg nicht mit mir plant. Auch mit Pascal Hens nicht. Das hat mich schon sehr verwundert. Ich habe weder Ansprüche angemeldet noch irgendetwas mit dem Klub besprochen. Wir haben diesen Verein gemeinsam aufgebaut, deshalb irritiert es mich, solche Aussagen zu lesen. Sauer bin ich deswegen aber nicht.

SPOX: Aber Sie wollen doch sicher zurückkehren, oder?

Bitter: Ich habe eine Menge Pläne für meine Zukunft, es gibt auch unabhängig vom Handball Möglichkeiten. Da stand der HSV bislang nicht im Fokus. Wenn ich irgendwann nach Hamburg zurückkehre, was definitiv der Fall sein wird, kann ich mir aber natürlich vorstellen, im sportlichen Bereich für den HSV tätig zu sein. Aber ich will dem Handball nicht um jeden Preis erhalten bleiben.

SPOX: Wie sehen diese Pläne abseits des Handballs aus?

Bitter: Darüber möchte ich momentan nicht sprechen. Noch ist ja nicht einmal klar, was nach dieser Saison passiert. Ich habe immer gesagt, dass ich das erst entscheide, wenn Stuttgart weiß, was in der kommenden Spielzeit Sache ist.

SPOX: Als Weltmeister dürften Ihnen sowieso einige Türen offenstehen. Zehren Sie eigentlich noch immer vom Triumph von 2007?

Bitter: Ich empfinde es als Privileg, darauf zurückschauen zu können. Dieser Erfolg im eigenen Land hat mich in den schwierigen Momenten meiner Karriere getragen. Dieser Titel, und alles was damit zusammenhängt, ist etwas, das man weder kaufen noch abschütteln kann. Ich werde den WM-Titel für immer in meinem Herzen tragen.

SPOX: Neun Jahre nach dem Triumph von Köln hat es endlich wieder mit einem Titel für das DHB-Team geklappt. Wie haben Sie die EM in Polen verfolgt?

Bitter: Ich saß in Stuttgart vor dem Fernseher, habe mitgefiebert und den Jungs die Daumen gedrückt. Am Ende war ich sehr überrascht, dass es gereicht hat. Das war nicht vorhersehbar, die Jungs haben total überzeugt.

SPOX: Was hat das Team so stark gemacht?

Bitter: Die Mannschaft ist einfach sehr ausgeglichen und konnte so sogar die vielen Ausfälle verkraften. Es war beeindruckend. Jeder hat für den anderen gekämpft, Dagur Sigurdsson konnte wechseln wie er wollte - es kam immer Leistung dabei heraus.

SPOX: Profitiert der deutsche Handball langfristig davon?

Bitter: Im Schatten des Fußballs etwas einigermaßen Ebenbürtiges zu erschaffen, ist schwierig. Man braucht unter anderem viel Glück und wohlwollende Medien. Dennoch habe ich das Gefühl, dass in letzter Zeit im deutschen Handball viel richtig gemacht wurde.

SPOX: Ein weiterer Titel würde helfen. Holt das DHB-Team in Rio eine Medaille?

Bitter: Ich habe keine Glaskugel. Deutschland gehört definitiv zum engeren Kreis der Titelkandidaten, aber es bleibt abzuwarten, ob die Mannschaft noch einmal so homogen auftreten kann. Bei der EM waren sie das Überraschungsteam, jetzt hat sie jeder auf der Rechnung. Es wird noch einmal eine Leistungssteigerung nötig sein, um die fehlenden Überraschungsmomente zu kompensieren. Was mich optimistisch stimmt: Deutschland hat den EM-Titel nicht mit Glück gewonnen, sondern mit purer Leistung.

Johannes Bitter im Steckbrief